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Lexikon der Chemie: Stickstoff

Stickstoff, Symbol N, chem. Element aus der V. Hauptgruppe des Periodensystems, der Stickstoff-Phosphor-Gruppe, Nichtmetall; Z 7, Massenzahlen der natürlichen Isotope 14 (99,63 %) und 15 (0,37 %), Atommasse 14,0067, Wertigkeit meist III oder V, aber auch I, II und IV, D. des gasförmigen N2 1,2506 g/l, F. -209,86 °C, Kp. -195,8 °C, krit. Temp. -147 °C, krit. Druck 3,35 MPa.

Eigenschaften. Unter Normalbedingungen ist S. ein farb-, geruch- und geschmackloses Gas, das sich bei sehr tiefer Temperatur zu einer farblosen Flüssigkeit kondensieren läßt. In Wasser ist er wenig löslich (bei 0 °C lösen 100 ml Wasser 2,33 ml N.).

Seiner Stellung im Periodensystem gemäß betätigt S. in seinen Verbindungen bevorzugt kovalente Beziehungen. Bei einer Elektronenkonfiguration von 2s2p3 wird eine Komplettierung zum Oktett durch Knüpfung von drei Kovalenzen erreicht. Typische Derivate, in denen dieser Bindungszustand realisiert ist, sind Ammoniak, Amine, Hydrazin, Hydroxylamin u. a. Alle diese Verbindungen haben trigonal-pyramidale Struktur, verfügen über ein freies Elektronenpaar und vermögen als Basen und als Nucleophile zu reagieren. Sie sind somit in der Lage, ein Proton zu akzeptieren, wobei sie in vierfach koordinierte, tetraedrisch konfigurierte, am besten unter Zugrundelegung einer sp3-Hybridisierung am zentralen N-Atom zu beschreibende Ammonium-, Hydrazonium- bzw. Hydroxylammoniumsalze übergehen. Beispiele für Verbindungen, in denen S. neben σ-Beziehungen ein oder zwei π-Bindungen eingeht, sind der elementare Distickstoff, die Stickstoffoxide, Azomethine und Azoverbindungen. Ionische Beziehungen liegen den salzartigen Nitriden, z. B. Li3N, Mg3N2 zugrunde.

Der üblicherweise vorliegende molekulare Distickstoff N2 ist aufgrund der hohen Bindungsdissoziationsenergie des Stickstoffmoleküls von 942 kJ/mol außerordentlich reaktionsträge. Dieser Wert ist Ausdruck der Stabilität der Dreifachbindung im N2 die man als Ergebnis der Wechselwirkung zweier sp-hybridisierter N-Atome unter Bildung einer σ-und zweier π-Beziehungen oder mit Hilfe des MO-Schemas für zweiatomige Moleküle beschreiben kann.

Elektropositive Elemente, wie die Alkali- und Erdalkalimetalle, reduzieren N2 in der Hitze zu entsprechenden Nitriden. Oberhalb 1000 °C reagiert S. mit Calciumcarbid zu Kalkstickstoff CaCN2 oberhalb 3000 °C mit Sauerstoff unter Bildung des Stickstoffoxids NO. Die Reaktion mit Wasserstoff zu Ammoniak gemäß N2 + 3 H2

2 NH3, ΔH = -92,5 kJ/mol, für die infolge der ungünstiger werdenden Gleichgewichtslage eine thermische Aktivierung nur begrenzt möglich ist, bedarf zur technischen Nutzung eines geeigneten Katalysators. In jüngerer Vergangenheit ist es gelungen, molekularen S. in speziellen Koordinationsverbindungen an Übergangsmetalle zu binden (Stickstoffixierung, Distickstoffkomplexe).

Analytisches. S. wird quantitativ durch die Elementaranalyse oder die Kjeldahlsche Stickstoffbestimmung erfaßt.

Vorkommen. 75,51 Masse-% (d. s. 78,70 Vol.-%) der Erdatmosphäre bestehen aus N2. An der Zusammensetzung der Erdkruste ist S. zu etwa 0,03 % beteiligt. Stickstoffhaltige Minerale sind relativ selten, größere Vorkommen gibt es vom Chilesalpeter NaNO3. Für die belebte Natur sind zahlreiche organische Stickstoffverbindungen (Eiweiße, Nucleinsäuren, Porphyrine u. v. a.) von essentieller Bedeutung. Diese werden von Pflanzen aus anorganischen Grundbausteinen, aus NH4+- und 4 NO3--Ionen aufgebaut. Die Ammoniumsalze und Nitrate nimmt die Pflanze durch die Wurzeln auf. Die Fähigkeit, molekularen Stickstoff direkt in organische Verbindungen zu überführen, ist auf nur wenige Mikroorganismen beschränkt. Bei der Verwesung tierischen und pflanzlichen Materials werden die organischen Stickstoffderivate weitgehend zu Ammoniak bzw. Ammoniumsalzen abgebaut.

Gewinnung. Das wichtigste technische Verfahren zur Gewinnung von S. ist die fraktionierte Destillation verflüssigter Luft. Reinen S. kann man im Laboratoriumsmaßstab durch thermische Zersetzung von Natrium- bzw. Bariumazid herstellen.

S. ist in mit grünem Farbanstrich versehenen Stahlflaschen (Druck 15 MPa) und auch in flüssiger Form im Handel.

Verwendung. S. ist Ausgangsmaterial zur technischen Synthese von Ammoniak und Kalkstickstoff. Wegen seiner Reaktionsträgheit wird er vor allem als Schutzgas bei chem. Reaktionen, beim Schweißen, zur Füllung von Glühlampen u. ä. verwendet. Flüssiger S. dient als Kühlmittel.

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