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Lexikon der Mathematik: ganze Funktion

ganze analytische Funktion, eine in der ganzen komplexen Ebene ℂ holomorphe Funktion.

Ist f eine ganze Funktion, so ist die Taylor-Reihe von f mit Entwicklungspunkt 0 \begin{equation} f(z)=\sum_{n=0}^{\infty}a_{n}z^{n} \end{equation} in ganz ℂ normal konvergent.

Falls es ein N ∈ ℕ0 gibt derart, daß an = 0 für alle n > N, so heißt f eine ganzrationale Funktion oder ein Polynom. Ist N ≥ 1 und aN ≠ 0, so ist ∞ eine Polstelle von f der Ordnung N. Gilt an ≠ 0 für unendlich viele n, so heißt f eine ganz transzendente Funktion. In diesem Fall ist ∞ eine wesentliche Singularität von f.

Wichtige Beispiele für ganz transzendente Funktionen sind die Exponentialfunktion, die Cosinusfunktion und die Sinusfunktion.

Ganze Funktionen werden in Wachstumsklassen eingeteilt. Dazu sei für eine ganze Funktion f und r > 0 \begin{equation} M(r, f):=\max_{|z|\le r}|f(z)| \end{equation} der Maximalbetrag von f. Ist f nicht konstant, so ist M(r, f) eine stetige und streng monoton wachsende Funktion von r mit M(r, f) → ∞ für r → ∞. Man setzt \begin{equation} \varrho=\varrho(f):=\limsup_{r\rightarrow\infty}\frac{\log^{+}\log^{+}M(r,f)}{\log r}. \end{equation} Dabei ist log+x := logx für x > 1 und log+x := 0 für 0 ≤ x ≤ 1. Für die Zahl ϱ gilt 0 ≤ ϱ ≤ ∞. Sie heißt Ordnung oder Wachstumsordnung von f. Polynome haben stets Ordnung 0. Einige Beispiele transzendenter Funktionen:

  1. f(z) = ezn, n ∈ ℕ ⇒ ϱ (f) = n.
  2. f(z) = cos zϱ(f) = 1.
  3. f(z) = sin zϱ(f) = 1.
  4. \(f(z)=\cos \sqrt{z}\Rightarrow \varrho(f)=\frac{1}{2}\).
  5. f(z) = eezϱ(f) = ∞.

Sind f und g ganze Funktionen, so gilt \begin{equation} \varrho(f+g)\le \max\{\varrho(f),\varrho(g)\} \end{equation} und \begin{equation}\varrho(f\cdot g)\le \max\{\varrho(f),\varrho(g)\}.\end{equation} Ist z. B. ϱ(f) > ϱ(g), so gilt ϱ(f + g) = ϱ(f) und ϱ(f · g) = ϱ(f). Weiter gilt ϱ(f) = ϱ(f′).

Die Ordnung einer ganzen Funktion f kann mit Hilfe der Taylor-Reihe von f mit Entwicklungspunkt 0 berechnet werden. Ist \(f(z) = \sum\nolimits_{n = 0}^\infty {{a_n}{z^n}} \), so gilt \begin{equation}\varrho(f)=\limsup_{n\rightarrow \infty}\frac{n\log n}{\log\frac{1}{|a_{n}|}}.\end{equation} Dabei wird der Ausdruck auf der rechten Seite gleich 0 gesetzt, falls ein an = 0 ist. Mit dieser Formel kann man ganze Funktionen mit beliebiger Ordnung konstruieren. Für 0 < ϱ < ∞ liefert \begin{equation} f(z)=\sum_{n=1}^{\infty}n^{-n/\varrho}z^{n} \end{equation} eine ganze Funktion mit ϱ(f) = ϱ. Es gibt auch ganz transzendente Funktionen der Ordnung 0, nämlich \begin{equation}f(z) = \mathop \sum \limits_{n = 1}^\infty {n^{ – {n^{1 + \delta }}}}{z^n},\quad \delta >0.\end{equation}?> Ist ϱ(f) = n ∈ ℕ oder ϱ(f) = ∞, so zeigen die obigen Beispiele 1. und 5., daß f keine Nullstellen besitzen muß, d. h. 0 ist ein Ausnahmewert von f.

Ist jedoch 0 < ϱ(f) < ∞ und ϱ(f)∉ ℕ, so besitzt f unendlich viele Nullstellen. Ersetzt man f durch fa mit a ∈ ℂ, so folgt, daß in diesem Fall f jeden Wert a ∈ ℂ unendlich oft annimmt. Dies gilt auch für ganz transzendente Funktionen der Ordnung 0.

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  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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