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Lexikon der Mathematik: Milnor, John Willard

Mathematiker, geb. 20.2. 1931 Orange (NJ.).

Nach dem Abschluß des Studiums an der Universität von Princeton (1951) promovierte Milnor dort 1954. Bereits ein Jahr zuvor hatte er eine Mitarbeiterstelle an der Universität Princeton erhalten, 1960 wurde er zum Professor berufen und zwei Jahre später auf den Henry Putnam Lehrstuhl für Mathematik. Nach Gastprofessuren an der Universität von Kalifornien in Berkeley (1959/60) bzw. in Los Angeles (1967/68) und am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge (1968/70) lehrte er als Professor in Princeton am Institute for Advanced Study. 1989 übernahm er dann die Leitung des neugegründeten Instituts für mathematische Wissenschaften an der New York State University.

Milnor erzielte grundlegende Einsichten zur Struktur mehrdimensionaler Mannigfaltigkeiten und hat die Entwicklung der Topologie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wesentlich mitbestimmt. Schon als Student publizierte er eine erste mathematische Arbeit zur Totalkrümmung von Knoten. 1956 bewies er unter Rückgriff auf den Hirzebruchschen Signatursatz das überraschende Resultat, daß es glatte Mannigfaltigkeiten gibt, die homöomorph, aber nicht diffeomorph zur 7-dimensionalen Sphäre sind. Er gab insgesamt 28 derartige Mannigfaltigkeiten, sog. exotische Sphären, an. Mit diesem Resultat setzte Milnor völlig neue Akzente in der Klassifikation von Mannigfaltigkeiten, mußte doch künftig zwischen der topologischen und der differentialtopologischen Klassifikation unterschieden werden. Der Differentialtopologie eröffnete sich damit ein neues Forschungsfeld. Die weiteren Forschungen Milnors betrafen u. a. die algebraische K-Theorie, die Differentialgeometrie und die algebraische Topologie. So gab er obere und untere Schranken für die Anzahl der verschiedenen Worte bei vorgegebener Länge in einer endlich erzeugten Untergruppe der Fundamentalgruppe an, untersuchte die Struktur von Hopf-Algebren sowie Steenrod-Algebren. 1961 widerlegte Milnor die sogenannte Hauptvermutung der kombinatorischen Topologie, indem er zwei Komplexe konstruierte, die homöomorph, aber kombinatorisch verschieden waren. In den 70er Jahren wandte er sein Interesse der Computergraphik und den dynamischen Systemen zu. Während über hyperbolische Systeme bereits eine ganze Reihe von Ergebnissen bekannt war, lagen die bei zahlreichen Anwendungen in den Naturwissenschaften vorkommenden nicht hyperbolischen Systeme noch weitgehend im Dunkeln. Milnor begann mit der Erforschung von nicht hyperbolischen Systemen niedriger Dimension und zeigte zusammen mit W.Thurston (geb. 1946), daß schon im eindimensionalen Fall eine Fülle interessanter Effekte auftreten, die zu weiteren Forschungen Anlaß gaben. Anfang der 80er Jahre ergänzte er diese Betrachtungen durch das Studium holomorpher Abbildungen, wobei er an die Vorarbeiten von P. Fatou und G. Julia anknüpfte. 1989 legte er eine dynamische Klassifikation von polynomialen Automorphismen von C2 vor und wies diese Automorphismen im nichttrivialen Fall als Komposition von Hénon- Abbildungen nach. Ein Jahr später schuf er wichtige Grundlagen für das geometrische Studium von Julia-Mengen höheren Grades.

Milnor entfaltete auch eine rege Herausgebertätigkeit, 1962 bis 1979 war er an der Edition der „Annals of Mathematics“ beteiligt. Seine Leistungen wurden durch zahlreiche Auszeichnungen anerkannt, insbesondere 1962 durch die Verleihung der Fields-Medaille.

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  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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