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Lexikon der Ernährung: Landwirtschaft

Landwirtschaft, E agriculture, die Produktion pflanzlicher und tierischer Lebensmittel unter Nutzung des Bodens (oder auch synthetischer Substrate als Bodenersatz wie bei der Unterglaskultur). Anfänge einer L., die mehr als reine Selbstversorgung war, lassen sich auf erste Formen der Pflug-Kultur in der Jungsteinzeit (ca. 6.000 v. Chr.) datieren.
Landwirtschaftliche Betriebe lassen sich in Europa nach verschiedenen Kriterien unterteilen:
Betriebsformen: Wenn der betreffende Anteil der Erzeugung am Deckungsbeitrag des Betriebes 50 % übersteigt, werden diese als Marktfrucht- (z. B. Getreide, Zuckerrüben), Futterbau- (z. B. für Milchvieh oder Rindermast), Veredelungs- (z. B. Schweinemast, Geflügelhaltung) oder Dauerkulturbetriebe (z. B. Obst, Wein) bezeichnet, ansonsten als Gemischbetriebe.
Betriebsgröße (sowie Haupt- und Nebenerwerbsbetriebe), s. u. (Abschnitt aktuelle Problemfelder).
Anbau- und Produktionsverfahren: Die Klassische L. ist der am weitesten verbreitete Typ – in Abhängigkeit von Boden- und Klimabedingungen kommen organische und mineralische Dünge- und chemische Pflanzenschutzmittel zum Einsatz. Da der Verzicht auf (zuviel) Dünge- oder Pflanzenschutzmittel sowie die Beachtung geeigneter Fruchtfolge, Sortenwahl und Anbautechnik neben ökologischen auch ökonomische Vorteile bringt, sind die Übergänge zum integrierten Landbau, der sowohl ökologischen und ökonomischen Kriterien Rechnung trägt, fließend. Auch hier kommen organische und mineralische Düngung sowie mechanischer, biotechnischer und chemischer Pflanzenschutz zum Einsatz. Alternativ wirtschaftende Betriebe hingegen zeichnen sich u. a. durch Verzicht auf Mineraldüngung und chemischen Pflanzenschutz aus (ökologischer Landbau). Die Inhaltsstoffzusammensetzung bzw. der Gehalt an Rückständen und Schadstoffen von Produkten aus unterschiedlicher Produktionsweise ist Gegenstand zahlreicher Untersuchungen. Hierauf wird unter den betreffenden Stichworten eingegangen.
Weltweite Situation: Das Verhältnis von Ertrag zum Aufwand an investierter Arbeits- und Maschinenkraft, Düngemitteln sowie zu den Verlusten durch Ernteschädlinge bzw. Tier- und Pflanzenkrankheiten definiert seit jeher das Spannungsfeld, indem L. existiert. Von Bedeutung für die Ernährung der Bevölkerung (Welternährungslage) ist dabei die Entwicklung der landwirtschaftlichen Produktivität einerseits und die der Weltbevölkerung andererseits. Zwischen 1998 und 1999 nahm z. B. erstere um ca. 0,9 %, letztere jedoch um 1,5 % zu. Rein rechnerisch würde die weltweite Agrarproduktion derzeit für die Weltbevölkerung ausreichen. In der Realität besteht jedoch weltweit ein krasses Ungleichgewicht in der Nahrungsmittelversorgung, in vielen Entwicklungsländern sind nach wie vor Hunger und Unterernährung Realität.
Zunehmend spielen hierfür neben der Verkarstung und Ausbreitung der Wüsten sowie Witterungseinflüssen politische und gesamtwirtschaftliche Faktoren eine Rolle. Besonders betroffen ist der afrikanische Kontinent – vor allem die Staaten südlich der Sahara – hier standen 1999 pro Kopf und Tag 2.100 kcal zur Verfügung (Weltdurchschnitt: 2.700 kcal). 33 % der Gesamtbevölkerung bzw. 180 Mio. Menschen sind hier unterernährt. 30 der rund 40 Staaten, in denen über ein Drittel der Bevölkerung unterernährt ist, liegen in Afrika.
Zu den Ländern, in denen die landwirtschaftliche Produktion unter dem Bedarf der Bevölkerung liegt, gehören aber auch die GUS-Staaten (hier besonders Russland!), hier wurden 1999 nur ca. 60 % der Lebensmittelmenge von 1990 produziert.
Die Region mit den höchsten Agrarüberschüssen und -exporten wird von den USA und Kanada gebildet.
Aktuelle Problemfelder: Während in den ärmeren Regionen der Welt die ausreichende und nachhaltige Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln das Hauptproblem der L. ist, stehen in den reichen Industrienationen andere Probleme im Vordergrund:
Die im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen geringere Einkommensentwicklung in der L. bewirkt einen anhaltenden Strukturwandel, weg von Kleinbetrieben hin zu mittleren und großen Betriebsgrößen (Tab., Betriebe unter 2 ha nicht berücksichtigt).
Der Zwang zu höherer Produktivität für die Betriebe hat zu negativen Begleiterscheinungen wie Intensivtierhaltung (Masthilfsmittel), Monokulturen mit hohem Einsatz an Pestiziden u. a. geführt.
Im Zuge von Lebensmittelskandalen und einer Folge von Tierseuchen, gibt es in Deutschland und Europa Bestrebungen zur stärkeren Förderung der ökologischen Landwirtschaft. 1999 bewirtschafteten 1,8 % der deutschen Betriebe ca. 2,4 % der landwirtschaftlichen Flächen nach den Prinzipien des ökologischen Landbaus. Nicht zuletzt im Zuge der BSE-Krise kam es zur Umbennung des ehemaligen Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft. Der Agrarbericht 2000 der Bundesregierung spricht davon, dass alternative Betriebe „zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen“, aber auch zur „Entlastung der Agrarmärkte“ beitragen.
Somit bleibt das Image der L. hierzulande geprägt von der Diskussion um Anbau- bzw. Bewirtschaftungsformen, den Einsatz von Gentechnik (Gentechnik und Lebensmittel, Essay) und einem zwiespältigen Verbraucherverhalten, dass „gesunde“ Lebensmittel zu einem möglichst niedrigen Preis wünscht.

Landwirtschaft: Tab. Betriebsgrößen der Landwirtschaft in Deutschland 1999. [Quelle: Fischer Weltalmanach 2001, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt, 2000]

Betriebs-
größe
[ha]
Anzahl der BetriebeAnteil an allen Betrieben
[%]
Anteil an der landwirtschaftlich genutzten Fläche
[%]
2–9,9148.71134,74,5
10–19,987.11020,37,5
20–29,951.35012,07,4
30–49,963.12314,714,3
50–99,954.40712,721,9
³ 10024.2545,644,3

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