Lexikon der Kartographie und Geomatik: Kartographische Kommunikation
Kartographische Kommunikation
Peter Tainz, Trier
Aufbauend auf dem allgemeinen Kommunikationsbegriff umfasst kartographische Kommunikation, E cartographic communication, die ein- oder mehrseitigen Übertragungsprozesse bei der Aufnahme, der Verarbeitung und dem Austausch von raumbezogenen Informationen mittels Karten und anderen kartographischen Medien auf der Grundlage eines gemeinsamen Zeichenvorrats, den Kartenzeichen und der Sprache. Vorwiegende Ziele dieser Übertragungsprozesse sind die georäumliche Erkenntnisgewinnung bzw. - erweiterung, die raum- bzw. umweltbezogene Bewusstseinsbildung sowie die Steuerung von Verhalten und Handeln im Raum (vgl. kartographische Information, kartographische Informationsverarbeitung). Übermittelt werden im Rahmen der kartographischen Kommunikation neben den georäumlichen Informationen kommunikationsrelevante Merkmale und Bedingungen der Aufnahme, Verarbeitung oder des Austausches von Informationen. Diese können den zur Kommunikation erforderlichen gemeinsamen Zeichenvorrat beispielsweise in Form von Beschreibungsinformationen prozess- und zielorientiert ergänzen.
Allgemeine Kommunikation und Informationstheorie
Der allgemeine Kommunikationsbegriff, abgeleitet aus dem lateinischen Wort für Verbindung, Zusammenhang und Verkehr, beschreibt die Übermittlung von Nachrichten zwischen Menschen auf der Grundlage eines gemeinsamen Zeichenvorrats als notwendige Voraussetzung für das Zusammenleben der Menschen in sozialen Gemeinschaften. Die Informationsträger einer Nachricht bilden dabei akustische und optische Signale. Kommunikation ist auch ein Grundbegriff in der Existenzphilosophie Karl Jaspers, nach dem jeglicher menschlichen Existenz das Bedürfnis nach Informationsaustausch als Grundlage für Denken und Handeln immanent ist. Die Motive, Bedingungen und Wirkungen der Kommunikation seien nach Jaspers deshalb "durchsichtig zu machen".
Im Zusammenhang mit der Entwicklung und Einführung der Datenverarbeitung in den 1970er Jahren haben die Kybernetik und die Informationstheorie den Begriff der Informationsübermittlung zunächst erheblich erweitert, indem jede Art der Übermittlung von Informationen zwischen dynamischen Systemen bzw. zwischen Teilsystemen solcher Systeme, die zur Aufnahme, Speicherung, Weiterverarbeitung und zum Austausch fähig sind, einbezogen wurden. Systeme, die Informationen aussenden, neben Menschen demnach also auch Organismen und Maschinen, wurden dabei als Sender bezeichnet; die diese Informationen aufnehmenden Systeme dagegen als Empfänger. Werden Informationen zwischen zwei dynamischen Systemen ausgetauscht, so spricht der klassische Kommunikationsbegriff von einer informationellen Kopplung zwischen diesen Systemen.
Neuere Ansätze in den Kommunikations- und Kognitionswissenschaften, der Informatik und der Kartographie definieren Kommunikation erneut als Übermittlung und Austausch von Informationen mit dem Ziel der ausschließlich von Menschen zu bewältigenden Informationsverarbeitung. Gegenstand der Kommunikationswissenschaft als eine der allgemeinen Sprachwissenschaft und der Informatik übergeordnete Wissenschaft sind dementsprechend u. a. informationelle Kopplungen zwischen Menschen, die sich dazu bestimmter Sprachen bedienen.
Informationstheorie in der Kartographie
In der Kartographie wurde der Kommunikationsbegriff nachhaltig erstmals in den 1970er Jahren im Zusammenhang mit der kybernetischen sowie zeichen- und informationstheoretischen Betrachtung der Kartenherstellung und Kartennutzung untersucht. Aufgrund der zu dieser Zeit modernen Erkenntnis, dass Karten nur dann funktionieren, wenn bei ihrer Konzeption auch die Bedingungen ihrer Nutzung berücksichtigt werden, wurde dabei der Begriff der kartographischen Information im Rahmen eines kartographischen Sender-Kanal-Empfänger-Modells geprägt. Außerdem entstanden theoretisch und methodisch orientierte Arbeitsbereiche der Kartographie, deren Aufgabe auch heute noch die zeichentheoretische Beschreibung und Untersuchung einzelner Komponenten des kartographischen Kommunikationsprozesses ist. Der in diesem Zusammenhang modellhaft als kartographische Kommunikationskette beschriebene Kommunikationsprozess wurde dabei als ein System von Elementen der kartographischen Informationsübermittlung mit bestimmenden ("determinierenden") Faktoren aufgefasst, welches den Erfolg kartographischer Kommunikation maßgeblich steuert (Abb. 1).
Kartographische Kommunikationsprozesse werden heute allerdings auf der Grundlage von Begriffs-, Daten- und Graphikmodellen (vgl. kartographisches Datenmodell, kartographisches Zeichenmodell) differenzierter beschrieben (Abb. 2) und lassen sich darüber hinaus nicht mehr nur statisch im Sinne einer Trennung von Kartenherstellung und Kartennutzung auffassen. In kartographischen Informationssystemen ist der Kartennutzer vielmehr auch gleichzeitig Kartenhersteller bzw. der mit Hilfe von Kommunikationssystemen die Kartengenerierung interaktiv auslösende und die Kartennutzung aktiv steuernde Systemnutzer (dialogorientierte Kommunikation, kartographische Bildschirmkommunikation) (Abb. 3).
Merkmale und Bedingungen der Kommunikation mit Karten
Die grundlegenden Faktoren kartographischer Kommunikationsprozesse im Sinne eines Kommunikationskontextes bilden die Funktionen der Kartennutzung im Rahmen kartographischer Handlungsfelder bzw. die aus diesen ableitbaren kommunikativen Funktionsmerkmale und die mit der konkreten Nutzung verbundenen situativen Bedingungen (Kommunikationssituation). Funktionen der Kartennutzung sind: a) die Orientierung im Georaum und die Navigation im Gelände und in der Umwelt, b) die Gewinnung von georäumlichen Überblicksinformationen und neuen Erkenntnissen, c) das Ausmessen, Analysieren und Überprüfen von Informationen sowie d) das Lernen mit georäumlichen Informationen und letztendlich e) das Dokumentieren und Archivieren georäumlicher Erkenntnisse.
Kommunikationsbezogene Merkmale, die diese Nutzungsfunktionen kennzeichnen, sind beispielsweise fachliche Konventionen bei der Dokumentation von geowissenschaftlichen Forschungsergebnissen oder systematische Strukturen zur Archivierung von Karten. Bei der Gewinnung von neuen Informationen und Erkenntnissen sowie beim Lernen erfordern dagegen beispielsweise die unterschiedlichen Erkenntnisziele und Merkmale von visuell-kognitiven Operationen im kartographischen Wahrnehmungsraum u. a. spezifische Interaktions- und Unterstützungsformen bei der Informationsübermittlung. Funktionsmerkmale, die beim Messen, Analysieren und Überprüfen von Informationen mitübertragen werden müssen, sind z. B. Anforderungen an räumliche Bezugssysteme oder qualitative und quantitative Begriffs- und Wertesysteme.
Als zweiten Faktorenbereich bestimmen in Karten und kartographischen Medien Eigenschaften und Merkmale der Abbildung georäumlicher Daten die Ausrichtung des Kommunikationsprozesses auf die Funktionen der Kartennutzung. So erfordert die Übermittlung von georäumlichen Detailinformationen beim Messen, Analysieren und Überprüfen prinzipiell andere Angaben zum Maßstab und zum Kartennetzentwurf als die Übermittlung von Übersichtsinformationen. Das Lernen mit georäumlichen Informationen hängt dagegen in starkem Maße von der Abstraktion der Abbildung in Karten ab. Abstrakte Kartenzeichen erfordern beispielsweise die Übermittlung umfangreicherer Erläuterungen als bildhafte Zeichen.
Der dritte Faktorenbereich wird durch den Kartennutzer gebildet, den unterschiedlich spezifisches Fachwissen, individuelle Fähigkeiten und situative Einstellungen und Motivationen kennzeichnen (Kommunikationsfähigkeit). Die sich daraus ergebenden spezifischen kommunikationsbezogenen Merkmale und Bedingungen der Aufnahme, Verarbeitung und des Austausches von georäumlichen Informationen werden in der empirischen Kartographie analysiert und können kartographischen Kommunikationsprozessen beispielsweise in Form von Metainformationen und Metadaten zugeführt werden.
Die Gesamtheit der funktionalen, abbildungsbezogenen und nutzerorientierten Merkmale und Bedingungen der Kommunikation mit Karten können im Rahmen von rechnergestützten Kommunikationsprozessen durch Nutzungsprofile und Nutzerprofile übermittelt werden. Mit deren Hilfe lässt sich die Präsentation von Karten zielorientiert ausrichten und damit an die Prozesse der kartographischen Kommunikation anpassen.
Literatur: [1] BOLLMANN, J.: (1977): Probleme der kartographischen Kommunikation. Bonn-Bad Godesberg. [2] FREITAG, U. (1993): Map Functions. In: Cartographica, 30/2, S. 1-6. [3] OGRISSEK, W. (1987): Theoretische Kartographie. Gotha. [4] TAINZ, P. (1997): Kommunikationsansätze zur Präsentation kartographischer Bildschirminformation. (Beiträge zur kartographischen Informationsverarbeitung, Band 11), Trier. [5] HAKE, G. (1973): Kartographie und Kommunikation. In: Kartographische Nachrichten 23/4, S. 137-148. [6] UTHE, A.-D. (1991): Kartographische Kommunikationsschnittstelle zur Verarbeitung geowissenschaftlicher Daten. (Beiträge zur kartographischen Informationsverarbeitung, Bd. 3), Trier.
Kartographische Kommunikation 1:Kartographische Kommunikation 1: Prozess der Kommunikation kartographischer Information (Iv = verbalsprachliche Information, Ik = kartographische Information) (nach Koláčný, 1970).
Kartographische Kommunikation 2:Kartographische Kommunikation 2: Informationsfluss in der dialogischen kartographischen Kommunikation (verändert nach U. Freitag, 2001).
Kartographische Kommunikation 3:Kartographische Kommunikation 3: Kommunikation mit Bildschirmkarten.
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