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Lexikon der Mathematik: elementare Sprache

formalisierte Sprache L, deren Ausdrücke oder L-Formeln über einem Alphabet gebildet sind, das folgende Grundzeichen enthält.

  1. Individuenvariablen: x1, x2, x3, …,
  2. Funktionszeichen: f1, f2, f3,…,
  3. Relationszeichen: R1, R2, R3, …,
  4. Individuenzeichen: c1c2, c3,…,
  5. logische Zeichen: ¬, ∧, ∨, →, ↔, ∃, ∀, =,
  6. technische Zeichen: (,).

Die Menge der Individuenvariablen ist stets abzählbar, von den Funktions-, Relations- und Individuenzeichen können in L beliebig viele (endlich viele, abzählbar oder auch überabzählbar viele) vorkommen. Aus diesen Grundzeichen werden durch Aneinanderreihung endliche Zeichenreihen gebildet. Nur bestimmte Zeichenreihen sind sinnvoll, sie werden induktiv als Menge der Terme bzw. der Ausdrücke von L ausgesondert.

Elementare Sprachen sind geeignet, Aussagen über algebraische Strukturen zu machen. Dies setzt voraus, daß die Sprache Namen für die Objekte der Struktur enthält. Ist \({\mathscr{A}}=\langle A,{F}^{A},{R}^{R},{C}^{A}\rangle \) eine algebraische Struktur, dann enthält eine für \({\mathscr{A}}\) geeignete elementare Sprache für jede Funktion \({f}_{i}^{A}\in {F}^{A}\) ein Funktionszeichen fi (fi ist ein Name für die Funktion \({f}_{i}^{A}\)), für jede Relation \({R}_{i}^{A}\in {R}^{A}\) ein Relationszeichen Ri und für jedes Element \({c}_{i}^{A}\in {C}^{A}\) ein Individuenzeichen oder Konstantensymbol ci. Funktions- und Relationszeichen sind mit den gleichen Stellenzahlen versehen wie die entsprechenden Objekte (Funktionen bzw. Relationen), die durch sie bezeichnet werden.

Das Tripel σ = (Fσ, Rσ, Cσ), bestehend aus den Familien Fσ bzw. Rσ aller Stellenzahlen der Funktions- bzw. Relationszeichen und der Anzahl Cσ aller Individuenzeichen von L, heißt Signatur von \({\mathscr{A}}\). Stimmt die Signatur einer gegebenen algebraischen Struktur \({\mathscr{A}}\) mit der der elementaren Sprache L überein, dann ist die Sprache geeignet, um Aussagen über die Struktur zu formulieren. Werden den Funktions-, Relations- und Individuenzeichen entsprechende Funktionen, Relationen bzw. Elemente aus CA zugeordnet, dann ist die Sprache in der Struktur interpretiert.

Verschiedene elementare Sprachen unterscheiden sich höchstens in den Funktions-, Relationsund Individuenzeichen, die häufig die nichtlogischen Zeichen genannt werden. Die Individuenvariablen variieren immer über den Individuenbereich von \({\mathscr{A}}\), die Gleichheit wird in der Regel zu den logischen Zeichen gezählt, da sie stets als Identität aufgefaßt wird und damit in jeder Struktur vorhanden ist.

Terme (oder L-Terme) werden wie folgt induktiv definiert:

  1. Alle Individuenvariablen und Individuenzeichen sind Terme.
  2. Ist f ein n-stelliges Funktionszeichen und sind t1, …, tn Terme, dann ist f(t1, …, tn) ein Term.
  3. Keine weiteren Zeichenreihen sind Terme.

Beispiele für Terme sind (x + y) · z oder a · x2 + b · x + c. Mit Hilfe der Terme werden Ausdrücke (oder L-Formeln) induktiv definiert:

  1. Ist R ein n-stelliges Relationszeichen und sind t1, …, tn Terme, dann ist R(t1, …, tn) ein Ausdruck; weiterhin sind Termgleichungen der Gestalt t1 = t2 Ausdrücke.(Zeichenreihen dieser Art sind als Ausdrücke nicht weiter zerlegbar, sie heißen daher atomare oder prädikative Ausdrücke).
  2. Sind ϕ und ψ Ausdrücke, dann sind auch ¬ϕ, ϕψ, ϕψ, ϕψ, ϕψ Ausdrücke.
  3. Ist ϕ ein Ausdruck, in dem die Zeichenreihen ∃x oder ∀x nicht vorkommen, dann sind auch ∃ und ∀ Ausdrücke.
  4. Keine weiteren Zeichenreihen sind Ausdrücke. Elementare Sprachen sind dadurch chakterisiert, daß sie Quantifizierungen nur für Elemente und nicht zugleich für beliebige Teilmengen von Elementen zulassen. Zur Quantifizierung von Elementen und Mengen benutzt man Sprachen zweiter Stufe.

Aussagen sind spezielle Ausdrücke, die keine freien Variablen enthalten. Über die Kompliziertheit eines Ausdrucks wird das freie Auftreten einer Variablen induktiv definiert.

Die Individuenvariable x kommt in dem Ausdruck ϕ genau dann frei vor, wenn

  1. ϕ atomar ist und x in ϕ vorkommt, oder
  2. ϕ die Gestalt ¬ψ besitzt und x in ψ frei vorkommt, oder
  3. ϕ die Gestalt ψχ, ψχ, ψχ oder ψχ besitzt und x in ψ oder χ frei vorkommt, oder
  4. ϕ die Gestalt ∃ oder ∀ besitzt und x in ψ frei vorkommt, und x, y verschiedene Individuenvariablen sind.

In dem Ausdruck \begin{eqnarray}\exists x(x\gt 0\wedge x+y=z)\end{eqnarray} kommen z. B. die Variablen y, z frei vor, und x ist durch den Quantor ∃ gebunden. Das freie Vorkommen von x in ϕ wird durch ϕ(x) gekennzeichnet. Die Gültigkeit einer Aussage ϕ aus einer Sprache L in einer Struktur \({\mathscr{A}}\) gleicher Signatur wird wiederum induktiv definiert. Dazu wird L durch Hinzunahme neuer Individuenzeichen zu \(L({\mathscr{A}})\) erweitert, und zwar wird für jedes Element a der Trägermenge von \({\mathscr{A}}\) ein Zeichen \(\underset{\raise0.3em\hbox{$\smash{\scriptscriptstyle-}$}}{a}\) zu L hinzugenommen (\(\rm{{\underset{\raise0.3em\hbox{$\smash{\scriptscriptstyle-}$}}{a}}}\) ist ein Name für das Element a). Ein Element darf auch zwei Namen tragen, wenn es für a in L schon einen Namen gab. Die Gültigkeit von ϕ in der Struktur \({\mathscr{A}}\) wird gekennzeichnet durch \({\mathscr{A}}\models \varphi \). Damit definiert man:

  1. Ist ϕ eine atomare Aussage, dann ist \({\mathscr{A}}\models \varphi \) schon durch die Interpretation definiert.
  2. \({\mathscr{A}}\models \neg \varphi \iff \varphi \) gilt nicht in \({\mathscr{A}}\),\({\mathscr{A}}\models \varphi \wedge \psi \iff {\mathscr{A}}\models \varphi \) und \({\mathscr{A}}\models \varphi \),\({\mathscr{A}}\models \varphi \vee \psi \iff {\mathscr{A}}\models \varphi \) oder \({\mathscr{A}}\models \varphi \),\({\mathscr{A}}\models \varphi \to \psi \iff \) wenn \({\mathscr{A}}\models \varphi \), so \({\mathscr{A}}\models \varphi \),\({\mathscr{A}}\models \varphi \leftrightarrow \psi \iff {\mathscr{A}}\models \varphi \) genau dann, wenn\({\mathscr{A}}\models \varphi \).
  3. \({\mathscr{A}}\models \exists x\varphi (x)\iff \) es gibt ein Element a in \({\mathscr{A}}\), so daß \({\mathscr{A}}\models \varphi (\underset{\raise0.3em\hbox{$\smash{\scriptscriptstyle-}$}}{a})\),\({\mathscr{A}}\models \forall x\varphi (x)\iff \) für alle Elemente a in \({\mathscr{A}}\) ist\({\mathscr{A}}\models \varphi (\underset{\raise0.3em\hbox{$\smash{\scriptscriptstyle-}$}}{a})\).

Damit sind die Konnektoren ¬, ∧, ∨, →, ↔ und die Quantoren ∃, ∀ der Reihe nach als Negation, Konjunktion, Alternative, Implikation, Äquivalenz, Existenzquantor und Allquantor interpretiert.

Ein Ausdruck ϕ(x1, …, xn) ist in \({\mathscr{A}}\) gültig, wenn \({\mathscr{A}}\models \varphi (\underset{\raise0.3em\hbox{$\smash{\scriptscriptstyle-}$}}{a}_{1},\ldots, \underset{\raise0.3em\hbox{$\smash{\scriptscriptstyle-}$}}{a}_{n})\) für alle Elemente a1, …, an in \({\mathscr{A}}\) zutrifft, d. h., wenn die Aussage \begin{eqnarray}\forall {x}_{1}\ldots \forall {x}_{n}\varphi ({x}_{1},\ldots, {x}_{n})\end{eqnarray} in \({\mathscr{A}}\) gilt.

Eine Menge T von Ausdrücken oder Aussagen aus L, die deduktiv abgeschlossen ist, heißt elementare Theorie. Ist z. B. ∑ die Menge der Körperaxiome, formuliert in der Sprache L der Körper, dann ist \(T=\{\varphi :\Sigma \models \varphi \}\) die elementare Theorie der Körper.

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  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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