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Lexikon der Ernährung: Hunger

Hunger, E hunger, inanition, Nahrungskarenz, Gegenteil von Sattheit. H. lässt sich als Abwesenheit von Sattheit charakterisieren. Unter Hunger (Hungergefühl, E sensation of hunger) versteht man das vom Hypothalamus und limbischen System ausgehende allgemeine Verlangen (Appetenzverhalten) nach Nahrung, während Appetit das Verlangen nach speziellen Lebensmitteln bzw. Geschmacksqualitäten bezeichnet. H. ist oft verbunden mit einem gefühlsbetonten Organempfinden, z. T. Leerperistaltik und Magenschmerz. Obwohl starke Kontraktionen des Magens (sog. Hungerkontraktionen) im Zusammenhang mit dem Hungergefühl auftreten, sind sie nicht dessen Ursache, wie dies ursprünglich von Cannon (amerik. Physiol. 1871–1945) vermutet wurde. Ein Hungergefühl tritt nämlich oft auch ohne Hungerkontraktionen auf.
Im Hypothalamus kommt es zu einer Integration aller H. bzw. Sättigung signalisierenden Stimuli. Die Nahrungsaufnahme wird folglich gehemmt durch Sättigungssignale, die in Abhängigkeit von der Größe einer Mahlzeit generiert werden. Bei Verschwinden dieser Signale beginnt eine erneute Nahrungsaufnahme. Hunger, Sättigung (Beendigung einer Mahlzeit) und Sattheit hängen also eng miteinander zusammen.
Unter natürlichen Lebensbedingungen wird ein Individuum folglich Nahrung aufnehmen, sobald ihm nährstoffreiche und schmackhafte Nahrung angeboten wird, außer dass die vorangegangene Nahrungsaufnahme so kurz zurückliegt, dass entsprechende Sättigungssignale (Appetitregulation) der letzten Mahlzeit noch wirksam sind. Normalerweise wird durch Nahrungsentzug zwar ein sehr starkes Hungergefühl ausgelöst, ohne dass jedoch gleichzeitig ein kritisches Maß an Nährstoffknappheit in der Blutzirkulation auftreten muss.
Ein eigentliches Hungerhormon ist nicht bekannt, die durch das Hungergefühl ausgelöste Nahrungsaufnahme ist das Resultat des Zusammenwirkens einer Vielzahl von Neuropeptiden und Neurotransmittern im Hypothalamus (s. dort).
Bei Unterlassen der Nahrungszufuhr (willentlich z. B bei Anorexia nervosa, Fasten oder unwillentlich Hungersnot, Protein-Energie-Mangelsyndrome) kommt es zu den physiologischen Stoffwechselveränderungen des Hungerstoffwechsels bis hin zum Hungertod. Langandauerndes Hungern führt zur sog. Hungeratrophie (Hungerstoffwechsel). Diese katabole Stoffwechsellage ist gekennzeichnet durch einen zunehmenden Verlust an Körpersubstanz, der nach Aufbrauch der Glycogenreserven zuerst das Fettgewebe als wichtigsten und größten Energiespeicher im Körper betrifft (lipolytische Freisetzung freier Fettsäuren, Hungerketonämie; Hungeracidose). In der Folge kommt es auch zum Abbau von Drüsen- und Muskelgewebe, der Haut, der Nieren, Lunge und schließlich Knochen. Das Herz und das zentrale Nervensystem sind von diesem Substanzverlust praktisch nicht betroffen. In schweren Fällen führt die Hungeratrophie zur Kachexie, worunter man eine allgemeine Auszehrung und Atrophie fast des ganzen Organismus versteht, der neben der Abmagerung vor allem auch durch Kräfteverfall und Apathie charakterisiert ist.
Unter der Hungerdystrophie (=alimentäres Dystrophie-Syndrom) versteht man einen gestörten Ernährungszustand, der im Rahmen einer lang andauernden Fehlernährung vor allem auf einer mangelhaften Aufnahme von Protein und Vitaminen beruht. Die Symptome der Hungerdystrophie, wie z. B. Hungerödeme, Muskelschwäche oder Abbau der Knochensubstanz (Hungerosteoporose), hängen mit dem Proteinmangel zusammen. Führt langandauerndes Hungern zu einem zu starken Proteinverlust, kommt es unweigerlich zum Hungertod. Urachen sind ein Versagen der Wärmeproduktion, von Herz-Kreislauf- und Atemapparat sowie der Nieren und der Verdauungsfunktion. Die Überlebensdauer im Hungerzustand hängt vor allem von den Energievorräten des Individuums, also seinen Körperfettreserven, und seiner Stoffwechselintensität ab.
Bei Beendigung des Hungerzustandes treten die Symptome des Hungerdiabetes auf.

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