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Lexikon der Mathematik: geometrische Quantisierung

von B. Kostant und J.-M. Souriau 1970 eingeführte und durch die Kirillowsche Bahnenmethode bei Lie-Gruppendarstellungen motivierte mathematische Interpretation des physikalischen Quantisierungsbegriffs, bei dem gewissen Hamilton-Funktionen lineare Operatoren in einem Hilbertraum derart zugeordnet werden, daß Poisson-Klammern auf Operatorkommutatoren abgebildet werden.

Eine Präquantisierungsstruktur besteht aus einer symplektischen Mannigfaltigkeit (M, ω), einem komplexen Geradenbündel L über M, das mit einer Fasermetrik h und einer mit h verträglichen kovarianten Ableitung ∇ ausgestattet ist. Jeder komplexwertigen C-Funktionen f wird der Präquantenoperator \({P}_{f}\space :=\space f\space +\space (1/i){\nabla }_{{X}_{f}}\) (Xf das Hamilton-Feld von f) auf dem Raum der C- Schnitte von L zugeordnet. Gilt für die Krümmung F von ∇ die Präquantisierungsbedingung F = , so erfüllen die Präquantenoperatoren folgende Darstellungsgleichung: \begin{eqnarray}{P}_{f}{P}_{g}-{P}_{g}{P}_{f}=i{P}_{\{f,g\}}.\end{eqnarray}

Durch das Phasenvolumen auf M und die Fasermetrik h erhält der Raum \({ {\mathcal H} }_{p}\) aller quadratintegrablen C-Schnitte von L die Struktur eines Prä-Hilbertraumes, auf dem die Präquantenoperatoren zu reellwertigen Funktionen symmetrisch sind.

Die eigentliche Quantisierung wird in einem zweiten Schritt durch die zusätzliche Struktur einer Polarisierung erreicht, d. h. eines integrablen Lagrangeschen Unterbündels F des komplexifizierten Tangentialbündels von M, so daß der Schnitt von F und seinem komplex-konjugierten \(\bar{F}\) ebenfalls zu einem Unterbündel wird und die Summe \(F\space +\space \bar{F}\) integrabel ist. Der Hilbertraum für die Quantisierung ist die L2-Vervollständigung des Raumes derjenigen C-Schnitte von \(L\otimes \sqrt{{{\rm{\Lambda }}}^{n}F}\), die in F-Richtung kovariant konstant sind, wobei mit \(\sqrt{{{\rm{\Lambda }}}^{n}F}\) die mit Hilfe einer metalinearen Struktur definierte Quadratwurzel des Geradenbündels aller n-Formen in F bezeichnet wird. Für die sog. guten Observablen, d. h. diejenigen reellwertigen C-Funktionen f auf M, die die Polarisation erhalten in dem Sinne, daß die Lie-Klammer des Hamilton-Feldes von f mit jedem C-Schnitt von F wieder ein Schnitt von F ist, lassen sich die Präquantenoperatoren auch in \({\mathscr{H}}\) definieren und erfüllen dort eine zur obigen Darstellungsbedingung analoge Bedingung.

Wichtige Beispiele sind Kählersche Mannigfaltigkeiten, für die man versuchen kann, für L ein holomorphes komplexes Geradenbündel zu benutzen. Die Kähler-Polarisation besteht aus dem Unterbündel der (1, 0)- oder holomorphen Richtungen. Man kann als Hilbertraum den Unterraum aller holomorphen Schnitte von \({{\mathscr{H}}}_{p}\) nehmen.

Weitere Beispiele sind Kotangentialbündel, für die L trivial gewählt werden kann und F aus dem komplexifizierten Bündel der vertikalen Vektoren (vertikale Polarisation) besteht. Der Hilbertraum \({\mathscr{H}}\) ist dann durch die Vervollständigung des Raums der quadratintegrablen Halbdichten auf dem Konfigurationsraum gegeben.

Als Anwendungsbeispiel kann man beim Wasserstoffatom den Raum M(E) der klassischen Bahnen für eine Punktladung um einen schweren geladenen Kern mit negativer Energie betrachten. Dieser Raum hat die topologische Struktur S2 × S2. Er hat eine natürliche komplexe Struktur und kann mit CP(1) × CP(1) identifiziert werden. Aus der symplektischen Form über einer Untermenge von M(E) kann dann eine charakteristische Klasse gebildet werden, und die Forderung, daß sie in H2(M, ℤ) nicht negativ ist, führt auf die Quantisierung der Energieniveaus.

[1] Bates,S.; Weinstein,A.: Lectures on the Geometry of Quantization. American Mathematical Society Berkeley, 1997.
[2] Woodhouse, N.: Geometrie Quantization. Clarendon Press Oxford, 1992.

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  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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