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Lexikon der Mathematik: Lie-Geometrie

Teilgebiet der Geometrie, das die Wirkung der Gruppe 𝒦 der Lie-Transformationen auf dem Raum M𝒦 der sogenannten K-Kreise beschreibt.

Dieser Raum kann in der Dimension n = 2 als eine Vereinigung der Menge der orientierten Kreise der Sphäre S2 mit den Punkten der Sphäre S2 – hier verstanden als Kreise mit verschwindendem Radius – betrachtet werden. Die Lie-Transformationen sind dann diejenigen Transformationen von K-Kreisen, die Paare sich berührender K-Kreise wieder in ebensolche Paare überführen. Der Begriff der Lie-Geometrie kann durch Betrachtung von Räumen orientierter Hypersphären der n-dimensionalen Sphäre 𝒮n auf höhere Dimensionen übertragen werden.

Zur genaueren Beschreibung der Lie-Geometrie wollen wir ein Modell konstruieren. Ebenso wie für die Abbildungsgruppe ℳ(n) der Möbius-Geometrie ist auch für die Gruppe der Lie-Transformationen durch diese Modellbildung die Übertragung vieler Fragen in die lineare Algebra möglich. Dazu betrachten wir für den zweidimensionalen Fall im ℝ5 die Bilinearform

\begin{eqnarray}{\langle x,y\rangle }_{K}=-{x}_{0}{y}_{0}+{x}_{1}{y}_{1}+{x}_{2}{y}_{2}+{x}_{3}{y}_{3}-{x}_{4}{y}_{4}\end{eqnarray}

für x = (x0, x1, x2, x3, x4) und y = (y0, y1, y2, y3, y4) ∈ ℝ5.

Durch die Forderung ⟨x, xK = 0 haben wir dann eine Hyperfläche bestimmt, deren Punkte wir nach folgenden Regeln auf die K-Kreise der zweidimensionalen Lie-Geometrie abbilden können:

(i) Gilt x4 = 0 so folgt für x̂ = (x0, x1, x2, x3) ∈ ℝ4 sofort die Identität

\begin{eqnarray}{\langle \hat{x},\hat{x}\rangle }_{M}=-{x}_{0}^{2}+{x}_{1}^{2}+{x}_{2}^{2}+{x}_{3}^{2}=0,\end{eqnarray}

damit kann x nach der Modellbildung der Möbius-Geometrie für die Dimension n = 2 im ℝ4 eindeutig auf einen Punkt der Sphäre S2 abgebildet werden.

(ii) Gilt dagegen x4 ≠ 0 so haben wir für

\begin{eqnarray}y=\left(\frac{{x}_{0}}{{x}_{4}},\frac{{x}_{1}}{{x}_{4}},\frac{{x}_{2}}{{x}_{4}},\frac{{x}_{3}}{{x}_{4}}\right)\end{eqnarray}

die Identität ⟨y, yM = 1, damit definiert x nach der gleichen Modellbildung einen orientierten Kreis der Sphäre S2. Unter diesen Voraussetzungen kann die Gruppe der Lie-Transformationen mit der Invarianzgruppe der Bilinearform ⟨,⟩K identifiziert werden.

Bereits an der hier kurz umrissenen Modellbildung wird deutlich, daß die Möbius-Gruppe als Untergruppe der Gruppe der Lie-Transformationen angesehen werden kann. Die Untersuchung der Isotropiegruppe eines Punktes der Sphäre innerhalb der Lie-Geometrie liefert eine Einbettung der Laguerre-Geometrie in die Lie-Geometrie. Ähnlich wie die Möbius-Gruppe kann auch die Gruppe der Lie-Transformationen aus speziellen Inversionen, den Lie-Inversionen erzeugt werden. Durch Fixieren eines K-Kreises und Auswahl aller Inversionen an Kreisen, die zu dem fixierten K-Kreis senkrecht sind, kann die Möbius-Gruppe erzeugt werden.

Die Lie-Geometrie wurde von Marius Sophus Lie im Zuge von allgemeinen Untersuchungen über Transformationsgruppen entwickelt. Entscheidende Impulse in diese Richtung verdankte er dem Zusammentreffen mit Felix Klein in Berlin.

[1] Blaschke, W.: Vorlesungen über Differentialgeometrie III. Verlag von Julius Springer Berlin, 1929.
[2] Cecil, T.E.: Lie Sphere Geometry. Springer Verlag New York, 1991.

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  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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