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Lexikon der Geowissenschaften: Silur

Silur, Silurium,drittältestes System des Phanerozoikums, nach dem Ordovizium und vor dem Devon. Es begann vor ungefähr 438 Millionen Jahren und endete vor etwa 408 Millionen Jahren. Am gebräuchlichsten ist die Unterteilung des Silurs in zwei Abteilungen: unteres Silur (438-421 Millionen Jahre) und oberes Silur (421-408 Millionen Jahre), die jedoch bislang nicht formal gegliedert sind. Mit ca. 30 Millionen Jahren Dauer ist es die kürzeste Periode des Altpaläozoikums. Die Untergrenze des Silurs ist die Basis der Parakidograptus acuminatus-Biozone im Dob's Linn Profil in den Southern Uplands von Schottland. Die Obergrenze zu dem darüberliegenden Devon wurde 1985 bei Klonk (35 km südwestlich von Prag) festgelegt. Die Basis der Monograptus uniformis-Biozone definiert die Basis des Devons. Ein Horizont oder GSSP (Ordovician-Silurian Boundary Global Stratotype Section and Point), der durch einen goldenen Nagel markiert wird, legt die genaue Position beider Grenzen fest. Das Silur wurde 1835 von R.I. Murchison eingeführt, der eine Abfolge von Sedimentgesteinen in Nordwales nach den Silurern benannte, einem keltischen Stamm, der in römischer Zeit im Typusgebiet lebte. Basierend auf den frühen stratigraphischen Arbeiten in Großbritannien wird das Silur in vier Stufen unterteilt, beginnend mit Llandovery, gefolgt von Wenlock, Ludlow, und Pridoli.

Die Verteilung der Kontinente, Epikontinentalmeere und tiefen Ozeanbecken ( Abb.) war im Silur anders als heute. Der größte der silurischen Kontinente war Gondwana, das sich prinzipiell aus dem heutigen Südamerika und Afrika zusammensetzte sowie aus Anteilen des mittleren Ostens, Indiens, Australiens, Europas und der Antarktis. Nordafrika und Südamerika lagen am Südpol und blieben der Kernteil Gondwanas; Australien, Baltica, Laurentia (Ur-Nordamerika) und Südchina lagen in der Nähe des Äquators, ein Teil Sibiriens (Paläo-Asien oder Angara; Angara-Schild), Kasachstania und Nordchina lagen auf der nördlichen Halbkugel. Im späten Silur vollzog sich die endgültige Schließung des Iapetus (zwischen Laurentia und Baltica) in Skandinavien, was zur Bildung der skandinavischen Kaledoniden führte. Im frühen Devon schloß sich das Restbecken des Iapetus in Nordamerika, wodurch die Faltengürtel der Appalachen entstanden. Ein großer Ozean (Panthalassa) lag in der arktischen Region.

Das Silur ist gekennzeichnet durch einen relativ hohen Meeresspiegel, und die meisten Kontinente waren von ausgedehnten Epikontinentalmeeren bedeckt, wodurch es zur Ausbildung von Carbonatablagerungen auf den Kontinentalplattformen kam, die in niedrigen Breiten lagen. Riffe wurden im Silur hauptsächlich von Stromatoporen und rugosen Korallen gebaut. Die tabulaten Korallen waren lokal als Riffbildner wichtig, z.B. in den Tabulaten-Riffen des Wenlock in Großbritannien, in denen massige und ästige Heliolitina, Favosites und Halysites als Gerüstbildner auftraten und laminare Alveolitidae und Thecia als verbindende Elemente agierten. In den gemäßigteren Regionen kamen gemischte carbonatisch/siliciklastische Sedimente zur Ablagerung, während rein siliciklastische Sedimente in höheren Breiten gebildet wurden (z.B. Südamerika und Afrika). Charakteristische Lithologien im Silur sind weiterhin schwarze Graptolithenschiefer (z.B. Cyrtograptus-Schiefer von Schonen), Alaun- und Kieselschiefer (z.B. in Thüringen), Brachiopoden-Kalke und Schiefer (z.B. mit Stricklandia im Oslo-Gebiet), Orthoceren- und Ostracoden-Kalke (z.B. im Rheinischen Schiefergebirge) und Eurypterus-Dolomit (z.B. auf der Russischen Plattform). Kurz vor Beginn des Silurs (in der Hirnant-Unterstufe des Ashgill) setzte eines der größten Massensterben der Erdgeschichte ein, bei dem mindestens 22 Familien ausstarben. Besonders betroffen waren die Graptolithen, Trilobiten und Brachiopoden, gegen Ende des Hirnant auch die Conodonten, Acritarchen und Korallen. Viele dieser Gruppen erlangten die Vielfältigkeit, die sie im Ordovizium hatten, im Silur nicht wieder. Gegen Ende des Silurs kam es wiederum zu einer Meeresspiegelabsenkung, die große Teile der kontinentalen Schelfmeere betraf und Bildung von Rotsedimenten zur Folge hatte.

Die biostratigraphische Gliederung des Silurs stützt sich hauptsächlich auf Graptolithen, Conodonten, Brachiopoden und Trilobiten. In diesem Zeitabschnitt sind auch die Acritarchen und Chitinozoen besonders nützlich. Die Graptolithen erlauben eine Unterteilung des Systems in bis zu 32 Biozonen, die für überregionale Korrelationen geeignet sind, da es sich um planktische Lebewesen handelte, die weit verbreitet waren. Graptolithen werden hauptsächlich in schwarzen Schiefern gefunden, während mit Conodonten die carbonatischen Abfolgen gegliedert werden können. Mit ihrer Hilfe kann das Silur in zwölf Biozonen untergliedert werden (lokal auch mehr oder weniger). Die Provinzialität und auch die Faziesabhängigkeit der Conodontenfaunen ist im Silur viel geringer ausgebildet als im Ordovizium.

Die Lebewelt des Silurs war geprägt durch die erneute adaptive Radiation, die dem spät-ordovizischen Massensterben folgte, und durch die beginnende Kolonisierung des Festlandes. Vermutliche Reste von kalkigem Nannoplankton wurden in den hervorragend erhaltenen mikritischen Kalken von Gotland gefunden. Foraminiferen sind noch immer selten und ausschließlich Sandschaler. Schwämme der Klasse Demospongea besiedelten ab dem Silur vielfältige Lebensräume im flach- und tiefmarinen Bereichen, sowohl auf klastischem wie auch auf carbonatischem Substrat. Formen mit sphaeroklonen (dreidimensional strahlenförmigen) Schwammnadeln (z.B. Astylospongia) beherrschten die Schwammfaunen besonders im mittleren Silur von Nordeuropa und dem östlichen Nordamerika. Größere Bedeutung erlangten auch die Kalkschwämme (Klasse Calcarea) mit sternförmigen (octactinen) Schwammnadeln (z.B. Astraeospongium). Die Stromatoporen waren wichtige Riffbildner im Silur. Auf Gotland bildeten sie Bioherme, die 10-20 m mächtig wurden und mehrere 100 m Durchmesser erreichten. Unter den Cnidaria liefern weiterhin die Anthozoa mit den Ordnungen Tabulata und Rugosa häufig erhaltene Fossilien. Vertreter der tabulaten Korallen mit den Gattungen Favosites, Heliolites, Halysites, Parastriatopora und Thecia sind charakteristisch im Silur. Die rugosen Korallen des Silur waren vielfältiger als ihre ordovizischen Vorläufer und dominiert von Formen mit Dissepimenten und unvollständig ausgebildeten Tabulae (pleonophorische Korallen) und Streptelasmatiden. Charakteristische Genera sind z.B. Arachnophyllum, Ptychophyllum, Cyathophyllum,und Cystiphyllum sowie die vierseitige Deckelkoralle Goniophyllum. Die Trilobiten zeigen ab dem Silur nur noch geringe Variationen ihrer grundlegenden Morphologie, obwohl Details sich weiterhin verändern. Charakteristisch sind die Dalmanitiden, die auch schon im Ordovizium vorkamen, und die auf das Silur und Devon beschränkten Phacopiden. Die Trilobiten stellen nur etwa 5% der silurischen Invertebratenfaunen und ungefähr 25% davon sind Kosmopoliten.

Die silurischen Ostracoden waren kleiner als die ordovizischen „Giganten” und selten größer als 2 mm. Gattungen wie Beyrichia und Leperditia dominierten die Faunen. Die Eurypteriden (Seeskorpione) und die Xiphosuren (Schwertschwänze) sind charakteristische Faunenelemente unter den Arthropoden des Silurs. Die in den USA vorkommenden Eurypteriden der Gattung Pterygotus erreichten eine Länge von bis zu 3 m und waren die größten Arthropoden aller Zeiten. Die Skorpione gelten als Pioniere der Luftatmung und waren vermutlich die ersten landlebenden Tiere. Die Cephalopoden erlebten eine Verminderung der Diversität, obwohl viele silurische Gesteine durch Massenvorkommen ihrer orthoconen Gehäuse (Orthoceren-Kalke) charakterisiert sind. Im Silur starben die Endoceratoiden, die im frühen Ordovizium eine Blütezeit erlebt hatten, bereits wieder aus, während die Actinoceratoiden zwar einen Niedergang erlebten, aber erst im Karbon endgültig verschwanden. Auch für die Nautiloideen war das Silur eine Zeit verringerter Diversität.

Unter den fossilen Bryozoen bilden Vertreter der Klasse Stenolaemata die überwältigende Mehrheit. Im Silur entwickelten sie kleinere und delikatere Skelette als im Ordovizium, und trepostome, cryptostome sowie fenestrate Bryozoen sind häufig. Die Brachiopoden sind im Silur wichtige Faunenelemente, und neben den Articulata gewannen die Orthida (z.B. Orthis, Dalmanella) und die Strophomenida (z.B. Leptaena, Stropheodonta) an Bedeutung. Weitere wichtige Gattungen des Silurs sind Gypidula, Pentamerus, Conchidium und Stricklandia (Pentameracea) sowie Chonetes (Productacea). Eine Faunendifferenzierung ist bei den Brachiopoden des Silurs nur geringfügig entwickelt, und eine Amerikanisch-eurasiatische Provinz kann von einer Malvino-kaffrischen Provinz unterschieden werden. Verschiedene Subprovinzen können ab dem Wenlock unterschieden werden. Bei den Echinodermata entwickelte sich im Silur eine neue Gruppe von regulären Seeigeln (Echiniden), die Palechiniden, die starre Skelette mit sehr dicken Platten hatten. Die Crinoiden bauten ebenfalls Skelette mit schweren Platten in Kelchen und Armen, möglicherweise als Anpassung an das Leben im Riff.

Zu Beginn des Silurs entstehen bei den Graptolithen die einzeiligen axonophoren Monograptus-Rhabdosome, und eingebogene oder eingerollte Rhabdosome mit oder ohne Nebenäste charakterisieren die silurischen Faunen. Nach der Blütezeit der Conodonten im Ordovizium folgte im Silur eine Periode mit niedriger Diversität, in der Apparate mit einfachen coniformen Elementen häufig sind (z.B. Panderodus und Walliserodus). Nützlich für biostratigraphische Zwecke sind jedoch Conodonten mit ramiformen (leistenförmige Elemente mit kurzen Zähnen) und primitiven pectiniformen Elementen (Plattformelemente). Charakteristisch sind z.B. die Genera Kockelella, Ozarkodina, Polygnathoides, Pterospathodus und Spathognathodus. Die ältesten Vertebraten, die Agnathen, wurden im Silur häufig. Die ältesten gnathostomaten Fische und vermutlich auch die Placodermen erschienen zu dieser Zeit.

Der Eroberung des Festlandes durch die Tierwelt ging vermutlich die Entwicklung der ersten Landpflanzen voraus. Vertreter der Abteilung Psilophyta mit der Gattung Cooksonia sind unter den ersten Gefäßpflanzen, die in festländischen Ablagerungen gefunden wurden (Hinweise auf Gefäßpflanzen wurden bereits Ordovizium entdeckt, jedoch konnte noch keine klare Zugehörigkeit ermittelt werden).

Wichtige Fossilarchive des Silurs findet man auf Gotland (Schweden) und Anticosti (Quebec, Kanada), im Staate New York (USA), in der Oslo-Region und in den Karnischen Alpen (Österreich). [SP]

Literatur: [1] Brunton, F.R., Copper, P. & Dixon, O.A. (1997): Silurian reef-building episodes. – Proceedings 8th International Coral Reef Symposium, Panama 2: 1643-1650. [2] Chlupa

, I. & Kukal, Z. (1977): The boundary stratotype at Klonk. The Silurian-Devonian Boundary. – IUGS Series A, 5, 96-109. [3] Johnson, M.E. (1996): Stable cratonic sequences and a standard for Silurian eustasy. – Geological Society of America, Special Paper 306: 203-211. [4] Landing, E. & Johnston, M.E. (Hrsg.) (1998): Silurian cycles: Linking dynamic stratigraphy with atmospheric and oceanic changes. – New York State Museum Bulletin 491. [5] Ziegler, A.M. (1965): Silurian marine communities and their environmental significance. – Nature207: 270-272.


Silur: mögliche paläeogeographische Rekonstruktion mit der Lage der Kontinente, Epikontinental-Meere und Tiefsee-Bereiche im mittleren Silur (Wenlock). Silur:
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