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Lexikon der Ernährung: Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr

Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr

Günther Wolfram, Weihenstephan

Ernährung besteht nicht einfach aus der Summe aller lebensnotwendigen Nährstoffe, sondern ist auch das Ergebnis von Interaktionen und Synergismen aller Bestandteile einer vollwertigen Ernährung. Aus diesem Grund kann man Ernährung, streng genommen, nicht in Faktoren oder einzelne Abschnitte des Stoffwechsels oder des Genoms zerlegen. Zur wissenschaftlichen Untersuchung der Frage, welche Inhaltsstoffe der Nahrung zu diesen unentbehrlichen Nährstoffen gehören und welche Mengen davon zugeführt werden müssen, um ein Optimum an Wachstum, Leistungsfähigkeit, Fertilität und Lebenserwartung zu erreichen, wird man zwar immer wieder einzelne Komponenten der Nahrung, z. B. in Form von Referenzwerten, isoliert betrachten müssen. Dieses Vorgehen ist aber nur statthaft, wenn die Wirkungen von isolierten Faktoren und in einzelnen Abschnitten des Stoffwechsels abschließend im Kontext der vollwertigen Ernährung am Menschen selbst beurteilt werden.

Meilensteine auf dem Weg zu Empfehlungen

Der erste Ansatz, aus empirischen Befunden und naturwissenschaftlichen Erkenntnissen qualitative und quantitative Rückschlüsse auf den Nährstoffbedarf des Menschen zu ziehen und daraus Empfehlungen für eine bestimmte Ernährung herzuleiten, stammt von dem deutschen Physiologen Carl von Voit aus der zweiten Hälfte des vorletzten Jahrhunderts. Das voitsche Kostmaß bestand aus 118 g Protein, 500 g Kohlenhydraten, 56 g Fett und Aschebestandteilen und war in der Ernährungswissenschaft über lange Zeit als Empfehlung für die Nährstoffzufuhr gültig. Die ersten modernen Empfehlungen für eine bedarfsdeckende Ernährung und die Nährstoffzufuhr waren die Recommended Dietary Allowances (RDA) des National Research Council von 1943, die im zweiten Weltkrieg in den USA als Grundlage für die Truppenverpflegung aufgestellt wurden und nach Alter, Geschlecht und Arbeitsschwere differenzierte Angaben für die wünschenswerte Zufuhr von Energie, Protein, Calcium, Eisen und 5 Vitaminen enthielten.

Die Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO; Welternährungsorganisation) setzte nach dem zweiten Weltkrieg mit ihren Empfehlungen andere Schwerpunkte, da ihre Hauptaufgabe die ausreichende Ernährung in den Entwicklungsländern ist. In ihrer ersten Veröffentlichung im Jahre 1950 behandelte sie nur den Energiebedarf, dem dann nach und nach Angaben zu Protein, Calcium, Fett, wasserlöslichen Vitaminen und Spurenelementen folgten. Eine Zusammenfassung dieser Empfehlungen enthält das WHO Handbook on Human Nutritional Requirements aus dem Jahr 1974, das 1988 neu bearbeitet wurde.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) erarbeitete als erstes nationales Gremium nach den USA im Jahr 1955 die „wünschenswerte Höhe der Nahrungszufuhr“. Diese „Empfehlungen“ wurden bis 1991 mehrmals überarbeitet. Im Jahr 2000 wurden sie von den DACH-Referenzwerten der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung, der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährungsforschung und der Schweizerischen Vereinigung für Ernährung abgelöst. In der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg entstanden zahlreiche weitere Empfehlungen nationaler wissenschaftlicher Gesellschaften zur wünschenswerten Zufuhr von Nährstoffen beim Menschen. Weiterhin gibt es seit 1993 die „Nutrient and Energy Intakes for the European Community“ der Commission of the European Communities, Scientific Committee for Food (SCF).

Mit der Zunahme der Erkenntnisse über die Auswirkungen eines mehr oder weniger ausgeprägten Mangels an unentbehrlichen Nährstoffen und über deren Wirkungsmechanismen wurde es immer besser möglich, den Mangel, den Bedarf und die wünschenswerte Zufuhr genauer zu definieren. Meilensteine auf dem Weg dahin waren die Definitionen der FAO / WHO-Expertengruppen von 1967 und 1970. „Als Nährstoffbedarf wird die kleinste von außen zugeführte Menge betrachtet, die erforderlich ist, um Mangelerscheinungen zu verhüten, die durch klinische Merkmale und Symptome und / oder durch Messwerte biochemischer oder physiologischer Funktionen überprüfbar sind“. Diese kleinsten notwendigen Zufuhrmengen weisen natürlich individuelle Streuungen auf und gelten nur für definierte Situationen. Für die Erstellung von Zufuhrempfehlungen für unentbehrliche Nährstoffe lieferte die Expertengruppe der FAO / WHO die Definition: „Die empfohlene Zufuhr entspricht Nährstoffmengen, von denen anzunehmen ist, dass sie genügen, um nahezu alle Personen gesund zu erhalten“.

Der Food and Nutrition Board des Institute of Medicine der National Academy of Sciences der USA schlug 1998 neue Definitionen für Referenzwerte vor. Diese Dietary Reference Intakes (DRI) liefern quantitative Angaben zur Nährstoffzufuhr, die zur Planung und Festlegung der Ernährung von gesunden Personen dienen sollen. Sie beinhalten Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr (Recommended Dietary Allowance), aber außerdem drei weitere Arten von Referenzwerten, nämlich den durchschnittlichen Bedarf (Estimated Average Requirement), Schätzwerte für die Nährstoffzufuhr (Adequate Intake) und eine risikofreie obere Zufuhrmenge (Tolerable Upper Intake Level). Diese neuen Definitionen wurden zum Teil von anderen nationalen wissenschaftlichen Gremien übernommen.

Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr

Die DACH-Referenzwerte der ernährungswissenschaftlichen Gesellschaften von Deutschland, Österreich und der Schweiz stellen im deutschsprachigen Raum die neuesten quantitativen und qualitativen Angaben zur Nährstoffzufuhr dar, von denen angenommen wird, dass sie nahezu alle Personen der jeweiligen Bevölkerungsgruppe vor ernährungsmitbedingten Gesundheitsschäden schützen und ihre volle Leistungsfähigkeit gewährleisten. Darüber hinaus sind sie dazu bestimmt, eine gewisse Körperreserve zu schaffen, die bei unvermittelten Steigerungen eines Bedarfs sofort verfügbar ist und gesundheitliche Beeinträchtigungen verhindert. Diese Referenzwerte beziehen sich nicht auf die Versorgung von Patienten und Rekonvaleszenten und sie sind auch, mit Ausnahme der Empfehlungen für die Jodzufuhr, nicht ausreichend, um bei Personen mit einem Nährstoffmangel entleerte Speicher wieder aufzufüllen. Sie gelten auch nicht für Personen, die durch Genussgifte (z. B. erhöhten Alkoholkonsum) oder eine regelmäßige Arzneimitteleinnahme belastet sind.

Nutritive und präventive Aspekte

In letzter Zeit gibt es immer mehr Hinweise darauf, dass bestimmte Nährstoffe neben ihrem nutritiven Wert, d. h. ihrer Fähigkeit Nährstoffmangel zu verhüten, auch präventive Wirkungen haben. In Anlehnung an die DACH-Referenzwerte werden im Folgenden hier zunächst die nutritiven und dann die präventiven Aspekte behandelt. Die nutritiven Aspekte der Referenzwerte werden als Empfehlungen, Schätzwerte oder Richtwerte formuliert (Abb. und Tab.).

Nährstoffbedarf

Die Menge eines Nährstoffes, die notwendig ist, um eine Mangelkrankheit zu verhüten, wird Bedarf genannt und ist von Mensch zu Mensch und von Tag zu Tag verschieden. Sie hängt von vielen endogenen und exogenen Einflüssen ab. Experimentell kann der jeweilige Bedarf nur bei kleinen, umschriebenen, hinsichtlich Geschlecht, Alter, Gewicht etc. möglichst einheitlichen Personengruppen unter definierten Bedingungen bestimmt werden. Die dabei gewonnenen Befunde müssen dann auf größere Gruppen der Allgemeinbevölkerung übertragen werden.

Diese experimentell ermittelten Werte unterliegen einer statistischen Verteilung. Sofern es sich um eine Normalverteilung (gaußsche Kurve) handelt, deckt die dem Durchschnittwert der Gruppe entsprechende Zufuhr den Bedarf von 50 % der untersuchten Personen (mit einem niedrigeren Bedarf) ab, während sie den Bedarf der anderen 50 % der Gruppe, deren Bedarf oberhalb des Durchschnittswertes liegt, nicht erreicht. Diese Tatsache muss dann bei der Formulierung von Empfehlungen für Personengruppen berücksichtigt und so der Bedarf auch dieser Personen abgedeckt werden.

Für die Feststellung des Nährstoffbedarfs ist zunächst die Definition des Begriffs „Bedarf“ wichtig. Der „Minimalbedarf“, bezeichnet die Nährstoffmenge, die unbedingt gebraucht wird, um klinisch nachweisbare Funktionsstörungen zu verhüten. Mehr Sicherheit bietet der Bedarf, der auch noch die Anlage von Gewebereserven erlaubt, bei einem unvermittelten Mehrbedarf für einen Puffer sorgt und auch die Funktionen Wachstum und Reproduktion ausreichend berücksichtigt. Letztere sind bei den klassischen Mangel- und Repletionsuntersuchungen am Menschen, wie sie in aller Regel durchgeführt werden, nicht zu erfassen.

Für die Höhe des Nährstoffbedarfs ist die gewählte Zielgröße, die durch eine bestimmte Nährstoffzufuhr zuverlässig erreicht werden soll, von entscheidender Bedeutung. Als Zielgrößen können Plasmakonzentrationen von Nährstoffen oder von Metaboliten, Konzentrationen in Geweben, Enzymaktivitäten oder auch bestimmte Funktionen, z. B. antioxidative Wirkungen, gewählt werden. Für derartig unterschiedliche Zielgrößen sind auch die durchschnittlichen Bedarfszahlen unterschiedlich. Während früher für den Bedarf an Vitamin C als Zielgröße die Sättigung im Plasma verwendet wurde und dafür eine Empfehlung von 75 mg / d gültig war, zieht man heute die Sättigung von Leukocyten mit Vitamin C als Zielgröße vor und benötigt dafür eine höhere Zufuhr mit einer Empfehlung von 100 mg / d Vitamin C. Wegen ihres Coenzym-Charakters im Energiestoffwechsel wird die Ableitung der Referenzwerte für Thiamin, Riboflavin und Niacin auf die Richtwerte für den Energieverbrauch bezogen. Für die Ableitung der empfohlenen Zufuhr von Vitamin B6 wird die empfohlene Proteinzufuhr zugrunde gelegt. Für die Ableitung der Schätzwerte für Vitamin E ist die Zufuhr der Menge und Art der ungesättigten Fettsäuren der Nahrung wichtig. Bei den Vitaminen A, E, Niacin und Folsäure wird als Hilfsgröße für die zusätzliche Erfassung stoffwechselwirksamer Vorstufen, Derivate oder Folgeprodukte der Begriff „Äquivalente“ verwendet.

Sehr häufig können nicht für alle Altersstufen durchschnittliche Bedarfswerte experimentell bestimmt werden. In diesen Fällen müssen für die dazwischen liegenden Altersgruppen die Werte interpoliert werden. Derartige Werte für das Kleinkindes- und Kindesalter gehen von der Zufuhr beim voll gestillten Säugling aus. Dabei gilt, dass bei einer ausreichenden Milchmenge der Frau der Säugling während der ersten vier Monate gut gedeiht. Aufgrund der nach zwei Monaten Stillzeit durchschnittlich abgegebenen Frauenmilchmenge von etwa 750 ml / d, lässt sich aus der Zusammensetzung der Frauenmilch ein Schätzwert für den Säugling ableiten. Da der Nährstoffgehalt der Frauenmilch Schwankungen unterliegt, haben die auf diese Weise abgeleiteten Nährstoffmengen nur die Qualität von Schätzwerten. Dennoch müssen diese Werte als Ausgangswerte für die Interpolation bis hin zum Jugendalter dienen.

Referenzwerte sind mit Ausnahme von Wasser (Volumeneinheit) in Gewichtseinheiten angegeben. Sie werden in aller Regel für Männer und Frauen und für einzelne Altersgruppen festgelegt. Die jeweiligen Werte sind für den Mittelwert der Altersgruppen berechnet und beziehen sich auf die tägliche Zufuhr pro Person. Für Energie, Protein und Wasser findet man zusätzliche Angaben zur täglichen Zufuhr pro kg Körpergewicht. Für die Energieträger Kohlenhydrate und Fett sowie essenzielle Fettsäuren werden Werte in Prozent der Energiezufuhr angegeben.

Die in den Referenzwerten genannten Zahlen beziehen sich auf die Nährstoffmengen, die zum Zeitpunkt des Verzehrs im Lebensmittel noch vorhanden sind. Die Bioverfügbarkeit ist dabei bereits berücksichtigt. Für die Planung oder Beurteilung der Nährstoffversorgung müssen aber Nährwerttabellen, die den Nährstoffgehalt des verzehrbaren Anteils der eingekauften Ware wiedergeben, verwendet werden.

Empfehlungen

Die angestrebte „sichere Höhe der Zufuhr“ (E save level of intake) beschreibt die Zufuhr, die auf die Dauer Gesundheit und ausreichende Nährstoffreserven bei nahezu allen gesunden Personen gewährleistet. Bei der Formulierung „nahezu alle Personen“ handelt es sich aus statistischer Sicht um den obersten Bereich der Streubreite des individuellen Nährstoffbedarfs. Bei symmetrischer Verteilung der Werte für den individuellen Bedarf würde dies dem Mittelwert plus zwei Standardabweichungen entsprechen. Die Voraussetzung für eine derart exakte Aussage wird jedoch nur von den Daten für den Bedarf an Protein bzw. Eisen (Ausnahme Frauen mit Menstruation) bei gesunden jüngeren Erwachsenen mit ausreichend großen Messreihen erfüllt. Auf diese Weise gelangt man zu Mengen, deren Zufuhr bei nahezu 98 % aller Personen einer Population den Bedarf deckt und vor mangelbedingten Gesundheitsschäden schützt.

Weit häufiger ergeben jedoch die so gewonnenen Werte für den individuellen Bedarf an einem Nährstoff eine schiefe Verteilung. Wegen der unterschiedlichen Qualität der für die Festlegung des durchschnittlichen Bedarfs verwendeten Informationen wird für die Ableitung der empfohlenen Zufuhr in einer Bevölkerungsgruppe gewöhnlich ein Zuschlag von 20–30 % angegeben. Dieser Zuschlag beruht auf einem angenommenen Variationskoeffizienten von 10–15 % und ist größenmäßig mit einer hypothetischen Standardabweichung vergleichbar.

Schätzwerte

Für einige Nährstoffe kann der Bedarf des Menschen wegen unzureichender Befunde oder zu ungenauen Bestimmungsmethoden noch nicht mit der wünschenswerten Genauigkeit bestimmt werden. In diesen Fällen werden Schätzwerte festgesetzt. Dafür werden Werte verwendet, die experimentell zwar gestützt und meist aus dem Verzehr gesunder, adäquat ernährter Personengruppen abgeleitet, aber nicht genau genug abgesichert sind. Die Schätzwerte geben jedoch gute Hinweise auf eine angemessene und gesundheitlich unbedenkliche Zufuhr. Aus Sicherheitsgründen liegen die Werte im Allgemeinen höher als sie später bei einer genaueren Formulierung von Empfehlungen liegen werden. So weit wie möglich wird jeweils ein Zahlenwert und nicht ein Bereich angegeben. Für Natrium und Kalium werden Schätzwerte für eine minimale Zufuhr angeführt.

Richtwerte

Richtwerte sind Orientierungshilfen und dienen dazu, aus gesundheitlichen Gründen eine Regelung der Zufuhr zwar nicht innerhalb scharfer Grenzwerte, aber doch in bestimmten Bereichen und in einer bestimmten Richtung zu treffen. In diesem Sinn gibt es für Wasser, Fluorid und Ballaststoffe eine erwünschte Begrenzung nach unten und für Fett, Cholesterin, Alkohol und Speisessalz eine solche nach oben.

Energie

Da die Energiezufuhr in Deutschland, Österreich und in der Schweiz im Vergleich zum Energieverbrauch im Allgemeinen zu hoch ist, wird für die Energiezufuhr bewusst der durchschnittliche Bedarf der jeweils bezeichneten Bevölkerungsgruppe als Richtwert gewählt. Diese Richtwerte für die Energiezufuhr sind nicht ohne weiteres auf einzelne Personen anwendbar, da neben Geschlecht und Körpermasse vor allem die individuelle körperliche Aktivität einen großen Einfluss auf den Energieumsatz hat.

Die Messung des Energieverbrauchs erfolgte früher mit der indirekten Kalorimetrie, neuerdings mit einer moderneren Methode unter Einsatz von doppelt stabil markiertem Wasser (2H218O). Zur Ermittlung des Richtwerts für die Energiezufuhr dient als Basis der Grundumsatz, der nach Formeln wie z. B. der von Harris und Benedict berechnet werden kann. Die körperliche Aktivität wurde durch so genannte „Physical Activity Level“ (PAL) berücksichtigt. Zu diesem Zweck wurde experimentell bei Personen während unterschiedlicher körperlicher Belastungen mit doppelt stabil markiertem Wasser der durchschnittliche tägliche Energieumsatz gemessen und der Grundumsatz mittels indirekter Kalorimetrie bestimmt . Aus beiden Größen wurde der durchschnittliche tägliche Energiebedarf als ein Mehrfaches des Grundumsatzes in Form von PAL-Werten berechnet. Für eine ausschließlich sitzende Lebensweise gilt ein PAL-Wert von 1,2, für teils sitzende, teils stehende Tätigkeiten von 1,4–1,6 und für körperlich sehr anstrengende Berufe von 2,0–2,4. Auf diese Weise lassen sich für einzelne Personen einigermaßen zutreffende Richtwerte der Energiezufuhr ableiten. Entscheidend für eine dem Energieverbrauch angepasste Energiezufuhr ist jedoch die regelmäßige Kontrolle des Körpergewichts auf der Personenwaage.

Nährstoffdichte

Aufgrund der allgemeinen Ernährungssituation, die durch einen geringen Energiebedarf infolge geringerer körperlicher Aktivität geprägt ist, sollte die Versorgung mit essenziellen Nährstoffen bei möglichst geringer Energiezufuhr erfolgen. Diesem Problem wird mit dem Begriff der Nährstoffdichte, d. h. der Menge eines Nährstoffes pro MJ, Rechnung getragen. Diese Nährstoffdichte ist als ein Richtwert zu verstehen. Die Nährstoffdichte kann für Lebensmittel, Speisepläne oder Ergebnisse von Ernährungserhebungen berechnet werden.

Risikofreie obere Zufuhrmengen

Bei einer deutlich über den Referenzwerten liegenden Zufuhr des Nährstoffs muss mit unerwünschten pharmakologischen oder toxischen Wirkungen gerechnet werden. Besonders riskant sind hohe Dosen der fettlöslichen Vitamine A und D, da sie im Körper angereichert werden. Soweit dies beim gegenwärtigen Erkenntnisstand möglich ist, werden deshalb für die einzelnen Nährstoffe auch die Mengen (Summe aus der täglichen Zufuhr mit der Nahrung und den angereicherten Lebensmitteln einschließlich der Supplemente) genannt, bei deren chronischer Zufuhr noch keine unerwünschten Wirkungen bekannt geworden sind.

Anwendung der Referenzwerte

Die empfohlenen Nährstoffmengen sind so bemessen, dass die Zahlenwerte nicht im Verlauf eines Tages oder gar mit einer einzigen Mahlzeit erfüllt werden müssen. Es ist vollkommen ausreichend, wenn die empfohlene Zufuhr im Wochendurchschnitt erreicht wird. Bei Aufnahme großer Mengen eines Nährstoffs bei einer Mahlzeit sinkt die Absorptionsrate. Die empfohlene Zufuhr sollte deshalb möglichst gleichmäßig und nicht in wenigen hohen Dosen erfolgen, z. B. nicht mit angereicherten Lebensmitteln in einer einzigen Mahlzeit.

Bei der Verwendung der Referenzwerte ist die unterschiedliche Aussagekraft von Empfehlungen, Schätzwerten und Richtwerten zu beachten. Bezogen auf eine Einzelperson ist die empfohlene Zufuhr nur ein – relativ genauer – Näherungswert, da der individuelle Bedarf nicht bekannt ist. Bei einer täglichen Nährstoffzufuhr in Höhe der Empfehlungen ist aber eine unzureichende Versorgung sehr unwahrscheinlich. Die Unterschreitung dieses Wertes erlaubt auch nicht zwangsläufig die Diagnose eines Mangels, sondern macht nur eine Unterversorgung wahrscheinlicher. Zur Beurteilung des Ernährungszustands einer Einzelperson müssen zusätzlich geeignete anthropometrische, biochemische und klinische Kenngrößen herangezogen werden.

In diesem Sinn ist die Planung der bedarfsdeckenden Ernährung einer Einzelperson, etwa in Form von Speiseplänen, ebenfalls nicht mit absoluter Richtigkeit möglich, da der individuelle Bedarf nicht bekannt ist. Die Zahlen bieten aber, wie bei der Ableitung der Empfehlungen dargelegt, ausreichend Sicherheit vor einer Mangelversorgung. Für die Ernährungsberatung von Einzelpersonen können die Referenzwerte ebenfalls mit ausreichender Genauigkeit verwendet werden. Auch für die Planung einer bedarfsdeckenden Ernährung in Bevölkerungsgruppen sind die Referenzwerte geeignet, wenngleich man genau betrachtet eine aufwändigere mathematische Ableitung durchführen müsste.
Auf dem Boden dieser Referenzwerte formuliert die DGE Ernährungsregeln (Dietary Guidelines) in Form der „10 Regeln“ und des „Ernährungskreises“. Bei der Lebensmittelkennzeichnung werden die Referenzwerte in gewisser Weise auch berücksichtigt. Sie finden außerdem Verwendung für Ernährungsinformationen und Ernährungserziehung.

Präventive Aspekte

Die Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr betreffen in aller Regel nur die nutritiven Aspekte. Allerdings sind in den Referenzwerten für Vitamin C, β-Carotin, Calcium, Fluorid und Ballaststoffen bereits präventive Aspekte enthalten. Durch eine Begrenzung der Zufuhr von Energie, Fett, Alkohol, Cholesterin oder von Speisesalz berücksichtigen die Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr zusätzlich präventive Aspekte im Sinne der Verhütung von ernährungsmitbedingten Krankheiten.

Darüber hinaus haben bestimmte Inhaltsstoffe der Nahrung wie ω-3-Fettsäuren antioxidative Vitamine, Folsäure, Vitamin K und sekundäre Pflanzenstoffe eigenständige präventive Wirkungen im Sinne einer Verhütung von vorzeitiger Arteriosklerose, Krebs und weiteren Krankheiten. Diese Aspekte werden in den DACH-Referenzwerten getrennt von den nutritiven Aspekten betrachtet, um die präventive Bedeutung speziell herauszustellen.

Wertvolle Hinweise auf diese Wirkungen stammen aus der Epidemiologie und sie werden durch weitere Untersuchungen in verschiedenen Systemen von der Zellkultur bis zum Menschen sinnvoll ergänzt. Bisher fehlen aber, mit wenigen Ausnahmen wie Folsäure zur Verhütung des Neuralrohrdefektes, ausreichend zuverlässige Daten über die notwendige Dosis, die Interferenzen, die optimale Mischung und die Bioverfügbarkeit dieser Substanzen in der Nahrung des Menschen. Die Ergebnisse epidemiologischer Untersuchungen führten zu Ernährungsregeln wie „5-mal am Tag Obst und Gemüse“ zur Krebsprävention. Weitere Untersuchungen sind jedoch notwendig, um konkrete Empfehlungen zu einzelnen präventiv wirksamen Substanzen in der vollwertigen Ernährung des Menschen auszusprechen.

Weiterführende Literatur:

Deutsche Gesellschaft für Ernährung (Hrsg.): Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr. 5. Überarbeitung. Umschau Verlag, Frankfurt/Main (1991)

DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung): Die wünschenswerte Höhe der Nahrungszufuhr. Empfehlungen des Ausschusses für Nahrungsbedarf der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V., Frankfurt a. M. Erste Mitteilung. Umschau Verlag, Frankfurt a. Main (1955)

Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Österreichische Gesellschaft für Ernährung, Schweizerische Gesellschaft für Ernährungsforschung, Schweizerische Vereinigung für Ernährung (Hrsg.): Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr, Umschau-Braus-Verlag, 1.Aufl., Frankfurt am Main, 2000.

FAO/WHO: Requirements of Vitamin A, Iron, Folate, and Vitamin B12, Report of a Joint FAO/WHO Expert Consultation. FAO Food a. Nutrit. Ser., No. 23. FAO, Rome (1988)

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FAO/WHO: Requirements of Vitamin A, Thiamine, Riboflavine, and Niacin. Report of a Joint FAO/WHO Expert Group. WHO Tech. Rep. Ser., No. 362. WHO, Geneva (1967)

Food and Nutrition Board/Institute of Medicine: Dietary Reference Intakes for Calcium, Phosphorus, Mangesium, Vitamin D, and Fluoride. National Academy Press, Washington D.C. (1997). Dietary Reference Intakes for Thiamin, Riboflavin, Niacin, Vitamin B6, Folate, Vitamin B12, Pantothenic Acid, Biotin and Choline. National Academy Press, Washington D.C. (1998)

National Research Council: Recommended Dietary Allowances. 10th ed., National Academy of Sciences, Washington D.C. (1989)

Scientific Committee for Foods (SCF), Commission of the European Communities: Nutrient and Energy Intakes for the European Community. Office for the Official Publications of the European Communities, Luxembourg (1993)

Truswell, A.S.: Recommended dietary intakes around the world. Part 2. Nutr. Abstr. Rev. 53, (1983) 1075–1119

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Yates, A.A., Schlicker, S.A., Suitor, C.A.: Dietary Reference Intakes: The new basis for Recommendations for calcium and related nutrients, B vitamins, and choline. J. Am. Diet. Assoc. 98 (1998) 699–706


Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr.: Die Beziehung zwischen der aktuellen Nährstoffzufuhr und dem Risiko einer unzureichenden oder überschüssigen Versorgung. Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr.

Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr: Tab. Empfehlungen, Schätzwerte und Richtwerte pro Tag für Männer im Alter von 19 bis unter 25 Jahre (% d. E. = Energie-Prozent).

Empfehlungen
Protein59 g
Linolsäure2,5 % d. E.
Vitamin A1,0 mg
Vitamin D5,0 µg
Thiamin1,3 mg
Riboflavin1,5 mg
Niacin17 mg
Vitamin B61,5 mg
Folsäure400 µg
Vitamin B123,0 µg
Vitamin C100 mg
Calcium1000 mg
Phosphor700 mg
Magnesium400 mg
Eisen10 mg
Jod200 mg
Zink10 mg
Schätzwerte
α-Linolensäure0,5 % d. E.
β-Carotin2–4 mg
Vitamin E15 mg
Vitamin K70 µg
Pantothensäure6 mg
Biotin30–60 µg
Natrium550 mg
Chlorid830 mg
Kalium2000 mg
Selen30–70 µg
Kupfer1,0–1,5 mg
Mangan2,0–5,0 mg
Chrom30–100 µg
Molybdän50–100 µg
Richtwerte
Energie2500 kcal
Fett30 % d. E.
Cholesterin300 mg
Kohlenhydrate> 50 % d. E.
Ballaststoffe> 30 g
Alkohol20 g
Wasser2700 ml
Fluorid3,8 mg

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