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Lexikon der Mathematik: Modul eines Vierecks

wie folgt definierte Kenngröße eines Vierecks in ℂ:

Es sei Q ⊂ ℂ ein Jordan-Gebiet, d. h. Q ist ein Gebiet und ∂Q eine Jordan-Kurve. Auf ∂Q seien vier verschiedene Punkte a, b, c, d in positiver Orientierung gegeben. Dann nennt man Q = (Q; a, b, c, d) ein Viereck. Es existiert eine konforme Abbildung f von Q auf ein Rechteck \begin{eqnarray}R\,=\,\{z\,\in \,{\rm{{\mathbb{C}}}}:\,0\,\lt \,\text{Re}\,z\,\lt \,m,\,0\,\lt \,\text{Im}\,z\,\lt \,1\}\end{eqnarray}

derart, daß f(a) = m, f(b) = m + i, f(c) = i und f(d) = 0. Dabei ist die Zahl m ∈ (0, ∞) eindeutig bestimmt. Sie heißt der Modul des Vierecks Q und wird mit m(Q) = m(Q; a, b, c, d) bezeichnet. Hierbei ist zu beachten, daß f zunächst nur in Q definiert ist, aber (da ∂Q und ∂R Jordan-Kurven sind) zu einem Homömorphismus von \(\bar{Q}\) auf \(\bar{R}\) fortgesetzt werden kann. Manche Autoren nennen die Zahl \(\frac{1}{m}\) den Modul von Q. Siehe hierzu auch das Stichwort Modul einer Kurvenfamilie.

Eine wichtige Eigenschaft des Moduls ist die konforme Invarianz. Sind (Q1; a1, b1, c1, d1) und (Q2; a2, b2, c2, d2) Vierecke, so existiert eine konforme Abbildung f von Q1 auf Q2 derart, daß f(a1) = a2, f(b1) = b2, f(c1) = c2, f(d1) = d2 genau dann, wenn m(Q1; a1, b1, c1, d1) = m(Q2; a2, b2, c2, d2).

Der Modul eines Vierecks hat physikalische Bedeutung, sofern ∂Q eine glatte Kurve ist. Dazu sei Q eine dünne metallische Platte vom spezifischen Widerstand 1. Die Seiten (a, b) bzw. (c, d) werden auf einem Spannungspotential 1 bzw. 0 gehalten, während die Seiten (b, c) und (d, a) isoliert sind. Dann ist der Gesamtstrom, der durch die Platte fließt, gegeben durch das Linienintegral \begin{eqnarray}I\,=\,\displaystyle \underset{a}{\overset{b}{\int }}\frac{\partial \phi }{\partial n}\,ds\end{eqnarray}

wobei \(\frac{\partial }{\partial n}\) die Ableitung in Richtung der äußeren Normalen bezeichnet und ϕ die Lösung des gemischten Randwertproblems \begin{eqnarray}\begin{array}{rl}\Delta \phi \,=\,0 & \text{in}\,Q\,,\\ \phi \,=\,1 & \text{auf}\,(a,\,b)\,,\\ \phi \,=\,0 & \text{auf}\,(c,\,d)\,,\\ \frac{\partial \phi }{\partial n}\,=\,0 & \text{auf}\,(b,\,c)\,\cup \,(d,\,a)\end{array}\end{eqnarray}

ist. Dabei bezeichnet \(\Delta \,=\,\frac{{\partial }^{2}}{d{x}^{2}}\,+\,\frac{{\partial }^{2}}{d{y}^{2}}\) den Laplace-Operator. Zur Lösung dieses Problems bestimmt man die konforme Abbildung f von Q auf das obige Rechteck R. Bezeichnet g die Umkehrabbildung von f, so erfüllt das transformierte Potential ψ(w) := ϕ(g(w)), wR das Randwertproblem \begin{eqnarray}\begin{array}{rl}2\Delta \psi =\,0 & \text{in}\,R\,,\\ \psi \,=\,1 & \text{auf}\,(m,\,m\,+\,i)\,,\\ \psi \,=\,0 & \text{auf}\,(0,\,i)\,,\\ \frac{\partial \psi }{\partial n}\,=\,0 & \text{auf}\,(0,\,m)\,\cup \,(i,\,m\,+\,i)\end{array}\end{eqnarray}

Offensichtlich gilt \(\psi (w)\,=\,\frac{1}{m}\,\text{Re}\,w,\,w\,\in \,R\), und man erhält \(I\,=\,\frac{1}{m}\). Ersetzt man das konstante Potential 1 auf (a, b) durch U, so gilt U = mI, und daher kann m als Widerstand der Platte zwischen den Elektroden (a, b) und (c, d) aufgefaßt werden.

Im folgenden werden weitere Eigenschaften des Moduls eines Vierecks zusammengestellt.

  1. Es gilt m(Q; c, d, a, b) = m(Q; a, b, c, d).
  2. Es gilt m(Q; b, c, d, a) = (m(Q; a, b, c, d))−1. Das Viereck (Q; b, c, d, a) nennt man das zu (Q; a, b, c, d) reziproke Viereck.
  3. Ein Viereck (Q; a, b, c, d) heißt symmetrisch, falls Q symmetrisch zur Geraden ⋀ durch a und c ist und falls die Punkte b und d symmetrisch bezüglich ⋀ sind. Für den Modul solcher Vierecke gilt m = 1.
  4. Das Viereck (Q; a′, b, c, d) entstehe aus (Q; a, b, c, d), indem man den Punkt a entlang ∂Q in Richtung d in den Punkt a′ verschiebt. Dann gilt m(Q; a, b, c, d) > m(Q; a′, b, c, d).
  5. Es seien (Q; a, b, c, d) und (Q′; a, b, c, d) Vierecke mit QQ′ und (b, c) ∪ (d, a) ⊂ ∂Q∂Q′. Dann gilt m(Q; a, b, c, d) > m(Q′; a, b, c, d).
  6. Es sei Q ein Jordan-Gebiet und a, b, c, d, e, f∂Q sechs verschiedene Punkte. Weiter sei Γ ein Querschnitt in Q von c nach f, d. h. Γ ist ein Jordan-Bogen in Q, der die Punkte c und f verbindet. Dadurch wird Q in zwei disjunkte Jordan-Gebiete Q1 und Q2 mit Γ = ∂Q1∂Q2 zerlegt. Dann gilt m(Q; a, b, d, e) ≥ m(Q1; f, c, d, e) + m(Q2; a, b, c, f).

Schließlich noch zwei Beispiele:

Beispiel 1. Für w ∈ ℂ mit |w|= 1 und Im w > 0 sei P = (P; 1, 1 + w, w, 0). Dann ist P ein rhombusartiges Viereck und symmetrisch bezüglich der Geraden durch 0 und 1 + w. Also gilt m(P) = 1.

Beispiel 2. Es sei L das L-förmige Gebiet mit den Ecken 0, i, −1 + i, −1 − i, 1 − i und 1 und L = (L; 1 − i, 1, −1 + i, −1 − i). Dann ist \(m({\bf L})\,=\,\sqrt{3}\)

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  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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