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Metzler Lexikon jüdischer Philosophen: Joseph Albo

Geb. um 1380 in Aragonien;

gest. 1444 in Soria

Über A.s Leben ist wenig bekannt. Er war Schüler des Rabbiners und Arztes Chasdaj Crescas und nahm als Gesandter der jüdischen Gemeinde zu Daroca an der Disputation von Tortosa (1413–14) teil. Nach der Disputation verließ A. Aragonien und zog ins kastilische Soria. Dort schrieb er 1425 sein Sefer ha-‘Iqqarim (»Buch der Grundlehren«). Gegen Maimonides, der in seinem Kommentar zur Mishnah (1158–68) die ‘iqqarim oder Grundlehren des Judentums erstmals als ein fest umrissenes System formuliert hatte, stellte A. ein eigenes System von ‘iqqarim auf und forderte, jenes solle dem Judentum zugrunde liegen wie die Axiome einer Wissenschaft.

Die Notwendigkeit seiner Untersuchungen begründet A. mit der allgemeinen Verunsicherung, die in dieser Frage unter seinen Glaubensgenossen herrsche. Dennoch geht das Sefer ha-Iqqarim weit über eine bloße Bestimmung der Grundlehren hinaus und ist im weitesten Sinne eine Darstellung der theoretischen Grundlagen des Judentums mit wissenschaftlichem Anspruch und apologetischem Charakter. Wenn auch nicht als Erwiderung auf die konkreten Argumente der christlichen bzw. jüdischen Wortführer in Tortosa geschrieben, ist es dennoch eine Antwort auf die Massenkonversionen in Folge der dominikanischen Mission vor, während und nach der dortigen Disputation. Durch seinen eingängigen Stil erfreute sich das Buch großer Popularität. Es ist das einzige Werk, das von A. erhalten ist. Eine antichristliche Polemik, die A. in spanischer Sprache verfaßt haben soll, gilt als verschollen.

Das Sefer ha-‘Iqqarim ist in vier Abschnitte gegliedert, von denen der erste bereits alle wichtigen Aspekte der Religionsphilosophie A.s enthält. In seinem Mittelpunkt steht die Frage nach dem göttlichen Gesetz und dessen Grundlehren. A. unterscheidet zunächst zwischen natürlichen, positiven und göttlichen Gesetzen. Von diesen drei Gesetzen zeichne sich das göttliche durch mehrere Vorzüge aus. Insbesondere vermöge es als einziges, den Menschen der ewigen Seligkeit zuzuführen, weil es einen Maßstab sowohl für richtige Handlungen als auch für richtige Gesinnungen darstelle. Über den Begriff ‘iqqar schreibt A., jener werde »auf eine Sache angewandt, von der das Bestehen und die Existenz einer anderen Sache abhängt, und ohne welche letztere nicht existieren kann« (Sefer ha-‘Iqqarim, I, 3). Er reduziert die ‘iqqarim des göttlichen Gesetzes auf drei: die Existenz Gottes, die Offenbarung sowie Lohn und Strafe. Diese drei ‘iqqarim seien aus der Tora erkennbar, deren göttliche Natur von allen existierenden Religionen (will heißen: Offenbarungsreligionen) anerkannt werde.

Aus den ‘iqqarim abgeleitet bzw. den ‘iqqarim untergeordnet sind im System A.s die shorashim (»Wurzeln«). Diese shorashim sind für die Grundlehre (oder den ‘iqqar) der Existenz Gottes: seine Einheit, Unkörperlichkeit, Unabhängigkeit von der Zeit und Freiheit von allen Mängeln. Die shorashim des ‘iqqar der Offenbarung sind: die Existenz der Prophetie, die Sendung eines Gesetzgebers und die göttliche Allwissenheit. Als shoresh für den ‘iqqar Lohn und Strafe gibt A. die göttliche Vorsehung an.

Iqqarim und shorashim gemeinsam liefern ein notwendiges und hinreichendes Kriterium für die Göttlichkeit eines Gesetzes. Inwieweit auch die shorashim selbst ‘iqqarim, d.h. für den Fortbestand des göttlichen Gesetzes unverzichtbare Lehren sind, läßt A. bewußt offen. In ähnlicher Weise offen bleibt, inwieweit die shorashim allen göttlichen Gesetzen gemeinsam sind bzw. inwieweit es sich bei den shorashim bereits um spezielle Lehren handelt, in denen sich die Religionen voneinander unterscheiden. Einerseits betont nämlich A., die shorashim würden mittels eines logischen Schlusses aus den für alle göttlichen Gesetze gültigen ‘iqqarim abgeleitet (was bedeutet, daß auch die shorashim für alle göttlichen Gesetze gültig sein müßten); andererseits schreibt er im letzten Kapitel des zweiten Abschnitts explizit, daß die shorashim des Christentums und des Islam nicht mit denjenigen des Judentums übereinstimmten.

Außerhalb der ‘iqqarim und ihrer shorashim stehen in A.s Sefer ha-‘Iqqarim die miẓwot (»Gebote«) und die ‘anafim (»Zweige« im Sinn von »Dogmen«), die jeder Bekenner der Tora von Moses glauben muß und die aus den bereits festgesetzten ‘iqqarim abgeleitet werden, wenn sie auch keine shorashim derselben sind (Sefer ha-‘Iqqarim, I, 23). Die ‘anafim sind sechs: die Schöpfung aus dem Nichts, die Überlegenheit der Prophetie des Moses über die aller gewesenen und kommenden Propheten, die Unveränderlichkeit der Tora, die Erlangung der ewigen Seligkeit durch die Erfüllung nur eines einzigen Gebots der Tora, das Kommen des Messias und die Auferstehung. Eine besondere Bedeutung kommt den ‘anafim insofern zu, als sie mit der Überlegenheit der Prophetie des Moses, mit der Unveränderlichkeit der Tora und mit dem Kommen des Messias zentrale Inhalte der christlichen antijüdischen Polemik berühren. Indem A. diese Inhalte außerhalb der ‘iqqarim des göttlichen Gesetzes stellt, bewertet er sie als nicht mehr von existentieller Bedeutung für das Judentum. Jede Diskussion aber über Fragen, die für das Judentum nicht existentiell sind, kann auch keine Gefahr mehr für das Judentum in sich bergen. Bereits in Tortosa war A. mit der Äußerung aufgefallen, daß er, auch wenn ihm bewiesen würde, daß der Messias bereits erschienen sei, dennoch kein schlechterer Jude würde. A. führte also in seinem Sefer ha-‘Iqqarim mit der Herausnahme bestimmter Lehren aus den ‘iqqarim des göttlichen Gesetzes, wie eben des Glaubens an den Messias, diesen Ansatz fort.

Es muß allerdings festgehalten werden, daß A. in seinem Buch im Gegensatz zu seiner Haltung in Tortosa hinsichtlich des Messias – wie auch hinsichtlich der übrigen genannten Lehren – nicht nur einen, sondern zwei verschiedene Standpunkte vertritt, die sich an zwei verschiedene Gruppen von Lesern wenden. Einerseits sollen nämlich fünf der sechs ‘anafim ausdrücklich keine ‘iqqarim sein und damit keine Lehren, deren Infragestellung den Bestand des Judentums gefährden kann, andererseits bleiben sie nach der Definition von A. doch Dogmen, die jeder Jude glauben muß, wenn er nicht Gefahr laufen möchte, seinen Anteil an der kommenden Welt zu verlieren. Dies ergibt sich vor allem aus dem 23. Kapitel des ersten Abschnitts. A. schließt dieses Kapitel mit den Worten: »Aber die sechs erwähnten Dogmen [d.h. die ‘anafim] haben wir aufgezählt, weil sie Dogmen sind, die vom jüdischen Volk angenommen wurden und die dazu bestimmt sind, daß die ‘iqqarim und shorashim der Tora immer fortbestehen. Auch das Bestehen der Tora zu jeder Zeit hängt von ihnen ab, obwohl sie keine shorashim derselben sind, denn die Existenz der Tora ist, wie wir bemerkt haben, auch ohne die ‘anafim gegeben, und wer sie leugnet, wird ein Ketzer genannt, obschon er nicht zu jenen gehört, die die Tora leugnen, und er hat keinen Anteil an der kommenden Welt« (Sefer ha‘Iqqarim, I, 23). Der Verdacht, A. habe die ‘anafim ausschließlich aus strategischen Gründen von den ‘iqqarim des Judentums unterschieden, liegt nahe. Er wird erhärtet durch zwei weitere Bemerkungen im ersten und dritten Abschnitt des Sefer ha-‘Iqqarim. Im ersten Abschnitt betont A., der Messias und die Auferstehung könnten schon daher keine ‘iqqarim des Judentums sein, weil sie bereits unter die ‘iqqarim des Christentums fielen und als solche genutzt würden, um die Aufhebung des jüdischen Gesetzes zu begründen. Und im dritten Abschnitt schreibt A., daß auch die Überlegenheit der Prophetie von Moses über diejenige aller gewesenen und kommenden Propheten eigentlich ein ‘iqqar der Tora sei, aber nicht als ein solcher bewertet werde, um Einwänden des Gegners den Boden zu entziehen. Die letzte Feststellung wiederholt A. mehrfach. Damit ist offensichtlich, daß der Universalismus, der ihm in der Literatur teilweise zugeschrieben wird (S. Pines), nur ein scheinbarer und erzwungener ist, und es wird verständlich, warum A. die Zugeständnisse, die er an einigen Stellen seines Buches zugunsten eines solchen Universalismus macht, an anderen Stellen durch gezielte Einschränkungen zurücknimmt.

Seine Erläuterungen der ‘iqqarim und shorashim im zweiten, dritten und vierten Abschnitt orientiert A. an Maimonides, kritisiert letzteren aber auch immer wieder. Hierbei ist es im zweiten Abschnitt vor allem die Attributenlehre, in der sich A. von Maimonides distanziert. Sein Vorbehalt betrifft die Frage, inwieweit Gott bestimmte Eigenschaften zugeschrieben werden können, ohne daß damit die Einheit Gottes einerseits und die absolute Vollkommenheit Gottes andererseits verletzt werden. Unterscheide man, so A., zwischen Attributen, die in den Augen des Menschen Defekte, und Attributen, die in den Augen des Menschen Vollkommenheiten ausdrückten, so sei offensichtlich, daß Attribute der letzteren Art nicht in demselben absoluten Sinne von Gott ferngehalten werden dürften, wie Maimonides dies fordere. Schließlich käme die absolute Verneinung einer Vollkommenheit der Bejahung des Gegenteils und damit eines Defekts gleich. A. folgert, daß auch bei den Attributen, die Vollkommenheiten bezeichneten, zwischen zwei Aspekten unterschieden werden müsse. Insofern, als diese Attribute im absoluten Sinne Eigenschaften bezeichneten, deren Gegenteil einen Mangel ausdrücke, seien sie Gott zuzuschreiben. Insofern, als diese Attribute gleichzeitig menschliche und damit unvollkommene Eigenschaften bezeichneten, seien sie von Gott fernzuhalten. A.s Äußerungen am Ende des zweiten Abschnitts, daß in einzelnen Fällen auch der besondere Name Gottes, das Tetragramm, auf andere Wesen als auf Gott angewandt werden könne, haben besonders in der christlichen Literatur der frühen Neuzeit Aufsehen erregt. Autoren wie Josephus de Voisin, Johannes Hoornbeek u.a. deuten an diesem Punkt A.s Bezugnahme auf Jer. 23, 6 als einen Beweis für eine auch innerjüdische Anerkennung der göttlichen Natur des Messias.

Von größter Bedeutung für die jüdisch-christliche Auseinandersetzung und damit auch die christliche Rezeptionsgeschichte des Sefer ha-‘Iqqarim ist der dritte Abschnitt, den A. dem zweiten ‘iqqar, der Offenbarung, und der unmittelbar mit der Offenbarung verbundenen Frage der Prophetie und der Gesetzgebung widmet. Wie Maimonides erklärt auch A. die Prophetie als ein göttliches Überströmen, mittels dessen der Mensch zur Erkenntnis derjenigen Dinge gelange, die ihn vollkommen machten, die jedoch der menschliche Verstand aus sich selbst zu erkennen nicht fähig sei. Erkenntnis meint bei A. an dieser Stelle jedoch nicht die intellektuelle Gotteserkenntnis, sondern die Erkenntnis, Gott zu dienen. Daher seien die Philosophen, entgegen der Auffassung des Maimonides, zu keiner Zeit Propheten gewesen.

A. unterscheidet vier Stufen der Prophetie. Den Propheten der vierten Stufe bezeichnet er als engelsgleich und betont, bisher habe nur Moses diese Stufe der Prophetie erreicht. Bei der Offenbarung am Sinai allerdings habe Moses seine eigene prophetische Gabe auf ganz Israel übertragen, und Israel habe auf der höchsten Stufe der Prophetie auch die Sendung des Moses als Gesetzgeber erkannt und seinerseits schon die ersten zwei Gebote des Dekalogs in Empfang genommen. Diese zwei Gebote seien ewig und unveränderlich. Über alle anderen Gebote der Tora schreibt A., es sei grundsätzlich möglich, sie für eine bestimmte Zeit oder für ewig außer Kraft zu setzen. Hierzu allerdings müsse sich der Gesetzgeber, der diese Gebote zu ändern beanspruche, in derselben Art und Weise bewähren, wie Moses dies am Sinai getan habe. Zeichen und Wundertaten seien nicht ausreichend, da es viele Menschen gebe, die Zeichen und Wunder verrichten, ohne Propheten zu sein; wie es auch viele Propheten gebe, die Zeichen und Wunder verrichteten und dennoch nicht dazu berufen seien, ein Gesetz zu geben (Sefer ha-‘Iqqarim, III, 19). Daß für A. auch und vor allem Jesus zu diesen letzteren Propheten zählt, ist offensichtlich. Im 25. Kapitel des dritten Abschnitts seines Buches, dem einzigen Kapitel, das explizit und ausführlich gegen christliche Argumente gerichtet ist, stellt A. die Prophetie Jesu auf die Stufe der Prophetien Hesekiels und Sacharjas und betont, Jesus selbst habe dazu gemahnt, dem Gesetz zu folgen. Die Apostel Jesu wiederum seien mit den elementarsten Gedanken der Tora nicht vertraut und schon daher in keiner Weise berechtigt gewesen, Ergänzungen vorzunehmen. Christliche Lehren und Mysterien wie die Inkarnation (daß von Gott angenommen werden sollte, er könne ein anderes Wesen schaffen, das ihm selbst in jeglicher Hinsicht ähnlich wäre), die Transsubstantiation (daß ein einziger Körper gleichzeitg an zwei verschiedenen Orten sein könne) und die Trinität (»daß sich aber in ihm [Gott] drei unterschiedene Dinge befinden sollten, von denen jedes einzelne für sich selbst besteht, wie sie [die Christen] sagen: ›distintos en personas‹, und die [gleichzeitig] eins sind«), weist A. als dem Verstande nicht vorstellbar zurück (III, 25). Er stellt diese Lehren den Wundern der Tora gegenüber, die von seiten der Natur ebenfalls unmöglich, dennoch aber vorstellbar seien, weil sie von Gott in seiner unendlichen Macht bewirkt werden könnten. Insbesondere könne ein Jude, »der an wahre Lehrmeinungen aus der Tora Moses gewöhnt ist, deren göttlichem Charakter alle zustimmen und die in einer großen Öffentlichkeit von 600000 Menschen gegeben wurde, welches Lehrmeinungen sind, die eben nicht mit den Gefühlswahrnehmungen streiten und nicht den ersten Begriffen des Verstandes widersprechen, schwerlich seinen Verstand dazu zwingen, Dinge zu glauben, die nicht verständlich sind« (III, 25).

Es wäre falsch, A.s antichristliche Polemik in seinem Sefer ha-‘Iqqarim auf Kapitel III, 25 zu beschränken. Dennoch markiert das Kapitel einen Einschnitt. Nach der Einführung seiner ‘iqqarim, shorashim und ‘anafim im ersten und den Erläuterungen zur Attributenlehre und Prophetie im zweiten und dritten Abschnitt stellt A. in der Mitte seines Buches dem Judentum, wie er es versteht, das Christentum als einen Konkurrenten gegenüber, mit dem eine Auseinandersetzung nicht lohne. In der wissenschaftlichen Literatur hat daher das 25. Kapitel des dritten Abschnitts eine Beachtung gefunden, die anderen Kapiteln des Buches nie zuteil wurde. In zahlreichen frühen Editionen ist das Kapitel entweder vollständig der Zensur zum Opfer gefallen oder an maßgeblichen Stellen gekürzt. In anderen Ausgaben ist der christliche Gelehrte, auf den sich A. zu Beginn seiner Polemik beruft, gestrichen und durch einen beliebigen »Gelehrten unter den Gelehrten« ersetzt. Im Jahre 1566 wurde Kapitel III, 25 von dem Benediktiner Gilbert Genebrard ins Lateinische übersetzt und mit einer Gegenrede versehen. Diese Übersetzung Genebrards ist die einzige Übersetzung eines Kapitels des Sefer ha-‘Iqqarim, die vor dem 19. Jahrhundert gedruckt wurde.

Nach seiner Polemik in Kapitel III, 25 handelt A. am Ende des dritten Abschnitts von den Geboten und der Liebe Gottes zu seinem Volk, im vierten Abschnitt von der göttlichen Providenz und Vergeltung. Mehr als zu Beginn seines Buches ist es dem Rabbiner nun daran gelegen, Hoffnung und Kraft zu spenden. So steht im Mittelpunkt der Kapitel über die göttliche Vorsehung eine ausführliche Erörterung der Frage nach dem Leiden des Frommen und dem Wohlergehen des Sünders, in der sich A. an Simeon ben Zemach Duran orientiert. Hinsichtlich der Vergeltung unterscheidet A. zwischen vier verschiedenen Zeiten: der Zeit dieser Welt, der der kommenden Welt, der Zeit des Messias und der der Auferstehung. Unmittelbar nach dem Tod verweile die Seele des Verstorbenen zwölf Monate in Hin- und Hergerissenheit. Die Seele dessen, der im Leben keine Verdienste erlangt habe, werde ausgelöscht, diejenige des Gottsleugners ewig bestraft. Die Seele des Frommen steige auf, um ihren geistigen Lohn zu empfangen. Diese Stufe des Lohns sei die kommende Welt im weiteren Sinne. Auf sie werde im Traktat Sanhedrin 90a des babylonischen Talmud Bezug genommen, wenn es heiße: »Ganz Israel hat einen Anteil an der kommenden Welt.« Die kommende Welt im engeren Sinne sei diejenige Stufe des Lohns, die nur die wahrhaft frommen Juden erreichten, nachdem sie im Zeitalter des Messias auferstanden und erneut gestorben seien. Ausgeschlossen von der kommenden Welt im engeren wie im weiteren Sinne seien all diejenigen, die »Gott hassen und seine Gebote nicht beachten« (IV, 38). Den Rabbinern zufolge fielen unter diese letzte Gruppe die Leugner der ‘iqqarim oder shorashim des göttlichen Gesetzes und damit alle Christen und Muslime. Allen Juden hingegen stehe bereits mit der Erfüllung eines einzigen Gebots der Tora eine gewisse Stufe in der kommenden Welt offen.

A.s Sefer ha-‘Iqqarim wird als eines der letzten Werke der jüdischen Philosophie des Mittelalters bzw. als das letzte Werk der jüdischen Philosophie überhaupt (Husik) bezeichnet. Trotz der Kritik, die noch im 15. Jahrhundert Männer wie Joseph ibn Habib, Abraham Bibago, Abraham Shalom und Isaak Abravanel an A. übten, erfreute sich das Buch seit seinem Erstdruck (Soncino 1485) in jüdischen Kreisen weiter Verbreitung. Gleichzeitig machten sich ab dem 16. Jahrhundert christliche Theologen daran, das Sefer ha-‘Iqqarim für ihre Argumentation zu nutzen. Christliche Antitrinitarier in Polen und Siebenbürgen zogen die antichristlichen Argumente A.s im 25. Kapitel des dritten Abschnitts für ihre Auseinandersetzung mit den etablierten Kirchen heran. Der Heidelberger Unitarier Matthias Vehe-Glirius übersetzte das gesamte Buch um 1570 ins Lateinische (ungedruckt). Im 17. und 18. Jahrhundert führten christliche Hebraisten aller Konfessionen A.s Sefer ha-‘Iqqarim als jüdisches Zeugnis gegen Maimonides an.

Werke:

  • Buch Ikkarim, Grund- und Glaubenslehren der Mosaischen Religion, hg. und übers. W. Schlessinger und L. Schlesinger, Berlin 1844 (Nd. Berlin 1922).
  • Sefer ha-‘Iqqarim, Book of Principles, hg. und übers. I. Husik, Philadelphia 1929–30. –

Literatur:

  • A. Tänzer, Die Religionsphilosophie J.A.s nach seinem Werke »Ikkarim« systematisch dargestellt und erläutert, Pressburg 1896.
  • I. Husik, J.A. the Last of the Jewish Philosophers, in: PAARJ 1 (1928–1930) (Nd. New York 1966, 61–72).
  • D. J. Lasker, J.A.’s Theory of Verification (hebr.), in: Da‘at 5 (1980), 5–12.
  • M. Kellner, J.A.’s »Sepher ha-Ikkarim«, in: The Solomon Goldman Lectures 6 (1993), 139–149.
  • R. Lerner, The Politic Art of J.A., in: F. Niewöhner u. L. Sturlese (Hg.), Averroismus im Mittelalter und in der Renaissance, Zürich 1994, 251–268.
  • S. Rauschenbach, J.A. (um 1380–1444). Jüdische Philosophie und christliche Kontroverstheologie in der frühen Neuzeit, Leiden 2002.

Sina Rauschenbach

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Die Herausgeber

Otfried Fraisse, promovierte an der FU Berlin zu mittelalterlicher jüdisch-arabischer Philosophie; freier Mitarbeiter des Simon-Dubnow-Instituts an der Universität Leipzig.

Andreas B. Kilcher, Hochschuldozent am Institut für Deutsche Philologie II (neuere deutsche Literatur) in Münster. Bei Metzler ist erschienen: »Die Sprachtheorie der Kabbala als ästhetisches Paradigma« (1998) und »Metzler Lexikon der deutsch-jüdischen Literatur« (Hg., 2000).

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