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Metzler Lexikon jüdischer Philosophen: Samson Raphael Hirsch

Geb. 19.6.1808 in Hamburg;

gest. 31.12.1888 in Frankfurt a.M.

H. gilt als Begründer und hervorragender Vertreter der deutsch-jüdischen »Kulturorthodoxie« des 19. Jahrhunderts mit ihrem reformpädagogischen Vermittlungsprogramm Torahim Derekh Ereẓ (Zitat aus den Sprüchen der Väter im Sinne von: »Tora-Studium verbunden mit bürgerlicher Bildung«) und zugleich als Protagonist der konsequenten gemeindepolitischen Trennung der Orthodoxie vom Reformjudentum. Beide – scheinbar in Spannung zueinander stehenden – Aspekte seiner Wirksamkeit, die separatistische »Radikalität« und die bildungspolitische »Kompromißbereitschaft«, waren bereits zu H.s Lebzeiten umstritten und blieben es nach seinem Tod.

Die Wurzeln dieser Dualität lassen sich biographisch bis in die Jahre von H.s Hamburger Kindheit zurückverfolgen. Sein pädagogisches Leitbild war sein Privatlehrer, der chakham (»Weise«) I. Bernays, der zu den ersten orthodoxen Rabbinern gehörte, die jüdisches Wissen mit allgemeiner Bildung verbanden. Bernays, im Jahre 1821 vor dem Hintergrund des 1817 ausgelösten »Tempelstreits« als Rabbiner nach Hamburg berufen, gab zudem ein Beispiel für religiöse Prinzipienfestigkeit in der Auseinandersetzung mit den Auflösungserscheinungen der überlieferten Religion. Da die Beratungen der Hamburger Orthodoxen, die sich aus religionsgesetzlichen Gründen gegen den »neologen« Synagogengottesdienst der Reformjuden mit deutscher Predigt und Orgel stellten, im Hause seines Vaters stattfanden, hatte der junge H. Gelegenheit, die Ereignisse aus nächster Nähe zu verfolgen. Von Kindesbeinen an wurde er so mit der orthodoxen Sicht vertraut, die die systematische Marginalisierung der »Altgläubigen«, wie sie von der neuen reformorientierten jüdischen Führungsschicht in Zusammenarbeit mit den staatlichen Behörden betrieben wurde, nach dem Vorbild mittelalterlicher Judenverfolgungen wahrnahm. In H.s schriftstellerischem und publizistischem Schaffen ging es später darum, beide Themen – die Vereinbarkeit von jüdischem mit nichtjüdischem Bildungsgut und den Widerstand gegen die »neologe Unterdrückung« – aufeinander zu beziehen und in diesem Bezug eine Lösung für die ihn bedrückenden Zeitprobleme zu suchen.

Im Hinblick auf seinen Ausbildungsgang ist in diesem Sinne sein einjähriges Studium an der Universität Bonn (1829/30) hervorzuheben, das – für einen angehenden toratreuen Rabbiner seiner Generation noch ungewöhnlich – den vorhergehenden Talmudunterricht bei dem Mannheimer Gelehrten J. Ettlinger ergänzen sollte. Anschließend führte ihn sein beruflicher Weg über das Landrabbinat in Oldenburg (1830), das Distriktsrabbinat in Emden (1841) und das mährische Bezirksrabbinat in Nikolsburg (1844) nach Frankfurt a.M. (1851).

Schon in H.s Neunzehn Briefen (1836) trat die pädagogisch-kulturorthodoxe Grundausrichtung seiner Lehre hervor. In diesem unter dem Pseudonym Ben Usiel veröffentlichten Erstlingswerk forderte er dazu auf, die Tora »nicht für philologische und antiquarische Untersuchungen«, sondern »als Jude«, das heißt im Hinblick auf die in ihr enthaltene praktische »Unterweisung und Zurechtweisung« Gottes zu lesen. In Abwehr der von fremden Voraussetzungen ausgehenden Anfragen und Zumutungen postulierte er ein »sich selbst begreifendes Judentum«, das dazu imstande sei, alle Bildungsinhalte ausgehend von der Tora harmonisch miteinander zu verknüpfen. Als Vorbild nannte er J. Halewi, der mit seinen »Geistesforschungen rein im Judentum« gestanden sei und es geistig »aus sich selber« aufgebaut habe. In einem Gutachten, das er im Jahre 1844 anläßlich der in Braunschweig stattfindenden Konferenz von Reformrabbinern erstellte, faßte H. seine Antwort auf die Herausforderungen der Moderne erstmals unter dem Motto Torahim Derekh Ereẓ zusammen. In diesem Text geißelte er den Abfall der Neuerer vom Religionsgesetz und bestritt, daß sie dazu autorisiert seien, auch nur die kleinste traditionelle Sitte abzuschaffen oder zu verändern. Zudem führe die Reform zu einer Spaltung des Judentums, da es ein anderes Judentum als das der sinaitischen Tora nicht gebe. Der Erfolg der Anpassungen an den Zeitgeist gründete, so H., in der Leichtfertigkeit und dem bösen Willen der führenden Köpfe der Reform, daneben aber auch in der Unkenntnis der rabbinischen Quellen bei der jüdischen Jugend und in deren Unkenntnis des wahren Judentums. Nachdem die traditionellen Talmudakademien (Jeshivot) in Westeuropa an ihr Ende gekommen seien, müsse man dem Abfall von der Tora daher mit einem zeitgemäßen pädagogischen Programm entgegentreten.

Nach seiner Berufung als erster Rabbiner der Frankfurter orthodoxen Separatgemeinde Israelitische Religionsgesellschaft (IRG), die nach heftigen Auseinandersetzungen mit dem reformgesinnten Vorstand und der Mehrheit der Gemeinde entstanden war, konkretisierte H. sein Bildungskonzept, das er in der 1853 gegründeten Realschule dieser Gemeinde verwirklichte. Es handelte sich hierbei weniger um ein Zugeständnis an die nichtjüdische Umgebung als um ein Abwehrkonzept, das zum einen auf die Stärkung des Selbstbewußtseins und der religiösen Observanz seiner Gemeindeglieder, zum anderen gegen die Reformbestrebungen des zeitgenössisch-liberaljüdischen Establishments und schließlich gegen den von der nichtjüdischen Umgebung drohenden Säkularisierungsdruck und die Gefahr der Assimilierung ausgerichtet war. Dieser dreifachen Herausforderung suchte H. durch ein Konzept der Rationalisierung und Universalisierung der Tora, der umfassenden Partizipation des jüdisch-orthodoxen Bürgers am gesellschaftlichen, ökonomischen und gemeindlichen Leben sowie schließlich der Neukonstitution der jüdischen Gemeinschaft auf dem Boden der Tora zu begegnen.

Das Stichwort der Rationalisierung steht zunächst für die kritische Analyse der Fehler der Toratreuen in der Vergangenheit. H. lastete den religiösen Niedergang, wie er in der Vernachlässigung der Ritualeinrichtungen (Tauchbad, Schächtwesen, u.a.) zum Ausdruck kam, nicht nur den repressiven Maßnahmen der Reformer und der nichtjüdischen Obrigkeit an, sondern denunzierte auch die Weltfremdheit der traditionellen jüdischen Elite. Die Rabbiner der voremanzipatorischen Zeit hätten sich Spitzfindigkeiten und praxiswidrigen Streitereien hingegeben und darüber ihre Pflicht des lehrenden Dienstes in der Gemeinde vernachlässigt. Das in den Jeshivot früherer Jahrhunderte vermittelte Wissen war, so H., einer Zeit angemessen, in der die Loyalität zur Tora nicht in Frage stand. In der jetzigen Situation war mit der Herausstellung talmudischer Finessen (pilpul) aber niemandem mehr gedient. Es ginge nun darum, die religiöse Grundversorgung zu sichern und die Bildung in den Dienst einer für den jüdischen Bürger verständlichen und handhabbaren Apologetik zu stellen.

In einem im Sinne J. Halewis auf die religiöse Praxis ausgerichteten Konzept sah H. eine Möglichkeit zur Besserung der verfahrenen Situation, die auf der Unmündigkeit und Hilflosigkeit der Gemeindeglieder beruhe. Die Festigung der orthodoxen Stellung im Kampf gegen den Verfall des traditionellen Judentums ließ sich durch die pädagogische Fixierung auf das Religionsgesetz und die Betonung der halachischen Rationalität sowie Nachvollziehbarkeit der religionsgesetzlichen Forderungen erreichen. Das Ziel der internen Unterstützung und Kräftigung der Gesetzesobservanz legte dabei eine Standardisierung der Tora nahe, wie sie in H.s im Jahre 1837 veröffentlichen Gesetzeskompendium Chorev zum Ausdruck kam. Dieses richtete sich nicht an die Adresse gelehrter Spezialisten, sondern an den common sense des sich in wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht emanzipierenden und Transparenz fordernden Bürgers. Ihm wollte H. einen direkten und praxisorientierten Zugang zu den Quellen verschaffen, den eigenverantwortlichen Umgang mit dem jüdischen Erbe ermöglichen und den in der Tora enthaltenen Pflichten einen durchgeistigtsymbolischen Sinn geben, der darauf abzielte, die Motivation zur Gesetzesobservanz zu erneuern.

Diesem Zweck diente auch die weitgespannte Publizistik H.s, insbesondere in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift Jeschurun, sowie seine Übersetzung und Kommentierung des Pentateuchs (1867–78) und der Psalmen (1882), die das Ideal bürgerlich-literarischer Bildung und den naturwissenschaftlichen Kenntnisstand der Newtonschen Ära reflektierten. Wenn H. anstelle der alten Talmudgelehrten, die angesichts der Herausforderungen der Zeit versagt hätten, die Heranbildung einer neuen Religionselite anstrebte, so hatte er die in der jüdischen Literatur bewanderten und urteilsfähigen berufstätigen »Laien« im Auge. Diese sollten durch ihre religiöse Praxis den Fortbestand des traditionellen Judentums sichern. Esoterischkabbalistische Spekulationen und außerhalb der allgemeinen Tradition stehende partikulare Lokalbräuche (minhagim) ließen sich mit diesem Interesse nicht in Übereinstimmung bringen und wurden ausgeblendet.

Der »laizistische« und auf das Praktische gerichtete Zug seiner »Gemeindetheologie« hielt H. auch davon ab, die Bildungsanforderungen so zu erhöhen, daß nur eine Minderheit sie würde erfüllen können. So gab er sich in Frankfurt mit der Einrichtung einer Realschule zufrieden und strebte (was freilich auch mit den wirtschaftlichen Interessen seiner Klientel zusammenhing) nicht die Einrichtung eines Gymnasiums an. Hinter dieser Entscheidung stand aber ein grundsätzlich gegen die Professionalisierung auf dem Gebiet des jüdischen Wissens gerichtetes Anliegen, das ihn auch dem von E. Hildesheimer gegründeten orthodoxen Berliner Rabbinerseminar skeptisch-distanziert gegenübertreten ließ. H.s »antiklerikales« Ressentiment rührte von der Auseinandersetzung mit den Reformrabbinern her, die, ausgestattet mit dem Status wissenschaftlicher Überlegenheit und Deutungshoheit, willkürlich Manipulationen am Traditionsbestand vorgenommen hätten. Demgegenüber war H. der Überzeugung, daß das Rabbinatsamt seine Träger nicht zu Mitgliedern einer privilegierten, gar »legislativen« Gelehrtenkaste mache. Seine »vorwiegendste Aufgabe« liege darin, »sich überflüssig zu machen« (Die Religion im Bunde mit dem Fortschritt, 1854).

Die weitreichendste Neuerung auf dem Boden des orthodoxen Judentums gelang H. im Blick auf die Rolle der Frau. Sein Konzept der Universalisierung des Lernens und der religiösen Zuständigkeit und Verantwortung führte ihn dazu, anläßlich seiner Schulgründung auch für den Unterricht der Mädchen Sorge zu tragen. In den unteren Klassen nahm er, gegen das Herkommen, zeitweise gemischte Klassen hin. In der Situation der verschärften Auseinandersetzung mit der Assimilation und Reform ließ sich die Aufwertung der Mädchenerziehung zunächst pragmatisch mit der Notwendigkeit begründen, die geistige Widerstandskraft derer zu stärken, die dereinst als Mütter das Judentum an die Nachgeborenen weiterzugeben haben würden. Daneben kam es aber zu einer betont religiösen Motivierung und Akzentsetzung, die H. in schöpfungstheologischem Zusammenhang von der »völlige[n] Gleichheit und paritätische[n] Selbständigkeit« der Geschlechter sprechen ließ. Wenn in seinem Genesiskommentar (1867) von der »Bildung« des Menschen in der »Ähnlichkeit Gottes« die Rede ist, so war neben der anthropologischen Einsicht von der schöpfungsmäßigen Geschlechterpolarität (Gen. 5,2) auch eine Anlehnung an den – etymologisch aus der Imago-Vorstellung (Gen. 5,1) geschöpften – deutschen Bildungsbegriff gegeben.

In H.s Auslegung zu Genesis 5,2 heißt es ferner, daß die Gottähnlichkeit nichts »Übernatürliches« sei, das dem Menschen durch die Kultur erst »angebildet werden müßte«: »In seinem wahren Naturzustand ist er geistig wach und sittlich rein Gott ähnlich.« Voraussetzung dieser Annahme war die Vorstellung von der schöpfungsmäßigen Einheit von Gotteslehre und Kosmos, einem ursprünglichen, universalistischen Aufeinander-Bezogensein von Tora, Mensch und Geschichte. Der kosmologische, anthropologische und epistemologische Optimismus dieses Weltbildes schloß die Anerkennung »weltlichen« Wissens ein, denn ein Abglanz der Herrlichkeit der Tora lasse sich überall dort wiederfinden, wo Forschung und Wissenschaft mit ehrlichem Bemühen der einen Wahrheit auf der Spur seien. Auf der Basis der universal verstandenen Tora erstrebte H. die harmonische Verknüpfung aller Bildungsinhalte in seinem anthropologischen und zugleich israeltheologischen Ideal Mensch-Israel. Es entsprach dem Postulat der prinzipiellen Interdependenz der göttlichen Offenbarungsweisen in Tora, Natur und Geschichte und war ein Pendant zur Torahim Derekh Ereẓ-Devise.

Aus diesem Bildungsideal ergab sich konsequenterweise die Forderung nach erweiterten Partizipationsmöglichkeiten für den orthodox-jüdischen Bürger an den Angelegenheiten seiner Gemeinde. In der Israelitischen Religionsgesellschaft wurden die Ämter daher grundsätzlich auf dem Wege freier Wahlen vergeben. Die demokratischen Prinzipien fanden ihren rechtsförmigen Ausdruck in den Kompetenzen der »Generalversammlung«, die laut Gemeindestatut in den durch das Religionsgesetz vorgeschriebenen Bahnen frei und »nach Stimmenmehrheit« entscheiden durfte.

H. ging es eben hierbei nicht nur um individuelle Gesetzestreue und religiöse Lebensführung, sondern vor allem um die Neukonstitution der jüdischen Gemeinschaft, die Wiederherstellung der durch die Tora vorgesehenen kollektiven Institutionen jüdischen Lebens. Die Tatsache, daß die Frankfurter Israelitische Religionsgemeinschaft (IRG) vom Staat bislang nur als privatrechtliche Religionsgemeinschaft anerkannt worden war und ihre Mitglieder staatskirchenrechtlich verpflichtet waren, daneben weiterhin der reformorientierten öffentlich-rechtlichen Gemeinde anzugehören, ihr Steuern zu zahlen und dadurch, in halachischer Perspektive, den Reformern gesetzlich verbotene Beihilfe zur Übertretung der Tora zu leisten, wurde von ihm als schwerer Nachteil, ja Unrecht betrachtet. Nachdem die vormals freie Reichsstadt Frankfurt 1866 an Preußen gefallen war, bemühte sich H. verstärkt um die Abschaffung der althergebrachten territorial definierten Zwangsmitgliedschaft. In der Atmosphäre des von Bismarck begonnenen Kulturkampfes führte eine Denkschrift an das Berliner Abgeordnetenhaus, die von dem liberalen jüdischen Landtagsabgeordneten E. Lasker unterstützt wurde, schließlich zum Erfolg. Das preußische Austrittsgesetz vom 28. Juli 1876 gab jedem Juden das Recht, aus seiner Ortsgemeinde auszutreten, ohne mit diesem Schritt nach staatlichem Recht die Zugehörigkeit zum Judentum zu verlieren.

Im Moment des Triumphes erfuhr H. aber seine größte Enttäuschung. Denn nachdem die rechtliche Gleichstellung der Israelitischen Religionsgemeinschaft erreicht war, weigerten sich seine Gemeindeglieder mehrheitlich, tatsächlich auszutreten. H. verfaßte daraufhin ein religionsgesetzliches Urteil (»Austritts-pesaq«), das zu diesem Schritt verpflichtete. Die Israelitische Religionsgemeinschaft, die sich in ihren Statuten auf die Tora-Normen berief, sei die legitime Nachfolgerin der durch den Abfall von der Tradition zerstörten alten Frankfurter Gemeinde. Daraus ergab sich für H. für jeden Juden der Stadt die halachische Pflicht, sich – ausschließlich – ihr anzuschließen und mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zur Erfüllung ihrer Aufgaben beizutragen. Am 20. März 1877 fanden die Austrittsunwilligen aber Unterstützung durch ein Gegengutachten des Würzburger altorthodoxen Rabbiners S.B. Bamberger. Die Folge war ein in der Öffentlichkeit ausgetragener Briefwechsel zwischen Frankfurt und Würzburg, der die Grundfesten der deutschsprachigen Orthodoxie erschütterte. In der Auseinandersetzung mit Bamberger, bei der auch Gegensätze in der Bildungskonzeption zur Sprache kamen, ging es zunächst um rabbinisches Prestige und prozedurale Fragen der Rechtsfindung im Blick auf die Austrittsforderung; im Hintergrund stand aber das grundsätzliche Problem der »sinaitischen Verfaßtheit« der jüdischen Gemeinde gegenüber der staatlichen Ordnung und die Frage, ob einzelne Vorschriften der Tora um der jüdischen Einheit willen, wie Bamberger meinte, zeitweilig zurückgestellt werden könnten. Unter dem Einfluß der auf einen Kompromiß mit den Reformern ausgerichteten Vorstellungen Bambergers begann 1878 der von der Frankfurter Großgemeinde neuberufene orthodoxe Rabbiner M. Horovitz, von H. heftig befehdet, mit dem Aufbau separater torakonformer Institutionen innerhalb der »regulären« Gemeinde, die, in Konkurrenz zur Israelitischen Religionsgemeinschaft, denjenigen zugute kommen sollten, die nicht austreten wollten. Im Kontrast zu H. legte Horovitz dabei Wert auf die Einhaltung der überlieferten Ortsgebräuche, so daß die entstehende »Gemeindeorthodoxie« vielen Betrachtern stets »altmodischer« vorkam als die neoorthodoxe Israelitische Religionsgemeinschaft.

Für H. war diese Entwicklung ein unerwarteter Rückschlag. Resigniert übertrug er bereits im Jahre 1877 die Leitung der Schule seinem Sohn Mendel. Zu seinen letzten Initiativen gehörte 1885 die Gründung der überregionalen Freien Vereinigung für die Interessen des orthodoxen Judentums, die von ihm beeinflußte orthodoxe Gemeinden und Persönlichkeiten aus Deutschland und Westeuropa zusammenfaßte und zu Beginn des 20. Jahrhunderts zur Keimzelle der separatistisch-orthodoxen und nichtzionistischen Weltorganisation Agudat Israel werden sollte, die in der israelischen Parteipolitik bis in die Gegenwart eine zentrale Rolle spielt.

Werke:

  • Neunzehn Briefe über das Judentum, Altona 1836 (Nd. Zürich 1987).
  • Choreb, oder Versuche über Jissroéls Pflichten in der Zerstreuung, Altona 1837 (Nd. Zürich/Basel 1992).
  • Der Pentateuch, übersetzt und erläutert, Frankfurt a.M. 1867–1878 (Nd. Tel-Aviv 1986).
  • Gesammelte Schriften, Bd. 1-6, hg. N. Hirsch, Frankfurt a.M. 1902–1912. –

Literatur:

  • R. Liberles, Religious Conflict in Social Context. The Resurgence of Orthodox Judaism in Frankfurt am Main, 1838–1877, Westport/Connecticut 1985.
  • M. Breuer (Hg.), Torah ‘im Derekh Ereẓ Movement (hebr.), Ramat-Gan 1987.
  • M. Morgenstern, Von Frankfurt nach Jerusalem. I.B. und die Geschichte des Austrittsstreits in der deutsch-jüdischen Orthodoxie, Tübingen 1995.
  • E.M. Klugman, Rabbi S.R.H. Architect of Torah Judaism for the Modern World, New York 1996.

Matthias Morgenstern

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Die Herausgeber

Otfried Fraisse, promovierte an der FU Berlin zu mittelalterlicher jüdisch-arabischer Philosophie; freier Mitarbeiter des Simon-Dubnow-Instituts an der Universität Leipzig.

Andreas B. Kilcher, Hochschuldozent am Institut für Deutsche Philologie II (neuere deutsche Literatur) in Münster. Bei Metzler ist erschienen: »Die Sprachtheorie der Kabbala als ästhetisches Paradigma« (1998) und »Metzler Lexikon der deutsch-jüdischen Literatur« (Hg., 2000).

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