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Lexikon der Mathematik: Möbius-Transformation

eine Abbildung \(T:\hat{{\mathbb{C}}}\to \hat{{\mathbb{C}}}\) der Form

\begin{eqnarray}T(z)=\displaystyle\frac{az+b}{cz+d},\end{eqnarray}

wobei a, b, c, d ∈ ℂ und adbc ≠ 0. Dabei wird gesetzt \(T(\infty )={\displaystyle \frac{a}{c}}\) und \(T(-{\displaystyle \frac{d}{c}})=\infty \), sofern c ≠ 0, und für c = 0 ist T(∞) = ∞. Manche Autoren nennen T auch eine lineare Transformation, wobei dies nicht mit einer linearen Abbildung im Sinne der Linearen Algebra zu verwechseln ist. Ist speziell T(z) = z + b bzw. T(z) = az (a ≠ 0) bzw. T(z) = e z bzw. \(T(z)={\displaystyle \frac{1}{z}}\), so heißt T eine Translation (oder Verschiebung) bzw. Dilatation (oder Drehstreckung) bzw. Rotation (oder Drehung) bzw. Inversion (oder Stürzung).

Jede Möbius-Transformation T ist eine bijektive meromorphe Funktion von \(\hat{{\mathbb{C}}}\) auf sich. Die Umkehrfunktion T− 1 von T wird gegeben durch

\begin{eqnarray}{T}^{-1}(z)=\displaystyle\frac{dz+b}{-cz+a}.\end{eqnarray}

Sind S und T Möbius-Transformationen, so auch ST. Daher ist die Menge ℳ aller Möbius-Transformationen eine Gruppe bezüglich der Komposition ◦ von Abbildungen. Jede Möbius-Transformation kann als Komposition von Translationen, Dilatationen und einer Inversion dargestellt werden.

Bezeichnet GL(2, ℂ) die Gruppe aller invertierbaren (2 × 2)-Matrizen komplexer Zahlen, so wird jeder Matrix

\begin{eqnarray}A=\left(\begin{array}{ll}a & b\\ c & d\end{array}\right)\in GL(2,{\mathbb{C}})\end{eqnarray}

durch

\begin{eqnarray}{T}_{A}(z)=\displaystyle\frac{az+b}{cz+d}\end{eqnarray}

eine Möbius-Transformation zugeordnet. Die hierdurch definierte Abbildung ϕ : GL(2, ℂ) → ℳ ist ein Gruppenepimorphismus, d. h. für A, BGL(2, ℂ) gilt TAB = TA TB, und ϕ ist surjektiv. Es gilt TA = TB genau dann, wenn ein α ∈ ℂ = ℂ \{0} existiert mit A = αB. Ist SL(2, ℂ) die Gruppe aller Matrizen AGL(2, ℂ) mit det A = 1, so liefert die eingeschränkte Abbildung ϕ : SL(2, ℂ) → M eben-falls einen Gruppenepimorphismus, dessen Kern aus den beiden Matrizen ± I besteht, wobei I die Einheitsmatrix bezeichnet.

Eine wichtige Rolle spielen die Fixpunkte einer Möbius-Transformation T. Ist T(z) ≢ z, so besitzt T einen oder zwei Fixpunkte in \(\hat{{\mathbb{C}}}\). Die Möbius-Transformationen werden nach ihrem Verhalten in den Fixpunkten eingeteilt. Dazu sei

\begin{eqnarray}T(z)=\displaystyle\frac{az+b}{cz+d}\end{eqnarray}

mit adbc = 1. Besitzt T genau einen Fixpunkt z0, so heißt T parabolisch. Ist z0 = ∞, so hat T die Form T(z) = z + β mit einem β ∈ C. Für z0 ≠ ∞ setzt man

\begin{eqnarray}g(z):=\displaystyle\frac{1}{z-{z}_{0}}.\end{eqnarray}

Dann hat die Möbius-Transformation S = gTg−1 den Fixpunkt ∞.

Nun besitze T genau zwei Fixpunkte z1 und z2. Ist z1 =0 und z2 = ∞, so hat T die Form T(z) = kz mit einem k ∈ C \{1}. Andernfalls wählt man eine Möbius-Transformation g mit g(z1) = 0 und g(z2) = ∞, zum Beispiel

\begin{eqnarray}\begin{array}{llll}g(z) & := & \displaystyle\frac{z-{z}_{1}}{z-{z}_{2}}, & \text{falls}\,{z}_{1},{z}_{2}\in {\mathbb{C}},\\ g(z) & := & z-{z}_{1}, & \text{falls}\,{z}_{1}\in {\mathbb{C}},\text{}{z}_{2}=\infty. \end{array}\end{eqnarray}

Dann hat S = gTg−1 die Fixpunkte 0, ∞ und ist daher von der Form S(z) = kz. Man nennt T

  • elliptisch, falls |k| = 1,
  • hyperbolisch, falls k > 0,
  • loxodromisch in allen anderen Fällen.

Ist T ∈ ℳ und sind z1, z2, \({z}_{3}\in \hat{{\mathbb{C}}}\) drei verschiedene Punkte, so ist T durch die Bildpunkte w1 =T(z1), w2 = T(z2), w3 = T(z3) eindeutig bestimmt. Im Spezialfall w1 =1, w2 = 0, w3 = ∞ wird T gegeben durch

\begin{eqnarray}\begin{array}{llll}T(z) & = & \displaystyle\frac{z-{z}_{2}}{z-{z}_{3}}:\displaystyle\frac{{z}_{1}-{z}_{2}}{{z}_{1}-{z}_{3}}, & \text{falls}\,{z}_{1},{z}_{2},{z}_{3}\in {\mathbb{C}}\\ T(z) & = & \displaystyle\frac{z-{z}_{2}}{z-{z}_{3}}, & \text{falls}\,{z}_{1}=\infty,\\ T(z) & = & \displaystyle\frac{{z}_{1}-{z}_{3}}{z-{z}_{3}}, & \text{falls}\,{z}_{2}=\infty,\\ T(z) & = & \displaystyle\frac{z-{z}_{2}}{{z}_{1}-{z}_{3}}, & \text{falls}\,{z}_{3}=\infty. \end{array}\end{eqnarray}

Man nennt dann die komplexe Zahl

\begin{eqnarray}\text{Dv}(z,{z}_{1},{z}_{2},{z}_{3}):=T(z)\end{eqnarray}

das Doppelverhältnis der Punkte z, z1, z2, z3. Eine wichtige Eigenschaft des Doppelverhältnisses ist die Invarianz unter einer Möbius-Transformation M, d. h. es gilt

\begin{eqnarray}\text{Dv}(M(z),M({z}_{1}),M({z}_{2}),M({z}_{3}))=\text{Dv}(z,{z}_{1},{z}_{2},{z}_{3}).\end{eqnarray}

Mit Hilfe des Doppelverhältnisses läßt sich leicht zeigen, daß zu je drei verschiedenen Punkten z1, z2, \({z}_{3}\in \hat{{\mathbb{C}}}\) und w1, w2, \({w}_{3}\in \hat{{\mathbb{C}}}\) stets genau eine Möbius-Transformation M mit w1 = M(z1), w2 = M(z2), w3 = M(z3) existiert. Setzt man nämlich T(z) := Dv (z, z1, z2, z3) und S(z) := Dv (z, w1, w2, w3), so hat M := S−1T die gewünschten Eigenschaften.

Eine wichtige Eigenschaft von Möbius-Transformationen ist die Kreisverwandtschaft. Diese erhält man aus der Tatsache, daß das Doppelverhältnis Dv (z1, z2, z3, z4) vier verschiedener Punkte z1, z2, z3, \({z}_{4}\in \hat{{\mathbb{C}}}\) genau dann reell ist, wenn z1, z2, z3, z4 auf einer Kreislinie in \(\hat{{\mathbb{C}}}\) liegen. Sind Γ und Γ Kreislinien in \(\hat{{\mathbb{C}}}\), so existiert stets eine Möbius-Transformation T mit T(Γ) = Γ. Dabei kann T noch so gewählt werden, daß drei vorgegebene Punkte auf Γ auf drei vorgegebene Punkte auf Γ abgebildet werden. Unter dieser Zusatzforderung ist dann T eindeutig bestimmt.

Es sei Γ eine Kreislinie in \(\hat{{\mathbb{C}}}\), und es seien z1, z2, z3 ∈ Γ drei verschiedene Punkte. Die Punkte z, \(z* \in \hat{{\mathbb{C}}}\) heißen symmetrisch bezüglich Γ, falls

\begin{eqnarray}\text{Dv}(z*,{z}_{1},{z}_{2},{z}_{3})=\overline{\text{Dv}(z,{z}_{1},{z}_{2},{z}_{3})}.\end{eqnarray}

Man nennt z auch Spiegelpunkt von z bezüglich Γ. Die Definition ist unabhängig von der Wahl der Punkte z1, z2, z3 ∈ Γ. Diese Symmetrieeigenschaft hat folgende geometrische Bedeutung. Ist Γ eine Gerade in ℂ, so haben z und z den gleichen Ab-stand zu Γ und liegen in verschiedenen Halbebenen von ℂ \ Γ. Außerdem steht die Verbindungsstrecke von z und z senkrecht auf Γ. Falls Γ eine Kreislinie in ℂ mit Mittelpunkt a ∈ ℂ und Radius r > 0 ist, so liegen z, z auf demselben Strahl von a nach ∞, und zwar in verschiedenen Zusammenhangskomponenten von \(\hat{{\mathbb{C}}}/\Gamma \). Für die Abstände zu a gilt

\begin{eqnarray}|z-a||z* -a|={r}^{2}.\end{eqnarray}

Insbesondere ist a = ∞. Damit gilt folgendes Symmetrieprinzip. Sind Γ1, Γ2 Kreislinien in \(\hat{{\mathbb{C}}}\), T eine Möbius-Transformation mit T1) = Γ2 und z, z symmetrisch bezüglich Γ1, so sind T(z), T(z) symmetrisch bezüglich Γ2.

Eine Orientierung einer Kreislinie Γ in \(\hat{{\mathbb{C}}}\) ist ein geordnetes Tripel (z1, z2, z3) von verschiedenen Punkten z1, z2, z3 ∈ Γ. Dann wird die rechte Seite von Γ durch

\begin{eqnarray}{\Gamma }^{+}:=\{z\in \hat{{\mathbb{C}}}:\mathrm{Im}(\text{Dv}(z,{z}_{1},{z}_{2},{z}_{3}))\gt 0\}\end{eqnarray}

und die linke Seite von Γ durch

\begin{eqnarray}{\Gamma }^{-}:=\{z\in \hat{{\mathbb{C}}}:\mathrm{Im}(\text{Dv}(z,{z}_{1},{z}_{2},{z}_{3}))\lt 0\}\end{eqnarray}

definiert. Ist zum Beispiel Γ die reelle Achse und eine Orientierung von Γ gegeben durch (1, 0, ∞) (d. h. die reelle Achse wird sozusagen von rechts nach links durchlaufen), so ist Γ+ ={ z ∈ ℂ : Im z > 0 } und Γ ={ z ∈ ℂ : Im z < 0 }. Damit gilt folgendes Orientierungsprinzip. Sind Γ1, Γ2 Kreislinien in \(\hat{{\mathbb{C}}}\) und T eine Möbius-Transformation mit T1) = Γ2 so bildet T die rechte bzw. linke Seite von Γ1 bezüglich einer Orientierung (z1, z2, z3) auf die rechte bzw. linke Seite von Γ2 bezüglich der Orientierung (T(z1), T(z2), T(z3)) ab.

Für weitere Information zu diesem Themenkreis vergleiche auch Möbius-Geometrie.

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  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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