Direkt zum Inhalt

Lexikon der Kartographie und Geomatik: Karte

Karte
Jürgen Bollmann, Trier
Eine Karte, E map, ist eine grundrissbezogene graphische Repräsentation georäumlichen Wissens auf der Basis kartographischer Abbildungsbedingungen. Der Stellenwert der Karte als zentrales Erkenntnisobjekt der Kartographie hat sich aufgrund der Veränderung ihrer Herstellung und Nutzung kontinuierlich entwickelt. Bei früheren grundlegenden Definitionen wurde zuerst von der Karte als "Grundrissdarstellung" und später als "graphisches Modell der Realität" ausgegangen. In den letzten Jahren setzte sich die Sicht als "graphische Repräsentationsform" durch (Internationale Kartographische Vereinigung, ICA 1996), bei der der Unterstützungscharakter der Karte im Rahmen kartographischer Kommunikationsprozesse zur visuellen Aufnahme und kognitiven Repräsentation von georäumlichen Daten impliziert wird. Georäumliche Daten werden in graphischen Karten optisch als kartographisches Wissen repräsentiert und visuell in Form von kartographischen Informationen abgeleitet. Andere kartographische Repräsentationsformen sind digitale Karten (Abb.) zur elektronischen Verarbeitung im Computer, akustische Audiokarten oder Sprachkarten zur auditiven Wahrnehmung z. B. in Fahrzeugnavigationssystemen und Blindenkarten zur taktilen Wahrnehmung. Das in Karten repräsentierte Wissen resultiert aus Geodaten und deren semantischen Bedeutungen, die in Form von Objekten, Klassen von Objekten (Begriffen) oder Sachverhalten (Aussagen) des Georaums beschrieben werden. In Karten abgebildet werden sichtbare materielle Merkmale von Objekten sowie Merkmale und Eigenschaften abstrakter bzw. theoretischer Sachverhalte, die vor allem durch die mit georäumlichem Bezug arbeitenden Natur- und Gesellschaftswissenschaften erfasst, strukturiert und genutzt werden.
Die Struktur des Wissensangebots in Karten wird durch unterschiedliche kartographische Abbildungen bestimmt. So wirken auf die Struktur von Karten a) die mithilfe von Kartennetzentwürfen verebnete sphärische Erdoberfläche, b) die durch einen definierter Blickpunkt entstehende perspektivische Sicht auf die Oberfläche, c) die durch Georeferenzierung die lagemäßig verorteten Objektgrundrisse, d) das Verkleinerungsverhältnis gegenüber der Realität (Maßstab), e) die durch kartographische Generalisierung reduzierten bzw. abstrahierten und zeitlich eingebundenen spezifischen Geodaten sowie f) deren Kodierung durch graphische Zeichen (Objekt-Zeichen-Referenzierung).
Der Charakter von Karten kann theoretisch durch Modelle beschrieben werden (Kartenmodell). Dabei werden modelltheoretisch verschiedene Analogien zwischen Modell und Original also zwischen Karte und abgebildeter Realität bzw. Wissen, das die Realität mental repräsentiert, unterschieden. Ziel ist einerseits, die unterschiedlichen Wirkungen von Karten herauszufinden und andererseits die verschiedenen Modellansätze für die theoretische, empirische und technologische Erkenntnisgewinnung in der Kartographie zu nutzen (vgl. kartographische Modellbildung).
Die Relevanz des Mediums Karte und die Unterschiede von Karten gegenüber verwandten oder anderen Medien wie 3D-Darstellungen, raumbezogenen Animationen, Texten, Diagrammen und Bildern (kartographische Medien) resultiert aus den Wirkungseigenschaften kombinierter Abbildungsbedingungen. Die zentralen kartographischen Abbildungseigenschaften, wie bildhafte Grundrissbezogenheit und maßstäbliche Verkleinerung, ermöglichen eine fokussierte und komprimierte Sicht auf den abgebildeten Raum, was zu einem einheitlichen Überblick über sonst nicht zusammenhängend einsehbare Raumbereiche führt. Neben diesem Überblickscharakter von Karten wird durch Reduzierung, Abstraktion und fragestellungsorientierte Spezialisierung von Merkmalen der Realität die georäumliche Wissensbildung unterstützt (kartographische Abstraktion), indem inhaltliche und räumliche Zusammenhänge schnell, umfassend und vergleichbar kognitiv aufgenommen und in Form von mentalen Mustern verarbeitet werden können.
Aus dem spezifischen Abbildungscharakter von Karten ergeben sich allerdings auch bestimmte Einschränkungen für die mentale Verarbeitung repräsentierten Wissens. So sind aufgrund der einseitig grundrissbezogenen Abbildung und aufgrund der vom Kartennutzer nicht immer einsehbaren, aus der Verkleinerung resultierenden Verzerrungen, erhebliche gedankliche Leistungen erforderlich, um diese abbildungsbedingten Wirkungen durch verfügbares georäumliches Wissen zu ergänzen.
In den letzten zweitausend Jahren hat sich ein erheblicher Wandel der in Karten abgebildeten Thematiken und der daraus resultierenden Kartennutzung ergeben (Kartographiegeschichte). Die wichtigsten Anwendungsbereiche von Karten sind heute die Geowissenschaften einschließlich der Geographie, die Geodäsie und das Vermessungswesen, die Umwelt- und die Planungswissenschaften sowie ihrer Organe, ferner behördliche Bereiche, Versorgungs-, Verkehrs- und Ingenieurbereiche sowie Bereiche der Bildung, der Medien und des Tourismus (Angewandte Kartographie).
Karten dienen u. a. der Unterstützung von raumbezogenen Handlungen. Sie lassen sich aus traditioneller Sicht in topographische Karten und thematische Karten untergliedern und häufig aufgrund ihrer themenspezifischen Bezeichnung, wie geowissenschaftliche Karten, Umweltkarten oder Planungskarten, unmittelbar entsprechenden Bereichen zuordnen (Kartenklassifikation). Neue Anwendungsbereiche entstehen im Zusammenhang mit der Herstellung und Nutzung von digitalen und graphischen Karten als Bildschirmkarten bzw. von Karten im Rahmen von Informations-, Auskunfts-, Navigations- und Lernsystemen (Kartenklassifikation).
Aus der Nutzung von Karten hat sich deren graphischer Aufbau entwickelt. Neben dem eigentlichen graphischen Kartenbild mit textlichen Erläuterungen und den der Lageorientierung dienenden Kartennetzen kommen vor allem dem Kartentitel, den Angaben zum Maßstab und der sprachlichen und ggf. numerischen Erläuterung der in den Karten verwendeten Kartenzeichen (Legende) wichtige Funktionen zu.
Die konzeptionelle und technische Herstellung von Karten hat sich in den letzten Jahrhunderten ten erheblich verändert (Kartenherstellung). So ist es aufgrund der häufig fachspezifischen Thematiken, der erforderlichen Einbindung in aufgabenbezogene kartographische Handlungsfelder und vor allem der Einbindung in teilautomatische elektronische Systeme nur noch zum Teil erforderlich, Karten auf der Basis individueller Erfahrungen zu konzipieren und technisch herzustellen. Im Zusammenhang mit Ansätzen der kartographischen Zeichentheorie und der kartographischen Informatik werden Erkenntnisse über abzubildende Datenstrukturen, über Zeichensysteme, über die Referenzierung datenbezogenen Wissens im Kartenmuster und die graphische Gestaltung bzw. Repräsentation von Karten formal beschrieben und im Rahmen von kartographischen Modellierungsprozessen, meistens rechnergestützt, für die konkrete Darstellung von Karten eingesetzt (kartographische Darstellung). Auch die Nutzung von Karten wird in Form von Kommunikationsschemata formalisiert, und für den Nutzer im Voraus z. B. in Geoinformationssystemen zur individuellen Anwendung angelegt. Dabei führen die technischen Möglichkeiten elektronischer Karten zu ganz neuen Präsentationsformen am Bildschirm (kartographische Präsentation), wie etwa die variable Präsentation von Kartensequenzen, der interaktive Eingriff in Karten (interaktive Karten), die Verknüpfung mit anderen Medien sowie die Einbindung von Karten in andere Medienumgebungen (kartographische Medien). Insgesamt entwickeln sich Karten zu integrierten Medien- oder Kartensystemen, bei denen sowohl die Herstellung als auch die gezielte Veränderung und visuelle Nutzung in einem einzigen Prozess erfolgt und weitgehend vom Kartennutzer gesteuert wird.

Literatur: [1] HAKE, G. & GRÜNREICH, D. (1994): Kartographie. Berlin, New York. [2] ROBINSON, A. et al. (1995): Elements of Cartography, New York.


KarteKarte: Formen der kartographischen Repräsentation.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Die Autoren

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Lexikons der Kartographie und Geomatik

Herausgeber und Redaktion (jew. mit Kürzel)

JBN

Prof. Dr. Jürgen Bollmann, Universität Trier, FB VI/Kartographie

WKH

Prof. Dr. Wolf Günther Koch, Technische Universität Dresden, Institut für Kartographie

ALI

Dipl.-Geogr. Annette Lipinski, Köln

Autorinnen und Autoren (jew. mit Kürzel)

CBE

Prof. Dr. Christoph Becker, Universität Trier, FB Geographie/Geowissenschaften – Fremdenverkehrsgeographie

WBE

Dipl.-Met. Wolfgang Benesch, Offenbach

ABH

Dr. Achim Bobrich, Universität Hannover, Institut für Kartographie und Geoinformatik

GBR

Dr.-Ing. Gerd Boedecker, Bayrische Akademie der Wissenschaften, Kommission für Erdmessung, München

JBN

Prof. Dr. Jürgen Bollmann, Universität Trier, FB Geographie/Geowissenschaften – Abt. Kartographie

WBO

Dr. Wolfgang Bosch, Deutsches Geodätisches Forschungsinstitut, München

CBR

Dr. Christoph Brandenberger, ETH Zürich, Institut für Kartographie, (CH)

TBR

Dipl.-Geogr. Till Bräuninger, Universität Trier, FB Geographie/Geowissenschaften – Abt. Kartographie

KBR

Prof. Dr. Kurt Brunner, Universität der Bundeswehr, Institut für Photogrammetrie und Kartographie, Neubiberg

MBR

Prof. Dr. Manfred F. Buchroithner, TU Dresden, Institut für Kartographie

EBN

Dr.-Ing. Dr. sc. techn. Ernst Buschmann, Potsdam

WBH

Prof. Dr. Wolfgang Busch, TU Clausthal-Zellerfeld

GBK

Dr. Gerd Buziek, München

ECS

Prof. Dr. Elmar Csaplovics, TU Dresden, Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung

WDK

Prof. Dr. Wolfgang Denk, FH Karlsruhe, Hochschule für Technik, FB Geoinformationswesen

FDN

Doz. Dr. Frank Dickmann, TU Dresden, Institut für Kartographie

RDH

Prof. Dr. Reinhard Dietrich, TU Dresden, Institut für Planetare Geodäsie

DDH

Dr. Doris Dransch, Berlin

HDS

Prof. Dr. Hermann Drewes, Deutsches Geodätisches Forschungsinstitut, München

DER

Dr. Dieter Egger, TU München, Institut für Astronomische und Physikalisch Geodäsie

RET

Dr. jur. Dipl.-Ing. Rita Eggert, Karlsruhe

HFY

Dipl.-Geogr. Holger Faby, Europäisches Tourismus Institut GmbH an der Universität Trier

GGR

Univ. Ass. Dr. MA Georg Gartner, TU Wien, Institut für Kartographie und Reproduktionstechnik, (A)

CGR

Prof. Dr. Cornelia Gläßer, Martin-Luther-Universität, Halle/S.-Wittenberg, Institut für Geographie

KGR

Dr. Konrad Großer, Institut für Länderkunde, Leipzig

RHA

Dr. Ralph Hansen, Universität Trier, FB Geographie/Geowissenschaften – Physische Geographie

HHT

Dipl.-Met. Horst Hecht, Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie, Hamburg

BHK

Prof. Dr.-Ing. Bernhard Heck, Universität Karlsruhe, Geodätisches Institut

FHN

Dr. Frank Heidmann, Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation, Stuttgart

RHN

Prof. Dr. Reinhard Hoffmann, Universität Trier, FB Geographie/Geowissenschaften – Didaktik der Geographie

KIK

Prof. Dr. Karl-Heinz Ilk, Universität Bonn, Institut für Theoretische Geodäsie

WKR

Dipl.-Geol. Wolfgang Kaseebeer, Universität Karlsruhe, Lehrstuhl für Angewandte Geologie

KKN

Prof. Dr. Ing. Karl-Hans Klein, Bergische Universität Wuppertal, FB 11, Vermessungskunde/ Ingenieurvermessung

AKL

Dipl.-Geogr. Alexander Klippel, Universität Hamburg, FB Informatik

CKL

Dr. Christof Kneisel, Universität Trier, FB Geographie/Geowissenschaften – Physische Geographie

WKH

Prof. Dr. Wolf Günther Koch, Technische Universität Dresden, Institut für Kartographie

IKR

Prof. Dr. Ingrid Kretschmer, Universität Wien, Institut für Geographie und Regionalforschung, (A)

JKI

Dr. Jan Krupski, Universität Wroclaw (Breslau), Institut für Geographie, (PL)

CLT

Dipl.-Geogr. Christian Lambrecht, Institut für Länderkunde, Leipzig

ALI

Dipl.-Geogr. Annette Lipinski, Köln

KLL

Dr. Karl-Heinz Löbel, TU Bergakademie Freiberg

OMF

Dr. Otti Margraf, Beucha

SMR

Prof. Dr. Siegfried Meier, TU Dresden, Institut für Planetare Geodäsie

SMI

Dipl.-Geogr. Stefan Neier-Zielinski, Basel (CH)

GML

Dr. Gotthard Meinel, Institut für Ökologische Raumentwicklung, Dresden

RMS

Roland Meis, Puls

BMR

Prof. Dr. Bernd Meißner, Technische Fachhochschule Berlin, FB 7

MMY

Doz. Dr. Dipl.-Ing. Miroslav Miksovsky, TU Prag, Fakultät Bauwesen, (CZ)

AMR

Dr. Andreas Müller, Universität Trier, FB Geographie/Geowissenschaften – Abt.Kartographie

JMR

Dr.-Ing. Jürgen Müller, TU München, Institut für Astronomische und Physikalische Geodäsie

MND

Dr. Maik Netzband, Universität Leipzig, Institut für Geographie

JNN

Prof. Dr. Joachim Neumann, Wachtberg

ANL

Dr. Axel Nothnagel, Universität Bonn, Geodätisches Institut

FOG

Prof. Dr. Ferjan Ormeling, Universität Utrecht, Institut für Geographie, (NL)

NPL

Dr. Nikolas Prechtel, TU Dresden, Institut für Kartographie

WER

Dr. Wolf-Dieter Rase, Bundesamt für Städtebau und Raumplanung, Abt. I, Bonn

KRR

Prof. Dr. em. Karl Regensburger, TU Dresden, Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung

WRT

Prof. Dr. Wolfgang Reinhardt, Universität der Bundeswehr, Institut für Geoinformation und Landentwicklung, Neubiberg

HRR

Heinz W. Reuter, DFS Deutsche Flugsicherung GmbH, Offenbach

SRI

Dipl.-Geogr. Simon Rolli, Basel (CH)

CRE

Dipl.-Ing. Christine Rülke, TU Dresden, Institut für Kartographie

DSB

PD Dr. Daniel Schaub, Aarau (CH)

MST

Dr. Mirko Scheinert, TU Dresden, Institut für Planetare Geodäsie

WSR

Dr.-Ing. Wolfgang Schlüter, Wetzell

RST

Dr. Reinhard-Günter Schmidt, Universität Trier, FB Geographie/Geowissenschaften – Physische Geographie

JSR

PD Dr. Ing. Johannes Schoppmeyer, Universität Bonn, Institut für Kartographie und Geoinformation

HSN

Prof. Dr. Heidrun Schumann, Universität Rostock, Institut für Computergraphik, FB Informatik

BST

PD Dr. Brigitta Schütt, Universität Trier, FB Geographie/Geowissenschaften – Physische Geographie

HSH

Prof. Dr.-Ing. Harald Schuh, TU Wien, Institut für Geodäsie und Geophysik, (A)

GSR

Prof. Dr. Günter Seeber, Universität Hannover, Institut für Erdmessung

KSA

Prof. Dr. Kira B. Shingareva, Moskauer Staatliche Universität für Geodäsie und Kartographie, (RU)

JSS

Dr. Jörn Sievers, Bundesamt für Kartographie und Geodäsie, Frankfurt

MSL

Prof. Dr. Michael H. Soffel, TU Dresden, Lohrmann-Observatorium

ESS

Prof. Dr. em. h.c. Ernst Spiess, Forch (CH)

WSS

Doz. i.R. Dr. Werner Stams, Radebeul

MSR

Dipl.-Geogr. Monika Stauber, Berlin

KST

Prof. Dr. em. Klaus-Günter Steinert, TU Dresden, Lohrmann-Observatorium

PTZ

Dr. Peter Tainz, Universität Trier, FB Geographie/Geowissenschaften – Abt. Kartographie

ETL

Dr. Elisabeth Tressel, Universität Trier, FB VI/Physische Geographie

AUE

Dr. Anne-Dore Uthe, Institut für Stadtentwicklung und Wohnen des Landes Brandenburg, Frankfurt/Oder

GVS

Dr.-Ing. Georg Vickus, Hildesheim

WWR

Dipl.-Geogr. Wilfried Weber, Universität Trier, FB Geographie/Geowissenschaften – Abt. Kartographie

IWT

Prof. Dr. Ingeborg Wilfert, TU Dresden, Institut für Kartographie

HWL

Dr. Hagen Will, Gießen

DWF

Dipl.-Ing. Detlef Wolff, Leverkusen

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.