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Lexikon der Kartographie und Geomatik: kartographische Forschung

kartographische Forschung, E cartographic research, Gesamtheit der systematischen Bemühungen um Erkenntnisse im Rahmen der Kartographie als Wissenschaft (wissenschaftliche Erkenntnisgewinnung im Bereich der Kartographie). Nachdem bis ins 19. Jh. kartographische Kenntnisse und Erkenntnisse aus der praktischen Erfahrung bei der Kartenherstellung gewonnen wurden und dieses Erfahrungswissen der nachfolgenden Generation von Kartographen weitergegeben wurde, gab es die ersten Ansätze moderner kartographischer Forschung bei K.  Peucker und M.  Eckert am Anfang des 20. Jhs. Stark mathematisch ausgerichtete Arbeiten zu Kartennetzentwürfen prägten jedoch noch deutlich und recht einseitig das Profil kartographischer Forschung. Mit M. Eckerts zweibändiger Monographie "Die Kartenwissenschaft" wurden 1921/22 erstmalig in größerem Umfang Ergebnisse komplexer kartographischer Forschung publiziert, wenn diese auch heutigen wissenschaftlichen Anforderungen noch nicht entsprachen (vgl. Wissenschaftsgeschichte der Kartographie).
Die weitere Entwicklung von Forschungsaktivitäten war bis zur Mitte des 20. Jhs. insbesondere an individuelle Aktivitäten von Hochschullehrern an einzelnen geographischen Instituten der Universitäten gebunden. In der Schweiz (E.  Imhof) und in der damaligen Sowjetunion waren zu Beginn der 1920er Jahre aber auch schon kartographische Hochschulinstitute gegründet worden, die Forschungsprojekte bearbeiteten. Ein staatliches wissenschaftliches Forschungsinstitut für Geodäsie, Luftbildaufnahme und Kartographie wurde 1929 in Moskau gegründet; weitere folgten. Das von M. Eckert in den 1930er Jahren für Deutschland geforderte kartographische Forschungsinstitut wurde nicht realisiert. Eine mit anderen Wissenschaften vergleichbare Forschungslandschaft bildete sich auf dem Gebiet der Kartographie erst in der zweiten Hälfte des 20. Jhs. heraus.
Die heutige Situation stellt sich wie folgt dar. Nach dem Forschungsanliegen ist kartographische Forschung entweder Grundlagenforschung, die an der Vervollkommnung der Erkenntnisgrundlagen und der kartographischen Theorien arbeitet, oder angewandte Forschung, die die Lösung einzelner konkreter praktischer Anliegen (Projekte) durch zielgerichtete Auswertung und Anwendung von Forschungsergebnissen zum Ziel hat. Völlig zweckfreie Forschung, die nur der Ausweitung des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes dient, kann in der Kartographie als Ausnahme gelten. Die Gegenstände bzw. Inhalte kartographischer Forschung sind breit gefächert und ergeben sich aus dem Wissenschaftsgebäude (vgl. Allgemeine Kartographie, Angewandte Kartographie, wissenschaftstheoretische Grundlagen der Kartographie, Regionale Kartographie). Die Schwerpunkte der Forschung, die bis in die 1960er Jahre auf den Gebieten Kartengestaltung, Kartenbearbeitung und Kartenherstellung (im konventionellen Sinn) lagen, haben sich nach dem Ende der klassischen Ära der Kartographie etwa ab 1970 hin zu Problemfeldern der Wahrnehmung von kartographischen Inhaltsstrukturen (Kartennutzung) unter Berücksichtigung Informations-, kommunikations-, modell- und zeichentheoretischer Aspekte sowie zur digitalen kartographischen Informationsverarbeitung (Automatisierung kartographischer Prozesse), Kartographischen Informationssystemen, Geoinformationssystemen und (seit den 1990er Jahren) interaktiven multimedialen Systemen hin verschoben. Der Gesamtprozess der kartographischen Generalisierung ist etwa seit 1960 ständiger Forschungsgegenstand, ebenso verschiedenste Fragestellungen der Kartographiegeschichte.
Kartographische Forschung ist vorwiegend Hochschulforschung, sowohl als Grundlagen- als auch als angewandte Forschung. Entsprechende Projekte werden u. a. von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), von der Europäischen Union (EU), von Bundes- und Landeseinrichtungen finanziert bzw. gefördert. Verschiedentlich vergeben auch Betriebe der gewerblichen Kartographie und der behördlichen Kartographie Forschungsaufträge; eine dem Bereich "Forschung und Entwicklung" zuzuordnende eigenständige kartographische Forschung in der gewerblichen Kartographie (Industrieforschung) ist nur vereinzelt ausgebildet; in der behördlichen Kartographie wurden bzw. werden verschiedentlich entwicklungsbezogene Forschungsprojekte teils eigenständig, teils in Kooperation mit Forschungspartnern durchgeführt (z. B. das Projekt ATKIS). Weitgehend eigenständige kartographische Entwicklungen betreibt der militärische Bereich (MilGeo-Dienst).
Die Ergebnisse kartographischer Forschung werden in Publikationen verschiedener Art vorgestellt und dokumentiert (Fachzeitschriften, Institutsreihen der Hochschulen und Forschungsstellen, Vortragsbände von wissenschaftlichen Tagungen, Monographien usw.). Internationale Höhepunkte wissenschaftlichen Meinungsaustausches zu Ergebnissen kartographischer Forschung sind die Internationalen Kartographischen Konferenzen der Internationalen Kartographischen Vereinigung, die in zweijährigem Abstand stattfinden.

WKH

Literatur: [1] ARNBERGER, E. (1977): 10 Jahre Institut für Kartographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. In: Mitteilungen der Österr. Geogr. Gesellschaft, Bd. 119, II, 262-272. [2] GRÜNREICH, D. (1993): Stand der Forschung und Entwicklung in der digitalen Kartographie. In: Kartographische Schriften, Bd. 1, Bonn, 10-18. [3] BOLLMANN, J. (1996): Anmerkungen zur kartographischen Erkenntnisgewinnung auf der Grundlage neuer kommunikativer Rahmenbedingungen. In: Kartogr. Nachrichten, Jg. 46, 207-212. [4] FREITAG, U. (1998): Vier Jahrzehnte Kartographie im Informationszeitalter. In: Kartographische Bausteine, Bd. 14, TU Dresden, 5-24.

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RST

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GSR

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JSS

Dr. Jörn Sievers, Bundesamt für Kartographie und Geodäsie, Frankfurt

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