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Lexikon der Mathematik: Carathéodory, Constantin

Mathematiker, geb. 13.9.1873 Berlin, gest. 2.2.1950 München.

Carathéodory, Sohn eines griechischen Diplomaten in türkischen Diensten, besuchte 1886–1891 ein Gymnasium in Brüssel, dann die Militärschule Belgiens. Während seiner Ingenieurtätigkeit 1898–1900 bei Staudammbauten am Nil bildete er sich autodidaktisch in Mathematik weiter und entschloß sich zum Mathematikstudium, das er 1900–1902 in Berlin und 1902–1904 in Göttingen absolvierte. Nach der Promotion 1904 in Göttingen wurde er 1909 zunächst Professor an der TH Hannover, dann an den Universitäten Breslau 1910, Göttingen 1913 und Berlin 1918. Ab 1920 wirkte er an den griechischen Universitäten in Smyrma (Izmir) und Athen und trat 1924 eine Professur an der Technischen Universität München an, wo er bis zu seinem Tode blieb.

Carathéodory hat die Variationsrechnung um fundamentale Resultate bereichert, eine neue Methode zur Behandlung von Variationsproblemen entwickelt und eine umfassende Theorie unstetiger Lösungen aufgestellt. Es gelang ihm, viele für glatte Kurven bekannte Ergebnisse auf Kurven mit Ecken zu übertragen. Zugleich gewann er neue Einsichten in die Beziehungen zwischen Variationsrechnung und partiellen Differentialgleichungen. Er führte das geodätische Feld ein und konnte mit seiner Methode auch freie Randwerte in der Variationsrechnung mehrfacher Integrale behandeln.

Ein zweites wichtiges Arbeitsgebiet Carathéodorys war die Funktionentheorie. Hier vereinfachte er 1913 den Beweis des Riemannschen Abbildungssatzes wesentlich und stellte eine Theorie der Ränderzuordnung bei diesen Abbildung auf. Weitere Arbeiten betrafen Picards Theorem zur Werteverteilung meromorpher Funktionen und die Entwicklung von Funktionen in Potenzreihen.

In der Theorie der reellen Funktionen und der Maß- und Integrationstheorie markierte Carathéodory mit seinen Arbeiten, speziell dem Buch von 1918, einen Abschluß der von Borel und Lebesgue ausgehenden Entwicklung und den Übergang zu einer axiomatischen Darlegung der Theorie, die er als Algebraisierung der Theorie bezeichnete.

Axiomatisierung war auch ein Thema seiner Beschäftigung mit physikalischen Fragen, bei der er sich u. a. um eine axiomatische Begründung und mathematische Beschreibung der Thermodynamik bemühte. Außerdem widmete er sich Einsteins Spezieller Relativitätstheorie und beteiligte sich an der Edition von Eulers gesammelten Werken.

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  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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