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Lexikon der Geographie: Ideologiegeographie

Ideologiegeographie, neben der Religionsgeographie ein Teilgebiet der Geographie der Geisteshaltung. Sie beschäftigt sich mit den räumlichen Auswirkungen von säkularen Einstellungen und Weltbildern, d.h. von Ideologien auf räumliche Strukturen und Prozesse.
Die nächstliegende Aufgabe einer Ideologiegeographie (geography of ideologies) bildet das Studium der Verbreitungsmuster und unterschiedlichen Ausprägungen von Ideologien.
Ideologien verfügen wie Religionen über bestimmte Monumente und Kultstätten, in denen sie sich manifestieren und zu denen Anhänger pilgern. Ein ideologisches Zentrum des Weltkommunismus z.B. war bis vor kurzem das Lenin-Mausoleum auf dem Roten Platz in Moskau. Die nationalistischen Ideologien haben entsprechende Kultstätten, die meist mit der Entstehung des Nationalstaates verbunden sind, wie z.B. historische Kriegsschauplätze, Grabstätten berühmter Politiker usw. Zu nationalen Gedenkstätten der sog. "civil religion" (Zivilreligion) in den USA zählen u.a. der Arlington Nationalfriedhof, das Kapitol, das Lincoln Memorial, das Weiße Haus, die Freiheitsstatue, Gettysburg und die Lincoln Grabstätte. Auch in Mitteleuropa werden Kriegsdenkmäler (Völkerschlacht bei Leipzig, Hermannschlacht im Teutoburger Wald) in nationalen und rassistischen Bewegungen zu zentralen Feierstätten. Der Zionismus hat seine Kultstätten in Jerusalem. Die Gedächtnisstätten des Holocaust in Mitteleuropa haben eine ähnliche Funktion für die zionistische Bewegung.
Besonders eindrucksvoll sind die ideologischen Einflüsse auf Siedlungen. So bestimmen Gemeinschaftsformen (Kolchosen, Sowchosen, Volkskommunen) das Siedlungsbild und das Flurbild (einheitlich genutzte Felder) der sozialistisch-kommunistischen Welt. Unter zionistischem Einfluss sind auch in Israel Gemeinschaftssiedlungen (Kibbuz und Moshav) entstanden, denen allerdings ein starrer, ideologisch begründeter Plan fehlte. Ebenso lassen sich an Stadtgrundrissen ideologische Wertvorstellungen erkennen (z.B. Barockstadt, sozialistische Stadt).
Ein ideologischer Einfluss auf die Wirtschaft lässt sich am Beispiel der großen Wirtschaftssysteme und Wirtschaftsordnungen, der Plan- und Marktwirtschaft verdeutlichen. So hat die Ideologie des zentralgelenkten Staatskommunimus der ehemaligen Sowjetunion, Chinas und der osteuropäischen Staaten zu einer Zentralverwaltungswirtschaft geführt. Als Ergebnis dominiert das Staats- und Genossenschafts-Eigentum, deren Kollektivbetriebe durch die Enteignung von Produktionsanlagen und Aufhebung der Parzellen privater Grundbesitzer entstanden sind. Produktionsziel der Unternehmen ist die Erfüllung eines bestimmten Planes. Die Preise und Löhne werden durch den Staat festgesetzt. Demgegenüber ist das demokratische Gesellschaftssystem durch die Marktwirtschaft mit dezentraler marktwirtschaftlicher Koordination gekennzeichnet. Es herrscht Privateigentum vor; Produktionsziel der Unternehmen ist die Erwirtschaftung eines Gewinns; Preise und Löhne werden durch den Markt bzw. die Tarifpartner festgelegt. Die Ideale der persönlichen Freiheit und sozialen Gerechtigkeit haben die freie Marktwirtschaft in eine soziale Marktwirtschaft umgewandelt.
Ähnlich den Einflüssen der Ideologien auf die Wirtschaftssysteme und -ordnungen sind die Einflüsse auf den Verkehr. So hat die Betonung des Kollektivs im Sozialismus und Kommunismus den öffentlichen Verkehr besonders ausgebaut und durch eine entsprechende Quotierung der PKW-Produktion die Entwicklung des Privatverkehrs beschränkt. Die Idealvorstellungen in der freiheitlichen Demokratie dagegen legen besonderen Wert auf die uneingeschränkte Bewegungsfreiheit ihrer Bürger, und man bevorzugt daher den Individualverkehr, wie man am Beispiel der großen amerikanischen Städte leicht erkennen kann.
Wie manche Religionen (Religionseinflüsse) haben auch die Ideologien Einfluss auf die Sozialstruktur der Bevölkerung. Ziel des Sozialismus bzw. Kommunismus war die sozialistisch-kommunistische Gesellschaft, die in der Übergangsperiode durch die Klasse der Arbeiter und Genossenschaftsbauern sowie der werktätigen Intelligenz gekennzeichnet ist. In der höheren Form der kommunistischen Gesellschaft sind schließlich alle sozialen Unterschiede und Klassenunterschiede beseitigt und vollständige soziale Gleichheit und Einheitlichkeit hergestellt. Die demokratische Gesellschaftsordnung westlicher Prägung ist, aufbauend auf historisch gewachsene Strukturen, durch eine soziale Schichtung mit unterschiedlicher sozialer Mobilität gekennzeichnet, die u.a. durch Berufsposition, Schulbildung, Einkommen und Wohnverhältnisse bestimmt wird.

GR

Lit: [1] HOHEISEL, K.; RINSCHEDE, G. (1989): Raumwirksamkeit von Religionen und Ideologien. In: Praxis Geographie, 9. [2] RINSCHEDE, G. (1999): Religionsgeographie. – Braunschweig.

  • Die Autoren

Redaktion:
Dipl.-Geogr. Christiane Martin (Leitung)
Dipl.-Geogr. Dorothee Bürkle
Dipl.-Geol. Manfred Eiblmaier

Fachkoordinatoren und Herausgeber:
Prof. Dr. Ernst Brunotte (Physische Geographie)
Prof. Dr. Hans Gebhardt (Humangeographie)
Prof. Dr. Manfred Meurer (Physische Geographie)
Prof. Dr. Peter Meusburger (Humangeographie)
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Autorinnen und Autoren:
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Grafik:
Mathias Niemeyer (Leitung)
Ulrike Lohoff-Erlenbach
Stephan Meyer

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