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Lexikon der Mathematik: Kodaira-Dimension

Begriff aus der algebraischen Geometrie.

Für eine glatte komplette algebraische Varietät X (oder auch jede kompakte komplexe Mannigfaltigkeit) erhält man eine birationale (bzw. bimeromorphe) Invariante auf folgende Weise: Es sei KX das kanonische Bündel, dann ist \begin{eqnarray}\mathop{\oplus }\limits_{m\ge 0}\,{H}^{0}\,(X,{K}_{X}^{\otimes m})=R\cdot (X)\end{eqnarray} ein graduierter Ring (kanonischer Ring von X) ohne Nullteiler, und der Quotientenkörper vom Grad 0 (d. h., alle Quotienten ϕ/ψ, wobei ϕ, ψ homogen von gleichem Grad sind) ist ein Unterkörper des zu X gehörigen Körpers der meromorphen Funktionen und algebraisch abgeschlossen in diesem.

Die Kodaira-Dimension κ(X) von X ist die Dimension dieses Körpers, d. h. sein Transzendenzgrad über dem Grundkörper.

Ist V ein Modell dieses Körpers, und hat der Grundkörper die Charakteristik 0, so erhält man eine rationale bzw. meromorphe Abbildung XV bzw. nach einer Modifikation von X eine Faserung XV (im weiterem Sinne), genannt die Kodaira-Faserung (Auflösung von Singularitäten). Wenn R(X) nur aus dem Konstantenkörper besteht, wird κ(X) = −∞ definiert.

Eine andere Charakterisierung von κ(X) ergibt sich aus dem Verhalten der Funktion \begin{eqnarray}m\mapsto\dim {H}^{0}\,(X,{K}_{X}^{\otimes m})={P}_{m}(X)\end{eqnarray} für m → ∞. Die Zahlen Pm(X) heißen Plurigeschlechter von X, sie sind ebenfalls birationale bzw. bimeromorphe Invarianten, und κ = κ(X) ist charakterisiert durch \begin{eqnarray}0\lt \mathop{\mathrm{lim}\sup }\limits_{m\to \infty }\,({P}_{m}(X)/{m}^{\kappa })\lt \infty, \end{eqnarray} also ist \begin{eqnarray}\kappa (X)=\mathop{\mathrm{lim}\sup }\limits_{m\to\infty }\frac{\mathrm{log}{P}_{m}(X)}{\mathrm{log}(m)}.\end{eqnarray}

Im Falle der Charakteristik 0 gilt weiterhin, daß die allgemeinen Fasern der Kodaira-Faserung glatte algebraische Varietäten der Kodaira-Dimension 0 sind.

Im allgemeinen erwartet man von einer Faserung XY mit der allgemeinen Faser F die Ungleichung κ(X) ≥ κ(Y) + κ(F), für dim X ≤ 3 ist das bekannt (Subadditivität von κ(X)). Für dim X ≤ 3 ist eben-falls bekannt, daß der Ring R(X) endlich erzeugt ist über dem Grundkörper, und daß das Ideal \begin{eqnarray}{R}_{+}(X)=\mathop{\oplus }\limits_{m\ge 1}{H}^{0}(X,{K}_{X}^{\otimes m})\end{eqnarray} keine Nullstellen auf X hat. Letzteres wird für κ(X) ≥ 0 vermutet für Minimale Modelle (Abundance-Vermutung), und impliziert, daß R(X) endlich erzeugt ist.

Die Kodaira-Dimension ist die wichtigste Invariante für die birationale Klassifikation von algebraischen Varietäten. Für glatte Kurven (über ℂ) führt das auf folgende Klassifikation:

Abbildung 1 zum Lexikonartikel Kodaira-Dimension
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  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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