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Lexikon der Mathematik: indische Mathematik

Bezeichnung für die im alten Indien entwickelte Mathematik.

Die sehr lückenhafte Überlieferung mathematischer Kenntnisse reicht zurück bis in das 2. Jahrtausend v.Chr. Es handelt sich bei den ältesten Quellen um geometrische Vorschriften zum Bau von Altären. Die Hauptwerke der indischen Mathematik sind zwischen dem 2. (oder 5.) Jahrhundert und dem 16. Jahrhundert entstanden. Bis in das 2. Jahrtausend v. Chr. sind die Inhaltsbestimmung einfacher Flächen, die Kenntnis des Satzes des Pythagoras, die Berechnung des Volumens eines Pyramidenstumpfs und die (näherungsweise) Berechnung von Volumen und Oberfläche einer Kugel zurückdatierbar. Indien war das Geburtsland der Trigonometrie. Um 500 oder etwas früher kannte man Sinus, Cosinus und Sinus versus, um 1000 betrachtete man cos x, sin x und 1 − cos x in allen vier Quadranten. Da die frühe indische Mathematik stets nur Einzelprobleme behandelte, niemals zu einer geschlossenen Theorie eines mathematischen Gebietes vordrang, kann man nur aus Einzelaufgaben auf die Kenntnis des Sinussatzes der ebenen Trigonometrie und des Cosinussatzes der sphärischen Trigometrie schließen. Tafeln für Sinus und Sinus versus sind seit dem 4. oder 5. Jahrhundert bekannt. Auf Wegen, die wir nicht kennen, war die Trigonometrie (und die Reihenlehre) bis zum 16. Jahrhundert soweit entwickelt worden, daß Nilakantha Somasutvan die Potenzreihe für den Arcustangens angeben und π bis auf neun Dezimalen genau berechnen konnte.

Die Kenntnis der Eigenschaften der Null war naturgemäß fester Bestandteil der indischen Mathematik mit ihrem dezimalen Positionssystem. Man konnte mit positiven und negativen rationalen Zahlen rechnen, irrationale Zahlen näherungsweise numerisch bestimmen, lineare und quadratische Gleichungen ebenso wie lineare Gleichungssysteme lösen. Sogar verschiedenartige Typen unbestimmter Gleichungen wurden nach ganzzahligen Lösungen untersucht. Dazu wurden u. a. auch Kettenbruchentwicklungen benutzt. Die eigenständige Entwicklung der indischen Mathematik brach etwa mit dem 16. Jahrhundert, der Zeit des Eindringens der Europäer in Indien, zusammen.

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  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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