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Lexikon der Chemie: Prionen

Prionen, proteinaceous infectious particles, eine von proteinartigen infektiösen Partikeln abgeleitete Bezeichnung für die nicht eindeutig charakterisierten Erreger von meist progressiven Erkrankungen des ZNS. Nach der Prionentheorie werden transmissible spongioforme Enzephalopathien durch Proteine übertragen, die ein endogenes Prionprotein (PrPc) in eine unlösliche und proteasestabile Form (PrPSc) überführen, die für die neurodegenerativen Effekte verantwortlich gemacht werden. Die Hypothese, daß ein Protein das infektionöse Agenz ist, wird von Stanley B. Prusiner (Nobelpreis für Medizin und Physiologie 1997) vertreten. Normalerweise haben übliche Krankheitserreger (Viren, Bakterien, Parasiten etc.) als Erbmaterial Nucleinsäuren, die nach der Infektion des Wirtes zu ihrer Vermehrung genutzt werden. Die spongiformen Encephalopathien sind dadurch gekennzeichnet sind, daß das Gehirngewebe der betroffenen Patienten ein löchriges, schwammartiges Aussehen aufweist. Sie wurden früher als sog. slow-virus-Erkrankungen bezeichnet. Dazu zählen die Traberkrankheit (scrapie), eine neurologische Störung bei Schafen und Ziegen, der Rinderwahnsinn BSE (bovine spongiforme Enzephalopathie), die Creutzfeldt-Jacob-Krankheit (CJK, eine seltene, fortschreitende Störung des menschlichen Kleinhirns), die Kuru-Krankheit (eine ähnliche oder gar identische degenerative Störung des Kleinhirns bei Ureinwohnern von Papua-Neuguinea) sowie das Gerstmann-Sträussler-Syndrom (GSS, eine seltene Erbkrankheit). Alle diese tödlich verlaufenden Erkrankungen sind durch ähnliche Symptome gekennzeichnet, so daß sie möglicherweise eng miteinander verwandt sein könnten. Die Prionenhypothese postuliert ein einziges Proteinmolekül, das im Widerspruch zum zentralen Dogma der Molekularbiologie sowohl für erbliche und spontane Formen der gleichen Krankheit verantwortlich ist. Als Hauptkomponente von Prionen fungiert eine abnormale Isoform PrPSc eines natürlichen zellulären Proteins PrPc (Prionprotein – zelluläre Form), das in allen Säugern und Vögeln vorkommt. PrPSc enthält im Gegensatz zur zellulären Form des Prionproteins nur 30 % α-Helix, jedoch mit 45 % einen hohen Anteil an β-Faltblattstruktur. Unterschiedlich zum PrPc ist PrPSc nahezu proteolyseresistent, so daß die für die spongiformen Encephalopathien typischen Neurodegenerationen auf eine Tendenz des PrPSc zur Stäbchen- und Plaquebildung zurückgeführt werden könnten. Die hohe Replikationsfähigkeit von Prionen läßt sich nach Prusiner dadurch erklären, daß jeweils ein PrPSc mit einem zellulären PrPc dimerisiert, das danach zum PrPSc umgewandelt wird. Das initiale PrPSc könnte durch eine zufällige Konformationsumwandlung, durch Mutation des PrP-Gens oder in der Folge von Proteininfektionen gebildet werden. Der gegenwärtige Erkenntnisstand läßt die Aussage zu, daß PrPSc entweder tatsächlich den pathogenen Prozeß initiiert, oder es bewirkt eine Akkumulation dieser pathogenen Vorgänge im Infektionszentrum des Gewebes.

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