Lexikon der Geowissenschaften: Hangbewegungen
Hangbewegungen, Massenbewegungen, schwerkraftbedingte Massenverlagerungen aus einer höheren Hanglage in eine tiefere, welche durch Veränderung des Hanggleichgewichts ausgelöst werden und häufig mit Brucherscheinungen einher gehen. Obwohl damit nur ein spezieller Bewegungstyp gekennzeichnet ist, wird für solche Bewegungen häufig auch der Begriff Rutschung (Hangrutschung) gebraucht. Ursache für Hangbewegungen ist stets eine Störung des Kräftegleichgewichts im Hang. Häufig entstehen Hangbewegungen im Zusammenhang mit gut wasserwegsamen Schichten wie Sande oder klüftige Sand- und Kalkgesteine, die auf einer tonigen oder tonig-mergeligen Unterlage liegen. Auch Störungen können sich zu bevorzugten Gleitflächen entwickeln. Auslöser sind i.d.R. Veränderungen in der Neigung oder Höhe eines Hangs bzw. einer Böschung (z.B. der Abtrag von Material am Hangfuß) und die Wirkung des Wassers (v.a. nach langen Niederschlagsperioden und dem Abschmelzen großer Schneemassen), die zu einer Verminderung der Scherfestigkeit im Boden oder eine zusätzliche Auflast führen. Wasser kann als Grundwasser die Standfestigkeit des Hanges durch Druck auf die einzelnen Körner von Lockergesteinen herabsetzen. Am Hangfuß kann ein Grundwasseranstieg durch Auftrieb zur Verminderung der rückhaltenden Kräfte führen, während eine Grundwassersättigung in höhergelegenen Bereichen des Hangs eine zusätzlichen Auflast bedeutet. Auch Erdbeben und Sprengungen kommen als Auslöser in Frage. Die Geschwindigkeit solcher Bewegungen kann von Millimetern pro Jahr bis zu mehreren Metern pro Sekunde variieren und durch Bewegungsmessungen ermittelt werden. In der Literatur wird unterschieden zwischen den initialen Bewegungsmechanismen fallen, kippen, gleiten und fließen. Oft können in der Natur Kombinationen dieser Bewegungsmechnismen innerhalb einer Hangbewegung auftreten.
Beim fallen geht man vom Absturz losgelöster Bereiche an einer Steilwand oder Klippe aus. Die Bewegung führt je nach Größenordnung der bewegten Masse zu Steinschlag, Felssturz oder Bergsturz, wobei letzterer nicht zwangsläufig den freien Fall einschließen muß.
Beim kippen geht man von einer Rotationsbewegung um eine an der Basis befindliche Rotationsachse aus. Solche Bewegungen treten v.a. bei steil in den Hang einfallenden Haupttrennflächen auf. Die Kluftkörper erfahren aufgrund ihres Eigengewichts eine Biegebeanspruchung, die zur Bildung vom Biegezugrissen senkrecht zu den Haupttrennflächen führt. Nach dem Initialstadium kann ein Kippen in Fallen übergehen.
Gleiten führt zu Rutschungen i.e.S. Diese bewegen sich entlang einer diskreten Gleitfläche ohne Verlust des Kontakts zum unterlagernden Gestein, wobei man je nach Material Blockgleiten (Festgestein) und Schollengleiten (Lockergestein) und bei der Form der Gleitfläche bzw. dem Bewegungsmechanismus zwischen Rotationsrutschung und Translationsrutschung unterscheidet. Auf einer sehr schmalen Zone erfolgen Scherverschiebungen zwischen dem von der Hangbewegung nicht erfaßten Bereich und dem bewegten Bereich. Je nach Tiefenlage der Gleitfläche kann man Oberflächenrutschungen (bis 1,5m), flache Rutschungen (5-10m), tiefe Rutschungen (10-20m) und sehr tiefe Rutschungen (mehr als 20m) unterscheiden. Während Rotationsrutschungen eine listrische Gleitfläche besitzen, erfolgen Translationsrutschungen entlang planar ausgebildeter Gleitflächen. Rotationsrutschungen zeigen meist deutliche Rutschungsmerkmale, die sich im Gelände gut festhalten lassen. Sie treten in Lockergesteinen, stark geklüfteten Festgestein und in Wechsellagerungen verschieden durchlässiger Gesteine auf. Translationsrutschungen bewegen sich entlang von Schwächezonen im anstehenden Gestein. Es kann sich dabei um ungünstig orientierte Kluftsysteme und Störungen sowie geneigte oder subhorizontale Schichtung handeln. Häufig treten kombinierte Rutschungen auf, bei denen die Gleitfläche sowohl gekrümmte als auch ebene Bereiche aufweisen kann.
Beim fließen bewegen sich die einzelnen Partikel frei innerhalb der bewegten Masse. Schuttströme (Muren), Schlammströme und Lahare sind Mischungen aus Gestein und Wasser, die unter Umständen kilometerlange Strecken zurücklegen können. Dabei bewegen sie sich bevorzugt in vorgegebenen Einkerbungen (z.B. Bachläufen) und erreichen teilweise hohe Fließgeschwindigkeiten. Schuttströme und Schlammströme unterscheiden sich durch Korngröße des transportierten Materials, wobei jene beim Schlammstrom feiner ist. Beide treten meist an Hängen mit einer dünnen Hangschuttdecke und geringer Vegetationsbedeckung auf. Sie können immer wieder an der selben Stelle vorkommen und am Hangfuß große Schuttmengen hinterlassen. In den Alpen liegen die Liefergebiete für Muren häufig in Bereichen, in denen sich der Verwitterungsschutt steilerer Hangpartien ansammelt. Bei Laharen handelt es sich um Schlammströme, die bei Vulkanausbrüchen entstehen. Sehr langsame Fließvorgänge sind das Hangkriechen und der Talzuschub. Hierbei handelt es sich um Kriechbewegungen im Lockermaterial und tieferliegenden Festgestein. Bei diesen Vorgängen sind Trennflächen nicht zwangsläufig dominierend und die Bewegungen sind meist kontinuierlich. Die Kriechbewegungen werden durch die mit der Talausräumung verbundenen Entlastung des Bodens verursacht. Manchmal geht die langsame Deformation des Hanges in eine schnellere Bewegung über. Massenbewegung. [WK]
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