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Lexikon der Mathematik: bedingte Wahrscheinlichkeit bezüglich einer Unter-σ-Algebra

bedingte Erwartung der Indikatorvariablen eines Ereignisses.

Sei (Ω, 𝒜, P) ein Wahrscheinlichkeitsraum, 𝒞 ⊂ 𝒜 eine Unter-σ-Algebra und A ∈ 𝒜. Dann heißt jede Version E(1A|𝒞) der bedingten Erwartung der Indikatorvariablen 1A von A bezüglich 𝒞 bedingte Wahrscheinlichkeit von A bezüglich 𝒞, in Zeichen P(A|𝒞).

P(A|𝒞) ist also eine 𝒞-meßbare numerische Zufallsvariable mit P(A|𝒞) ≥ 0 und \begin{eqnarray}\displaystyle \mathop{\int }\limits_{C}P(A|{\mathscr{C}})dP=P(A\cap C)\, & \mathrm{fur\; alle}\,C\in {\mathscr{C}},\end{eqnarray}und durch diese Eigenschaften ist P(A|𝒞) fast sicher (f.s.) eindeutig bestimmt.

Wird 𝒞 = σ(Yi; iI) von einer Familie (Yi)iI von Zufallsvariablen Yi : (Ω, 𝒜) → (Ei, ϵi) mit Werten in Meßräumen (Ei, ϵi) erzeugt, so nennt man P(A|𝒞) bedingte Wahrscheinlichkeit von A gegeben (Yi)iI und schreibt statt P(A|𝒞) auch P(A|Yi, iI) bzw. P(A|Y1, …, Yn), falls I = {1, …, n}.

Der Zusammenhang der bedingten Wahrscheinlichkeit bezüglich einer Unter-σ-Algebra 𝒞 mit dem Begriff der bedingten Wahrscheinlichkeit wird deutlich, wenn 𝒞 von paarweise disjunkten Mengen A1, …, An ∈ 𝒜 mit Ω = A1 ∪ … ∪ An sowie P(Ai) > 0, i = 1, …, n erzeugt wird. Für A ∈ 𝒜 ist dann \begin{eqnarray}P(A|{\mathscr{C}})(\omega )=P(A\cap {A}_{i})/P({A}_{i})=P(A|{A}_{i}),\end{eqnarray}falls ωAi, und man nennt P(A|𝒞) auch bedingte Wahrscheinlichkeit von A bezüglich der Zerlegung A1, …, An.

Betrachtet man z. B. den durch Ω := {1, 2, …, 6}, A := {A|A ⊂ Ω} und P({i}) := 1/6, i = 1, …, 6, gegebenen Wahrscheinlichkeitsraum, der das Würfeln mit einem Würfel beschreibt und definiert A := {4, 5, 6}, A1 := {1, 2, 3, 4}, A2 := {5, 6} sowie \({\mathscr{C}}=\{\rlap{/}{0},{A}_{1},{A}_{2},\Omega \}\), so ist P(A|𝒞)(ω) = 1/4, falls ωA1 und P(A|𝒞)(ω) = 1 andernfalls.

Die Eigenschaften der bedingten Wahrscheinlichkeit bezüglich einer Unter-σ-Algebra 𝒞 ⊂ 𝒜 folgen aus denen der bedingten Erwartung. Insbesondere gilt:

  1. A ∈ 𝒜 ⇒ 0 < P(A|𝒞) < 1 f.s.;
  2. P(Ω|𝒞) = 1 f.s. und \(P(\rlap{/}{0}|{\mathscr{C}}\}=0\) f.s.;
  3. A1, A2, … ∈ 𝒜 paarweise disjunkt ⇒ P(∪Ai|𝒞) = ∑P(Ai|𝒞) f.s..

Daraus folgt nicht, daß die Abbildung AP(A|𝒞)(ω) f.s. ein Wahrscheinlichkeitsmaß auf 𝒜 ist. Man nennt eine Abbildung K : Ω × 𝒜 → [0, 1], (ω, A) — K(ω, A) eine reguläre bedingte Wahrscheinlichkeit bezüglich 𝒞 oder auch einen zu 𝒞 gehörigen Erwartungskern, falls folgendes gilt:

  1. K(ω, ·) ist für alle ω ∈ Ω ein Wahrscheinlichkeitsmaß auf (Ω, 𝒜) ;
  2. K(·, A) ist für alle A ∈ 𝒜 eine bedingte Wahrscheinlichkeit von A bezüglich 𝒞.

Ist 𝒞 die von einer Zufallsvariablen Y erzeugte σ-Algebra, so nennt man K auch reguläre bedingte Wahrscheinlichkeit gegeben Y.

Ein hinreichendes Kriterium für die Existenz einer regulären bedingten Wahrscheinlichkeit bezüglich einer Unter-σ-Algebra gibt folgender Satz:

Sei Ω ein Polnischer Raum, 𝒜 die Borel-σ-Algebra auf Ω und P ein Wahrscheinlichkeitsmaß auf (Ω, 𝒜). Dann existiert zu jeder Unter-σ-Algebra 𝒞 ⊂ 𝒜 eine reguläre bedingte Wahrscheinlichkeit bezüglich 𝒞.

Die bedingte Wahrscheinlichkeit gegeben eine Zufallsvariable Y läßt sich ebenso wie die bedingte Erwartung faktorisieren. Dadurch wird es möglich, eine bedingte Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses gegeben einen Wert von Y zu erklären, auch wenn dieser Wert nur mit Wahrscheinlichkeit Null angenommen wird. Sei (E, ϵ) ein Meßraum, Y eine (E, ϵ)-wertige Zufallsvariable auf (Ω, 𝒜, P) und A ∈ 𝒜. Dann heißt jede bedingte Erwartung E(1A|Y = y) der Indikatorvariablen 1A gegeben Y = y bedingte Wahrscheinlichkeit von A gegeben Y = y, in Zeichen P(A|Y = y).

Das heißt: Ist PY die Verteilung von Y und g : E → ℝ, g(y) := P(A|Y = y),so ist g eine ϵ-meßbare Funktion mit gY = P(A|Y) f.s. und \begin{eqnarray}\displaystyle \mathop{\int }\limits_{B}g\,dPy=P(A\cap \{Y\in B\}) & \mathrm{fur\; alle}\,B\in \varepsilon.\end{eqnarray}

Die Abbildung yP(A|Y = y) ist PY-f.s. eindeutig bestimmt.

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  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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