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Lexikon der Mathematik: minimal model-Programm

Begriff aus der algebraischen Geometrie.

Jeder endlich erzeugte Erweiterungskörper R eines algebraisch abgeschlossenen Grundkörpers k besitzt ein projektives Modell. Gegenstand des minimal model-Programms ist die Frage nach ausgezeichneten Modellen. Dabei hat man den klassischen Fall der Dimension Eins und Zwei vor Augen; beispielsweise gibt es im Falle von Flächen V ausgezeichnete glatte Modelle V mit folgender Eigenschaft: Entweder ist V isomorph zur projektiven Ebene, oder es gibt eine lokal triviale Faserung (in der Zariskitopologie) VB über einer glatten projektiven algebraischen Kurve mit projektiven Geraden als Fasern, oder V ist minimal in dem Sinne, daß für jedes glatte projektive Modell V ein birationaler k-Morphismus VV auf V existiert.

Das minimal model-Programm ist das höherdimensionale Analogon dieses Sachverhalts. Im Falle von Flächen unterscheidet sich der letzte Fall (minimales Modell) von den anderen glatten projektiven Modellen durch die Tatsache, daß die kanonische Klasse auf jeder algebraischen Kurve in V einen nicht-negativen Grad hat. Im höherdimensionalen Fall ist dies der Ausgangspunkt, den Begriff „minimales Modell“ zu definieren, wobei es sich als notwendig und zweckmäßig erweist, die Forderung nach Glattheit des Modells abzuschwächen, um gewissen Konstruktionen (Kontraktionen eines sogenannten extremalen Strahls) durchführen zu können.

Unter dem Gesichtspunkt, welche Singularitäten man erlauben sollte, um solche Konstruktionen durchführen zu können, hat sich der Begriff terminale Singularitäten als zweckmäßig erwiesen. Man sagt, eine algebraische Varietät V hat höchstens terminale Singularitäten, wenn gilt:

(1) V ist normal und ℚ-Cartier.

(2) Wenn- \(\tilde{V}\mathop{\to V}\limits^{\sigma }\) eine Auflösung von Singularitäten ist, und \({E}_{i}\subset \tilde{V}\) die Primdivisoren sind, die unter σ kontrahiert werden, so gilt in Pic \((\tilde{V})\) ⊗ ℚ für die kanonischen Klassen \begin{eqnarray}{K}_{\tilde{V}}=\sigma * {K}_{V}\otimes {O}_{\tilde{V}}\left(\displaystyle \sum {\mu }_{i}{V}_{i}\right)\end{eqnarray}

mit µi > 0.

Es genügt, daß dies für eine Auflösung \(\tilde{V}\to V\) gilt, dann ist es auch für jede andere Auflösung erfüllt.

Eine normale und eigentliche algebraische Varietät heißt minimal, wenn sie höchstens terminale Singularitäten hat, und wenn die kanonische Klasse KV ∈ Pic (V) ⊗ ℚ auf jeder abgeschlossenen algebraischen Kurve CV einen nicht-negativen Grad hat. Man nennt in diesem Fall die kanonische Klasse nef (= numerisch effektiv).

Wenn KV nicht nef ist, so gibt es also Kurven CV, auf denen KV einen negativen Grad hat. Eine wichtige Auskunft über solche Kurven geben der sogenannte Kegelsatz und der Kontraktionssatz, deren Formulierung hier aber zu weit führen würde.

Das minimal model-Programm ist nun eine Folge von birationalen Morphismen folgender Art:

Schritt (0): Man wähle ein ℚ-faktorielles projektives Modell V = V0 mit höchstens terminalen Singularitäten eines algebraischen Funktionenkörpers. Wenn KV nef, ist die Folge beendet, andernfalls gehe man zu Schritt (1).

Schritt (1): Wenn Vi schon definiert und KVi nicht nef ist, so wähle man einen sogenannten extremalen Strahl und die zugehörige Kontraktion φ : ViW. Wenn dieses φ divisoriell ist, sei Vi+1 = W, man gehe zu Schritt (0) und starte erneut. (Man hat zu zeigen, daß Vi+1 wieder ℚ-faktoriell ist und höchstens terminale Singularitäten hat.) Wenn φ eine kleine Kontraktion ist, so sei Vi+1W der Flip von ViW (Flips und Flops); man gehe zu Schritt (0) und starte erneut.

Schritt (2): Nach endlich vielen Schritten erwartet man, daß man entweder ein minimales Modell V erhält, oder eine Faserung VW (Kontraktion vom Fasertyp).

Erwartet wird, daß man über V genauere Einsicht hat in die geometrische Struktur von V, einerseits im Falle minimaler Modelle durch das Studium der plurikanonischen Faserung (Kodaira-Dimension), andererseits im Falle von Kontraktionen vom Fasertyp VW durch das Studium dieser Faserung.

Erfolgreich in vollem Umfang ist das Programm bisher im Falle der Dimension ≤ 3 durchgeführt.

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  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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