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Lexikon der Mathematik: de l’Hôpitalsche Regeln

Hilfsmittel zur Berechnung des Grenzwertes von reellwertigen Funktionen in speziellen Situationen.

Bei der Berechnung des Grenzwertes von Funktionen stößt man häufig auf das Problem, zum Beispiel den Grenzwert eines Quotienten \(\frac{f(x)}{g(x)}\) für den Fall zu bestimmen, daß f(x) und g(x) beide den Grenzwert 0 oder beide den uneigentlichen Grenzwert ∞ haben. Man spricht dann von unbestimmten Ausdrücken der Form \(\frac{0}{0}\)bzw. \(\frac{\infty }{\infty }\). Dies ist eine suggestive – aber auch leicht mißverständliche! – Schreibweise.

Man muß sich dabei immer vor Augen halten, daß etwa im ersten Fall nicht 0 durch 0 dividiert wird, sondern lediglich die Aufgabe in Kurzform notiert wird, bei gegebenen Funktionen, die (für einen bestimmten Grenzübergang) beide gegen 0 streben, den Quotienten auf sein Grenzverhalten zu untersuchen. Entsprechend sind zu verstehen:

\begin{eqnarray}0\cdot \infty,\ \infty -\infty,{0}^{0},{\infty }^{0}\ \ \rm{und}\ {1}^{\infty }.\end{eqnarray}

Solche Grenzwerte lassen sich häufig einfach über Potenzreihen berechnen, zum Beispiel gilt:

\begin{eqnarray}\frac{{e}^{x}-{e}^{-x}}{x}\to 2\ \ \ \ (0\ne x\to 0),\end{eqnarray}

denn für x = 0 hat man:

\begin{eqnarray}\frac{x-\sin x}{{x}^{3}}\to \frac{1}{6}\ \ \ \ (0\ne x\to 0).\end{eqnarray}

Zum Nachweis dieser Aussage setzt man f(x) := x – sinx, g(x) := x3. Beide Funktionen nehmen an der Stelle 0 den Wert 0 an, streben also gegen 0 für x → 0, da sie stetig sind.

Es liegt also ein unbestimmter Ausdruck der Form \(\frac{0}{0}\) vor. Man berechnet f′(x) = 1 – cosx und g′ (x) = 3x2. Dies ergibt offenbar wieder einen unbestimmten Ausdruck; es scheint daher zunächst, daß die Regel hier gar nicht hilft.

Wendet man die Regel noch einmal an, jetzt auf f′ und g′, so erhält man über f″ (x) = sin x, g′(x) = 6x zwar wieder einen unbestimmten Ausdruck, dessen Grenzwert den meisten Lesern aber vertraut sein dürfte:

\begin{eqnarray}\frac{{f}^{^{\prime\prime} }(x)}{{g}^{^{\prime\prime} }(x)}=\frac{1}{6}\frac{\sin x}{x}\to \frac{1}{6}.\end{eqnarray}

Daher gilt zunächst

\begin{eqnarray}\frac{{f}^{\prime}(x)}{{g}^{\prime}(x)}\to \frac{1}{6}\end{eqnarray}

und so schließlich, wie behauptet

\begin{eqnarray}\frac{f(x)}{g(x)}\to \frac{1}{6}\end{eqnarray}

(für x → 0). (Ohne Kenntnis des Grenzwertes von \(\frac{\sin x}{x}\) hätte eine nochmalige Anwendung der Regel-jetzt auf \(\frac{{f}^{^{\prime\prime} }(x)}{{g}^{^{\prime\prime} }(x)}\)- zum Ziel geführt.)

Für die erforderliche Modifikation im Fall \(\frac{\infty }{\infty }\) und Ergänzungen der de l’Hôpitalschen Regeln sei auf die angegebene Literatur verwiesen.

[1] Heuser, H.: Lehrbuch der Analysis, Teil 1. Teubner-Verlag Stuttgart, 1993.
[2] Hoffmann, D.: Analysis für Wirtschaftswissenschaftler und Ingenieure. Springer-Verlag Berlin, 1995.
[3] Walter, W.: Analysis 1. Springer-Verlag Berlin, 1992.

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  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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