Lexikon der Kartographie und Geomatik: Geodynamik
Geodynamik, E geodynamics, die Lehre von den Kräften in der Erde und den durch sie hervorgerufenen Bewegungen. Die verursachenden Kräfte sind vor allem thermodynamischer (Konvektionsströme) und gravitativer (Massenanziehung) Art. Thermodynamik entsteht durch die große Hitze im Erdkern sowie durch den radioaktiven Zerfall im Erdmantel. Sie erzeugt einen Konvektionsstrom der viskosen (zähflüssigen) Massen im Erdmantel. Heißes Material (mit geringerer Massendichte) steigt nach oben, kühlt sich ab, driftet unter der erstarrten äußeren Gesteinsschicht der Erde (Lithosphäre) seitwärts ab und sinkt an anderer Stelle wieder abwärts. Durch diesen Prozess entstehen gewaltige Massenverlagerungen, die Variationen der Bewegungen des gesamten Erdkörpers (Rotation der Erde) oder von Teilen davon (Deformationen der Erde) hervorrufen.
Die Erdrotation wird vor allem durch die Bewegungen des Erdkerns beeinflusst. Durch die Massenverlagerungen im flüssigen äußeren Kern wird einerseits ein Drehimpuls erzeugt und andererseits das Trägheitsmoment der Erde verändert. Als Folge davon verlagert sich die Erdrotationsachse relativ zum festen Erdkörper (Polbewegung) und es ergibt sich eine Variation der Rotationsgeschwindigkeit.
Die Deformationen der Erde infolge der Geodynamik betreffen neben der Massenverlagerung im Erdmantel durch die Konvektion vor allem die feste äußerste Schicht der Erde, die Lithosphäre. Durch die thermodynamischen Kräfte der aufsteigenden Konvektionsströme bricht die Lithosphäre linienhaft in einigen Gebieten auf (mittelozeanische Rücken) und taucht bei den absinkenden Strömen aufgrund der gravitativen Kräfte ab (Subduktionszonen). Daraus folgt die ständige Bewegung der Lithosphäreplatten, die Plattenkinematik.
Die Effekte der Geodynamik lassen sich mit geodätischen Raumverfahren beobachten. Die unterschiedliche Massendichte der aufsteigenden und absinkenden Konvektionsströme hat wegen der Massenanziehung (Gravitation) einen Einfluss auf die Schwereanomalien und das Geoid. Aus deren Interpretation können somit Rückschlüsse auf die Geodynamik gezogen werden.
Die Auswirkung der Geodynamik auf die Änderung der Erdrotation (Polbewegung und Variation der Geschwindigkeit der Rotation der Erde) lässt sich mit geodätischen Raumverfahren, vor allem VLBI und Global Positioning System messen. Die Variationen haben die Größenordnung von Tausendstel Bogensekunden (m arc sec) in der Richtung der Rotationsachse (entsprechend einigen Zentimetern in der Lage des Erdrotationspols) und Hunderttausendstel Zeitsekunden in der Tageslänge (Änderung der Rotationsgeschwindigkeit pro Tag).
Die Deformationen der Erde aufgrund der Geodynamik können ebenfalls mit geodätischen Raumverfahren gemessen werden. Die Plattenkinematik, d. h. die Bewegung der festen Lithosphäreplatten, die maximal etwa 15 cm/- Jahr beträgt, lässt sich mit Genauigkeiten von Millimeter pro Jahr durch GPS und SLR zu Satelliten sowie VLBI bestimmen.
HDS
Literatur: [1] SCHEIDEGGER, A.E. (1982): Principles of Geodynamics. Springer-Verlag. Berlin. [2] TURCOTTE, D.L. & SCHUBERT, G. (1982): Geodynamics-Application of Continuum Physics to Geological Problems. J. Wiley & Sons. New York. [3] Die Dynamik der Erde: Bewegungen, Strukturen, Wechselwirkungen. Spektrum-der-Wissenschaft-Verlagsgesellschaft, Heidelberg 1987. [4] Geodynamik und Plattentektonik. Spektrum-der-Wissenschaft-Verlagsgesellschaft, Heidelberg 1995.
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