Direkt zum Inhalt

Lexikon der Ernährung: Protein-Energie-Mangelsyndrome

Protein-Energie-Mangelsyndrome, PEM, Protein-Kalorie-Mangelsyndrome, E Protein-calorie-malnutrition, PCM, protein energy deficiency syndromes, Krankheitsbilder der Hauptform der Unterernährung (defizitäre Aufnahme von Makronährstoffen) v. a. in Entwicklungsländern. PEM treten auf, wenn die unzureichende Aufnahme von Nahrung und damit von Energie und Protein über einen Zeitraum von Wochen bis Monaten besteht. Diese Form der Fehlernährung in Zeiten des Hungers tritt hauptsächlich bei Kindern auf, da sie wachstumsbedingt einen erhöhten Nährstoffbedarf haben, weshalb sich schneller ein Nährstoffmangel einstellt. Dennoch können in Ausnahmesituationen (Hungersnöte, Malabsorption, Alter) auch Erwachsene betroffen sein. Häufig kommt es auch zu einer Kombination mit Mangelkrankheiten, v. a. Avitaminosen (Vitaminmangelkrankheiten) und Mineralstoffmangel, weshalb anstelle von PEM auch der Begriff multinutrient deficiency vorgeschlagen wurde.
Formen: Die beiden schweren klinischen Hauptformen werden als Marasmus und Kwashiorkor bezeichnet, wobei Marasmus eine bedeutendere Rolle spielt, da er auch im Erwachsenenalter auftreten kann. Außerdem sind Mischformen beider Krankheitsbilder möglich (marasmischer Kwashiorkor). Die klinisch häufigsten Formen der P. werden entsprechend der WHO/FAO-Skala klassifiziert (Tab.). Des Weiteren existieren noch leichte subklinische Formen der PEM, die auch als „hidden hunger“ bezeichnet werden. Diese gehen mit moderatem Gewichtsverlust, Mangelentwicklung und der Abwesenheit von Ödemen einher und werden ebenfalls anhand der anthropometrischen Indizes erfasst. Diese Formen spielen weltweit mengenmäßig die bedeutendere Rolle.
Klinisches Bild: Die Diagnose der P. erfolgt klinisch durch Erfassung z.B. von Organveränderungen, Muskelschwund (Proteinmangeldystrophie), reduzierte Wachstumsrate und Ödembildung, klinisch-chemisch z. B. durch erniedrigtes Serumalbumin, niedrige Hämoglobinwerte und vermindertes extrazelluläres Kalium, subklinisch durch Bestimmung anthropometrischer Indices (Körpergröße und -gewicht, Oberarmumfang, Hautfaltendicke).
Komplikationen, die im Zusammenhang mit PEM auftreten können, sind Infektionen, Diarrhö, Hypothermie und eine allgemeine Mangelernährung. Alle Formen sind mit Stoffwechselveränderungen assoziiert. Es kommt zur Senkung des Energieverbrauches und des Grundumsatzes, Mobilisierung der Körperfettreserven und Mangelfettleber, Abbau des Muskeleiweißes und abfallender Proteinsyntheserate (Kachexie). Dadurch kommt es zu einer veränderten Konzentration der Plasmaproteine, was zu Hungerödemen aufgrund von Albuminmangel und zu Eiweißmangelanämie (Mangelanämien) führen kann. Sekundärer Lactasemangel kann auftreten. Mit dem Gewichtsverlust einher geht auch die Reduktion des subkutanen Fettgewebes. Die Infektionsanfälligkeit ist aufgrund eines Immunglobulinmangels stark erhöht. Da sich Infektionskrankheiten und der Ernährungsstatus beiderseits negativ beeinflussen, spricht man in diesem Zusammenhang auch von einem Teufelskreislauf zwischen Unterernährung und Infektion (Mangelernährung, Abb.). Auch die Anfälligkeit für parasitären Befall ist stark erhöht. Außerdem stellen sich zum Zwecke der Aufrechterhaltung des Energiegleichgewichtes hormonelle Veränderungen ein. Des Weiteren können zahlreiche weitere physiologische Funktionen beeinträchtigt sein.
Auf Dauer ist sowohl die körperliche (Kümmerwuchs) als auch die geistige Entwicklung der betroffenen Kinder beeinträchtigt. Auch beim Erwachsenen kommt es zu einer verminderten körperlichen Leistungsfähigkeit, so dass die PEM auch zu einem volkswirtschaftlichen Problem wird. Bei anhaltender PEM kann es zum Hungertod kommen.
Behandlung, Ernährungsrehabilitation: Unbehandelt führen schwere PEM zum Hungertod. Zu Beginn der Therapie sind die durch Diarrhö bedingte Dehydratation und die Störungen im Elektrolythaushalt auszugleichen, danach werden die Infektionen durch Antibiotikagabe behandelt. Als nächster Schritt sollte auf die Versorgung mit Mikronährstoffen geachtet und erst dann gezielt alimentär behandelt werden. Dabei erfolgt die Behandlung portionsweise, schrittweise steigend und kontinuierlich mit wässrigen Nährstofflösungen. Unter Umständen muss das Zufüttern über Sonden erfolgen. Nach 1–2 Wochen kann dann auf energiereiche Nahrung (Nahrungssupplement) zurückgegriffen werden. Dabei sollte ein Vielfaches des Kalorienbedarfes gefüttert werden, da die Kinder das Nährstoffdefizit aufholen müssen. Bei Kwashiorkor-Patienten ist zu beachten, dass es zwischenzeitlich durch die Rückbildung der Ödeme zu Gewichtsabnahmen kommen kann.

Protein-Energie-Mangelsyndrome: Tab. Klassifikation nach FAO / WHO.

BezeichnungKörper-
gewicht
(% Havard-Standard)
ÖdemeVerlust an Gewicht / Größe
leichte PEM80–60neingering
Kwashiorkor80–60jastark
Marasmusunter 60neinsehr stark
marasmischer Kwashiorkorunter 60jastark

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Die Autoren

Albus, Christian, Dr., Köln
Alexy, Ute, Dr., Witten
Anastassiades, Alkistis, Ravensburg
Biesalski, Hans Konrad, Prof. Dr., Stuttgart-Hohenheim
Brombach, Christine, Dr., Gießen
Bub, Achim, Dr., Karlsruhe
Daniel, Hannelore, Prof. Dr., Weihenstephan
Dorn, Prof. Dr., Jena
Empen, Klaus, Dr., München
Falkenburg, Patricia, Dr., Pulheim
Finkewirth-Zoller, Uta, Kerpen-Buir
Fresemann, Anne Georga, Dr., Biebertal-Frankenbach
Frenz, Renate, Ratingen
Gehrmann-Gödde, Susanne, Bonn
Geiss, Christian, Dr., München
Glei, Michael, Dr., Jena (auch BA)
Greiner, Ralf, Dr., Karlsruhe
Heine, Willi, Prof. Dr., Rostock
Hiller, Karl, Prof. Dr., Berlin (BA)
Jäger, Lothar, Prof. Dr., Jena
Just, Margit, Wolfenbüttel
Kersting, Mathilde, Dr., Dortmund
Kirchner, Vanessa, Reiskirchen
Kluthe, Bertil, Dr., Bad Rippoldsau
Kohlenberg-Müller, Kathrin, Prof. Dr., Fulda
Kohnhorst, Marie-Luise, Bonn
Köpp, Werner, Dr., Berlin
Krück, Elke, Gießen
Kulzer, Bernd, Bad Mergentheim
Küpper, Claudia, Dr., Köln
Laubach, Ester, Dr., München
Lehmkühler, Stephanie, Gießen
Leitzmann, Claus, Prof. Dr., Gießen
Leonhäuser, Ingrid-Ute, Prof. Dr., Gießen
Lück, Erich, Dr., Bad Soden am Taunus
Lutz, Thomas A., Dr., Zürich
Maid-Kohnert, Udo, Dr., Pohlheim
Maier, Hans Gerhard, Prof. Dr., Braunschweig
Matheis, Günter, Dr., Holzminden (auch BA)
Moch, Klaus-Jürgen, Dr., Gießen
Neuß, Britta, Erftstadt
Niedenthal, Renate, Hannover
Noack, Rudolf, Prof. Dr., Potsdam-Rehbrücke
Oberritter, Helmut, Dr., Bonn
Öhrig, Edith, Dr., München
Otto, Carsten, Dr., München
Parhofer, K., Dr., München
Petutschnig, Karl, Oberhaching
Pfau, Cornelie, Dr., Karlsruhe
Pfitzner, Inka, Stuttgart-Hohenheim
Pool-Zobel, Beatrice, Prof. Dr., Jena
Raatz, Ulrich, Prof. Dr., Düsseldorf
Rauh, Michael, Bad Rippoldsau
Rebscher, Kerstin, Karlsruhe
Roser, Silvia, Karlsruhe
Schek, Alexandra, Dr., Gießen
Schemann, Michael, Prof. Dr., Hannover (auch BA)
Schiele, Karin, Dr., Heilbronn
Schmid, Almut, Dr., Paderborn
Schmidt, Sabine, Dr., Gießen
Scholz, Vera, Dr., Langenfeld
Schorr-Neufing, Ulrike, Dr., Berlin
Schwandt, Peter, Prof. Dr., München
Sendtko, Andreas, Dr., Gundelfingen
Stangl, Gabriele, Dr. Dr., Weihenstephan
Stehle, Peter, Prof. Dr., Bonn
Stein, Jürgen, Prof. Dr. Dr., Frankfurt
Steinmüller, Rolf, Dr., Biebertal
Stremmel, Helga, Bad Rippoldsau
Ulbricht, Gottfried, Dr., Potsdam-Rehbrücke
Vieths, Stephan, Dr., Langen
Wächtershäuser, Astrid, Frankfurt
Wahrburg, Ursel, Prof. Dr., Münster
Weiß, Claudia, Karlsruhe
Wienken, Elisabeth, Neuss
Wisker, Elisabeth, Dr., Kiel
Wolter, Freya, Frankfurt
Zunft, Hans-Joachim F., Prof. Dr., Potsdam-Rehbrücke

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.