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Lexikon der Mathematik: Mertenssche Vermutung

die – falsche – Vermutung, daß die Ungleichung \begin{eqnarray}|M(x)|\lt \sqrt{x}\quad \mathrm{f\ddot{u}r\; reelle}x\gt 1\end{eqnarray}

richtig wäre, wobei \begin{eqnarray}M(x)=\displaystyle \sum _{n\le x,\mu \in {\mathbb{N}}}\mu (n)\end{eqnarray}

die summatorische Funktion der Möbius-Funktion μ bezeichnet.

Die Mertenssche Vermutung geht eigentlich auf Stieltjes zurück, der in einem auf den 11. Juli 1885 datierten Brief an Hermite schreibt (in der Notation von Stieltjes ist f = μ die Möbius-Funktion und g = M deren summatorische Funktion):

„Or, je trouve que dans la somme \begin{eqnarray}g(n)=f(1)+f(2)+\cdots+f(n)\end{eqnarray}

les termes ±1 se compensent assez bien pour que g(n)/n1/2 reste toujours compris entre deux limites fixes, quelque grand soit n (probablement on peut prendre pour ces limites +1 et −1).“

Stieltjes schloß (ganz korrekt) aus dieser Aussage, daß die Riemannsche Vermutung richtig sei. Allerdings blieb er einen Beweis seiner Behauptung über die Funktion g = M schuldig.

Mertens publizierte 1897 eine Arbeit, in der man folgende Passage findet (er schreibt σ(n) anstelle von M(n)):

„In der am Schlusse dieses Aufsatzes beigefügten Tafel findet man die Werthe von σ(n) von n = 1 bis n = 10 000 berechnet, und es ergibt sich aus derselben die merkwürdige Thatsache, dass der absolute Werth von σ(n) – im Spielraum der Tafel mit Ausnahme des Werthes n = 1 – immer unter n1/2 liegt. Leider begegnet der allgemeine Beweis dieser Eigenschaft beinahe unübersteiglichen Schwierigkeiten.“

Erste Zweifel an der Richtigkeit der Mertensschen Vermutung traten auf, als Ingham in einer 1942 publizierten Arbeit zeigte, daß man prinzipiell die Ungleichung (1) auch ohne aufwendige Berechnung von Funktionswerten M(x) für große x widerlegen kann.

Die Mertenssche Vermutung (1) wurde 1985 von Odlyzko und te Riele widerlegt. 1987 zeigte Pintz, basierend auf Arbeiten von te Riele, daß \begin{eqnarray}\mathop{\max }\limits_{1\le x\le {x}_{0}}\frac{|M(x)|}{\sqrt{x}}\gt 1\end{eqnarray}

für x0 = exp(3.21 × 1064). Aufgrund der bisherigen Resultate vermuten manche Autoren \begin{eqnarray}\mathop{\mathrm{lim}}\limits_{x\to \infty }\frac{|M(x)|}{\sqrt{x}}=\infty, \end{eqnarray}

ganz im Gegensatz zur Mertensschen Vermutung (1).

Wie schon Stieltjes richtig bemerkte, impliziert die Ungleichung (1) die Riemannsche Vermutung. Mittlerweile kann man zeigen, daß die folgende abgeschwächte Form (A) der Mertensschen Vermutung zur Riemannschen Vermutung äquivalent ist:

(A) Für jedes ϵ > 0 ist \begin{eqnarray}\mathop{\mathrm{lim\; sup}}\limits_{x\to \infty }\left(|M(x)|\cdot {x}^{-\frac{1}{2}-\varepsilon }\right)\lt \infty.\end{eqnarray}

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  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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