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Metzler Lexikon jüdischer Philosophen: Jeshajahu Leibowitz

Geb. 28.1.1903 in Riga;

gest. 18.8.1994 in Jerusalem

L. hat eine Vielfalt akademischer Grade erworben: Nach seiner Flucht aus Lettland infolge des russischen Bürgerkrieges (1919) und dem Chemie- und Philosophiestudium erwarb er 1924 in Berlin den Doktortitel der Philosophie; im Anschluß an seine Assistenz als Biochemiker an der Berliner Kaiser-Wilhelm-Akademie von 1926 bis 1929 und dem Medizinstudium in Köln und Heidelberg wurde er 1934 in Basel zum Dr. med. promoviert; nach seiner Auswanderung nach Palästina (1935) und anschließenden Berufung in den Lehrkörper der Hebräischen Universität wurde er ordentlicher Professor für organische Chemie und Neurophysiologie in Jerusalem (1961) und Gastprofessor für Judaistik an der Universität Haifa. Daneben lehrte und publizierte er auf den Gebieten der Wissenschaftsgeschichte und Philosophie. Zu seinen publizistischen Tätigkeiten gehörte auch die redaktionelle Verantwortung für die Hebräische Enzyklopädie, deren Chefredakteur er seit 1953 war. Er selber schrieb für diese Enzyklopädie einige (sowohl naturwissenschaftliche als auch philosophische und religionswissenschaftliche) Hauptartikel, beispielsweise die über »Chemie« und »Leben«, ferner war er der Verfasser eines Abschnitts über den Kuzari Jehudah Halewis sowie des Artikels »Jesus von Nazareth«.

Als Universalgelehrter und praktizierender Jude wurde L. in der israelischen Öffentlichkeit die Kompetenz zugesprochen, sich zu den wichtigsten Problemen des gesellschaftlichen und politischen Lebens zu äußern. Seine Stellungnahmen erhielten vor dem Hintergrund seiner vielfältigen öffentlichen Tätigkeiten zusätzliches Gewicht: Im israelischen Unabhängigkeitskrieg war L. Offizier der Hagana in Jerusalem; anschließend kandidierte er auf der Liste einer religiösen Gewerkschaftsgruppierung für die ersten Knessetwahlen 1949; als unerbittlicher Kritiker von Premierminister David Ben-Gurion forderte er seit 1959 die Trennung von Staat und Religion und trat 1962 einem Komitee bei, das den Nahen Osten zur kernwaffenfreien Zone erklären wollte. Nach 1967 forderte er den Rückzug Israels aus den im Sechs-Tage-Krieg besetzten Gebieten, um die Gewaltherrschaft über die Palästinenser und die Bedrohung des einerseits jüdischen, andererseits demokratischen Charakters des Staates Israel zu beenden.

Obwohl L. keine rabbinische Ausbildung durchlaufen hatte, erstreckten sich die ihm zugestandenen Kompetenzen auch auf das Gebiet weltanschaulich-religiöser und lebenspraktischer Fragen. Mit Hilfe von (oft auch populärwissenschaftlichen) Vorträgen wie auch in seiner Korrespondenz wurde er vielen seiner Gesprächspartner zum geradezu seelsorgerlichen Ratgeber (vgl. Briefe, 1999). Die apodiktische, auf das Äußerste zuspitzende Art, in der L. sich äußerte, löste – in Zustimmung und Widerspruch – heftige Reaktionen aus. In Zeitungsartikeln und Rundfunkvorträgen nahm er – häufig völlig unerwartet – zu in der Öffentlichkeit kontrovers diskutierten Fragen Stellung. So forderte er während des Eichmann-Prozesses in einem offenen Brief die Freilassung des Verbrechers, der nur ein kleines »Rädchen im Getriebe« und »Produkt« einer zweitausendjährigen judenfeindlichen Erziehung gewesen sei, oder er trug Kontroversen mit D. Flusser (über die von ihm im Gegensatz zum Jerusalemer »Neutestamentler« negativ eingeschätzte Bedeutung des Christentums für das Judentum) und mit G. Scholem aus (über den Ursprung und die geschichtliche Funktion der Kabbala, die L. für ein torafremdes und letztlich gefährliches Konstrukt hielt).

L.s Religionsphilosophie – darin ging er über M. Mendelssohn und die Neoorthodoxie S.R. Hirschs hinaus – basiert auf der These, daß das Judentum nicht nur seinen Ausdruck in der Erfüllung der religiösen Gebote finde, sondern daß es das Tragen des »Joches der Miẓwot« oder die »Halacha selbst« sei. Diese reduktionistisch klingende Formel, mit der L. jede philosophisch-theologische Dogmatik, aber auch mystische Spekulationen abwehrte, über die sich jüdische Denker durch die Jahrhunderte hindurch nicht hätten einigen können, erscheint zum einen als Reaktion auf einen geistesgeschichtlichen Relativismus, wie er u.a. in der modernen (in Israel auch religionspolitisch aktuellen) Debatte über die Definition des Judentums zum Ausdruck kommt. Zum andern erlaubt die Konzentration auf die Gesetzesobservanz die Vernachlässigung historischer Zusammenhänge und einen religiösen Dezisionismus, der im Hinblick auf den Umgang mit den Aporien der Moderne mit der dialektischen Theologie des protestantischen Theologen K. Barth verglichen worden ist (Z. Werblowsky). Schließlich beanspruchte L., daß sich seine Religionsphilosophie – in ähnlicher Weise wie bei I. Breuer – auf die deutsche idealistische Philosophie, vor allem Kant, und nicht zuletzt auf Maimonides stütze.

Die antidogmatische Ausrichtung, mit der L. die historisch vorfindlichen häufig gegensätzlichen religiösen Meinungen und Glaubenssätze »im Judentum« von »dem Judentum« unterscheidet, gründet in seiner auf die Praxis des Lebens gerichteten Anschauung. Mit Bezug auf Maimonides’ Bemerkung zum Talmudtraktat Sanhedrin, nach der theologisch-philosophische Streitfragen, die keine konkreten halachischen Auswirkungen haben, auch keiner halachischen Entscheidung unterworfen werden müßten und somit aus der Perspektive des normativen Judentums gleich-gültig seien, benennt er im Umkehrschluß als das in religiöser Hinsicht – wie auch für die kritischwissenschaftliche Betrachtung, wie sich zeigen wird – einzig Relevante: die durch die Halacha bestimmte individuelle wie kollektive Lebenspraxis, das seit den Tagen des Talmuds historischempirisch zweifelsfrei zu konstatierende und danach durch knapp zwei Jahrtausende zu verfolgende Phänomen der religionsgesetzlich geprägten Lebensform eines ganzen Volkes.

Durch diese Perspektive, die – worauf Kritiker hingewiesen haben – ihrerseits freilich die Annahme der Existenz Gottes und das die Halacha begründende Dogma zur Voraussetzung hat (N. Rotenstreich), kann L. die seit der Aufklärung gestellten traditionskritischen Fragen umgehen. Denn diese betreffen seiner Meinung nach nur die normativ gleichgültige und historisch wandelbare religiöse Theorie. Die auf die Praxis bezogene Halacha sei hingegen, so wie neben dem Stehen des Menschen vor Gott alle denkbaren historischen Situationen gleich-gültig seien, »ihrem Wesen nach a-historisch« und nicht historischer Kritik unterworfen. Die Halacha »drückt keine Sicht der geschichtlichen Wirklichkeit aus, und die Veränderungen, die sie im Laufe der Zeit durchgemacht hat, sind kein Spiegelbild der geschichtlichen Veränderungen. Die Halacha begründet sich selbst.« L. kann formulieren: »Das real existierende Judentum, wie es sich in der Gottesverehrung, das heißt, der Halacha, verwirklicht, ist a-historisch.«

L.s »asketischem Irrationalismus der Unterwerfung unter die Halacha« (Z. Werblowsky), seinem »radikalen Subjektivismus« (N. Rotenstreich), entspricht ein philosophisches Konzept, das in existentialistischer Manier auf alle objektivierenden Sicherungen der gegenüber der Tora geforderten Gehorsams-Entscheidung verzichtet. Es gibt keine Auskunft über die Gründe, warum der vorfindliche Religionskodex für die Tora Gottes zu halten ist. Die L.s Dezisionismus eigenen logischen Schwierigkeiten und politisch-gesellschaftlichen Gefahren – von der Preisgabe der historischen Grundlagen der Religion bis hin zum »Chomeinismus« (M. Shalev) – waren in Israel wiederholt Gegenstand öffentlicher Debatten. Eine wichtige Rolle spielte dabei L.s Zugang zu den biblischen Texten. Deren religiöse Relevanz, so L., beruhe ausschließlich darauf, daß die (in der mündlichen Tora, d.h. dem Talmud und den folgenden, bis in die Gegenwart reichenden Rechtsentscheiden der autoritativen rabbinischen Gelehrten festgelegte) Halacha sich auf sie, vor allem auf die schriftliche Tora (Pentateuch), beziehe. Daneben könne es durchaus einen von der religiösen Praxis absehenden historischen oder literarischen Zugang zur schriftlichen Tora geben: L. nennt als Beispiel das (für das religiöse Judentum freilich irrelevante) christliche Bibelverständnis oder das der säkularen Zionisten. Werde die Schrift jedoch nicht im Licht der Tradition Israels und ihrer Handlungsorientierung gelesen, so führe dies zu einer »Idolisierung der Bibel«, die nicht dem empirischen Judentum, sondern einer Ideologie entspringe, die »das Judentum zum Inhalt habe«. Eine Konsequenz dieses Ansatzes ist u.a. der Verlust der religiösen »Wertigkeit« der biblischen Geschichte. L. verneint jede Historiosophie, die die durch die Halacha geforderte Entscheidung durch historische Fakten oder das Aufzeigen geschichtlicher Entwicklungslinien (»Heilsgeschichte«) stützen könnte: »Die Erzählungen der Bibel, der in ihr geschilderte historische Hintergrund, der ganze Rahmen von Fakten, Ereignissen und ihre chronologische Ordnung sind, in der Sicht L.s, von eher geringer Bedeutung, und ihre Genauigkeit oder Ungenauigkeit ist im Licht der modernen Erforschung der außerbiblischen Quellen irrelevant. Die Tora hat nicht zum Ziel, der Menschheit Geschichte zu lehren« (Z. Kurzweil). In diesem Sinne sei die Tora – L. beruft sich neben Maimonides auf den mittelalterlichen Exegeten Rashi, der in seinem Torakommentar (zu Ex. 12,2) beispielsweise den Schöpfungsglauben nicht als notwendige Voraussetzung jüdischer Existenz bezeichnet habe – weder im natur- noch im geschichtswissenschaftlichen Sinne Träger verwertbarer Informationen: »Die Sprache der Schrift ist die Sprache des religiösen Glaubens«, und das unter ihrem vergänglichen Kleid verborgene Wesentliche, auf das die Talmudweisen hingewiesen haben, sei von dem »in Menschenzungen« mitgeteilten sprachlichen Ausdruck zu unterscheiden, der, worauf Maimonides immer wieder bestanden habe, göttliche Dinge prinzipiell nicht adäquat zum Ausdruck bringen könne. Die Bibelkritiker seien mit ihrer Analyse des sensus literalis der biblischen Texte daher möglicherweise im Recht. In religiöser Hinsicht sei die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Bibel allerdings bedeutungslos. Von Belang sei allein das biblisch bezeugte Stehen des Menschen vor Gott, das die Pflicht zum Inhalt habe, ihm durch die Erfüllung der offenbarten Gebote zu dienen. Andererseits reinigten die wissenschaftlichen Angriffe auf das althergebrachte, in früheren Generationen für jüdisch gehaltene Weltbild die Religion von »Pseudoreligion« und »Aberglaube«. Sie hätten, so Z. Werblowskys Paraphrase, den reinen »Theozentrismus« ans Licht gebracht, der sich nicht dem Joch der Vernunft, sondern dem des Himmelreiches unterwirft.

Im Gegensatz zu den populären Vorstellungen von der biblischen Geschichte, so L., sei sie durchaus voller menschlicher Verbrechen, Fehlentscheidungen und Katastrophen, an denen auch göttliche Zeichen und Wunder nichts hätten ändern können. Als herausragendes Beispiel für das als »negative Historiosophie« zu bezeichnende Geschichtsverständnis L.s, das die Unableitbarkeit religiöser Entscheidung versinnbildlichen soll, kommt bei ihm die Erzählung von der Anbetung des »goldenen Kalbs« zur Sprache, wobei er betont, daß dies dieselben Israeliten taten, die kurz zuvor noch die wundersame Mitteilung des Gebots am Sinai gehört hätten. In der nachbiblisch-exilischen Epoche bis an die Schwelle der Aufklärung, einer Zeit, die durch das Ausbleiben göttlicher Eingriffe und Wunder gekennzeichnet gewesen sei, hätte das jüdische Volk »das Joch des Himmelreichs« demgegenüber willig auf sich genommen. Angesichts des absoluten Gehorsam fordernden Gebotes seien alle äußeren Begründungen (auch auf das Diesseits oder Jenseits bezogene Strafandrohungen oder Lohnesverheißungen, ja die messianische Hoffnung selbst) letztlich judentumsfremde, von den Propheten und zuletzt von Maimonides aus »religiösem Opportunismus« in die Tradition eingefügte Adiaphora, die den durch die Tora Verpflichteten ein Stimulans zur Toraobservanz und zum Gottesdienst an die Hand geben sollten.

Die erkenntnis- und theologiekritischen Aspekte seiner Religionsphilosophie kann L. auch auf die philosophische Distinktion zwischen dem »Ding an sich« und dem »Ding als Vorstellung« gründen, die er unter Berufung auf K. Popper und mit Argumenten der naturwissenschaftlich-physiologischen Anthropologie und Psychologie (Body and Mind. The Psycho-Physical Problem, 1982) plausibel macht und anschließend auf die rechtsphilosophische Unterscheidung zwischen Sollen und Sein überträgt: Aus dem, was ist, lassen sich keine Aussagen darüber ableiten, was sein soll. Diese Distinktion, die jede Korrelation zwischen der Welt des auf das Sein bezogenen Wissens und der Welt der auf das Sollen bezogenen Werte ausschließt (Science and Values, 1985), habe ihren Grund in der Tatsache, daß sich die moderne Wissenschaft im Unterschied zur aristotelischen und der mittelalterlichen Wissenschaftsphilosophie auf die Erforschung der Wirkursache (causa efficiens) beschränke. Dies habe aber den Ausschluß der anderen causae, der causa materialis und formalis, vor allem aber der auf den künftigen Zweck und somit, nach L., den »Wert« des jeweiligen Objektes ausgerichteten causa finalis zur Folge. Gab es im vorneuzeitlichen integrativen Wissenschaftskonzept demnach Berührungs- oder Streitpunkte zwischen den unterschiedlichen Bereichen der Wissenschaft und den »Werten«, so stünden sich beide Gebiete heute fremd gegenüber. Religiöse und Glaubensfragen, die für L. in dieser Hinsicht wie Ästhetik und Moral den »Werten« zugeordnet sind, entbehrten daher heute jedes wissenschaftlichen Bezuges.

So findet der Begriff der wertfreien Wissenschaft, dessen Positivismus in Israel im übrigen von dem Kant-Übersetzer N. Rotenstreich kritisiert worden ist, seine Entsprechung in L.s Konzeption eines wertorientierten und – im Gefolge des Maimonides – praktischen Verständnisses des Judentums. L. betont, daß sich der jüdische Mensch in seiner Wertentscheidung, Gott zu dienen (und nicht zum Götzendiener zu werden), weder auf in dieser Welt vorliegende geschichtliche oder natürliche Fakten berufen kann; noch kann er sich auf Schlußfolgerungen wissenschaftlicher Methodik – das Anerkennen von Fakten und Schlüssen sei immer »zwingend« – stützen, sondern er ist frei: »Die Absicht, Gott zu dienen, ist wesentlich a-historisch. In dieser Beziehung sind alle Zeiten und alle Situationen gleich« (Faith, History and Values, 1982). Diese Erkenntnis ist für L. auch religiös bedeutsam: Denn »die Sicht der Geschichte als Grundlage für den Glauben« würde den Gottesdienst »um seiner selbst willen« (lishemah) unmöglich machen und bedeutete daher »eine Entleerung des Glaubens von jeder religiösen Bedeutung«. L.s Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Maimonidesforschung in Israel (besonders mit J. Levinger) bezog sich auf die Frage, ob mit dieser Festlegung die Meinung des mittelalterlichen Philosophen korrekt und umfassend wiedergegeben sei.

In konsequenter Fortsetzung seines Ansatzes sprach L. jeglichen Gegebenheiten in Zeit (z.B. dem Zionismus, dem Holocaust, der Staatsgründung Israels) und Raum (Jerusalem, den »heiligen Stätten« usw.) religiöse Bedeutung ab, sofern sie nicht unmittelbaren halachischen Bezug hätten. Er kritisierte vor allem das Ineinander von Staat und Religion in Israel, die Stützung und zugleich Indienstnahme der Religion durch den weltlichen Staat mitsamt der (in seinen Augen faschismusverdächtigen) Sakralisierung des Staates. Ein »metahalachisches« Problem, dessen nähere Explikation er freilich unterließ, sah L. mit der Tatsache gegeben, daß das jüdische Volk in seiner Gesamtheit die Halacha seit dem frühen 19. Jahrhundert nicht mehr anerkenne. Im Zeitalter des Zionismus werde dieses Problem dadurch verschärft, daß die orthodoxen Rabbiner vor der ihnen nach traditioneller Auffassung obliegenden Aufgabe versagt hätten, das Gesetz, wie es sich in den vergangenen beiden Jahrtausenden unter Exilsbedingungen entwickelt habe, an die Erfordernisse eines modernen und souveränen Gemeinwesens und seiner Institutionen (z.B. Shabbatobservanz in Verwaltung, Polizei, Militär und öffentlichen Einrichtungen; Rechte und Pflichten der Frau) anzupassen und zu ergänzen. Unter den Bedingungen der Staatlichkeit gehe es nicht darum, die Halacha (etwa in ihren rituellen und liturgischen Bestandteilen) nach den, wie L. betont, »anthropozentrischen« Vorgaben des 19. Jahrhunderts zu »reformieren«; wohl aber gelte es, die im Religionsgesetz vorgesehene Vollmacht zu realisieren, die Entscheidung zum Gesetzesgehorsam in einen immer wieder von der Tora her neu zu bewertenden gesellschaftlichen Kontext zu stellen, der das Halten der Tora auch unter veränderten Umständen ermöglicht. Die auf ihrer fortdauernden Exilsmentalität fußende Weigerung der maßgeblichen Rabbiner, das selbstgewählte Ghetto einer Minderheit zu verlassen und an der allgemeinen politisch-gesellschaftlichen Verantwortung zu partizipieren, und ihre Neigung, stattdessen Forderungen an den säkularen Staat zu richten, stellten eine »Entweihung des göttlichen Namens« dar und seien mitverantwortlich für das Sich-Abwenden breiter Schichten von der Religion. Mit seinem Appell an die toraobservante Bevölkerung, in dieser Hinsicht den Rabbinern den Gehorsam zu versagen und selbst halachische Entscheidungen zu treffen, hat L. nach Meinung seiner orthodoxen Kritiker den Boden der Orthodoxie verlassen.

Werke:

  • Judaism, Jewish People and the State of Israel (hebr.), Jerusalem 1975 (teilweise übers. in: E. Goldman (Hg.), Judaism, human values, and the Jewish state, Cambridge (Mass.) 1992).
  • Vorträge über die Sprüche der Väter. Auf den Spuren des Maimonides. Aus dem Hebr. übers. G. Leibowitz, Obertshausen 1984.
  • Gespräche über Gott und die Welt, hg. M. Shashar, Frankfurt a.M. 1990.
  • The Faith of Maimonides, Tel-Aviv 1989.
  • I wanted to ask you, Prof. L. Letters to and from Y. L. (hebr.), hg. M., J., S., J. und C. Ofran, O. Leibowitz-Goldberg, A. Katzman, Jerusalem 1999. –

Literatur:

  • Sefer Y.L. Aufsätze (hebr.), hg. A. Kesher und J. Levinger, Tel Aviv 1977.
  • Z. Kurzweil, The Modern Impulse of Traditional Judaism, Hoboken/New Jersey 5745 (1984/85).
  • Y.L.: Seine Welt und sein Denken (hebr.), hg. A. Shagi, Jerusalem 1995.
  • D. Hartman, Conflicting Visions. New York 1990, 57–102.

Matthias Morgenstern

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Die Herausgeber

Otfried Fraisse, promovierte an der FU Berlin zu mittelalterlicher jüdisch-arabischer Philosophie; freier Mitarbeiter des Simon-Dubnow-Instituts an der Universität Leipzig.

Andreas B. Kilcher, Hochschuldozent am Institut für Deutsche Philologie II (neuere deutsche Literatur) in Münster. Bei Metzler ist erschienen: »Die Sprachtheorie der Kabbala als ästhetisches Paradigma« (1998) und »Metzler Lexikon der deutsch-jüdischen Literatur« (Hg., 2000).

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