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Lexikon der Mathematik: Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen

Techniken zur Gewinnung approximativer Lösungen von Anfangs- oder Randwertaufgaben gewöhnlicher Differentialgleichungen.

Dabei wird in allen Fällen ein Problem mit unendlich vielen Freiheitsgraden durch ein Problem mit nur endlich vielen Freiheitsgraden angenähert und letzteres gelöst. Die bekanntesten Methoden für Anfangswertaufgaben approximieren entweder die gesuchte Funktion durch einen Ansatz mit endlich vielen Parametern (z. B. das Taylor-Polynom der Funktion) und leiten durch Einsetzen in die Problemstellung Bedingungsgleichungen für die Parameter her, oder wählen in dem zu betrachtenden Definitionsgebiet einzelne Punkte aus ersetzen und dort die Differentialgleichung durch Differenzenquotienten (Differenzenverfahren). Letztere Vorgehensweise ist am weitesten verbreitet und schließt bei entsprechender Darstellung die erste mit ein.

Ist das Problem beispielsweise gegeben in der Standardform \begin{eqnarray}{y}^{\prime}=f(x,y),y(a)={y}_{0},\end{eqnarray}

wobei die auftretenden Funktionen auch vektorwertig sein können, so unterteilt man im einfachsten Fall das zu betrachtende Intervall [a, b] durch diskrete, äquidistante Punkte xi := a + ih, i = 0, …, n, h := (ba)/n, n > 0 vorgegeben. h nennt man die Schrittweite.

Es wird nun versucht, Näherungen yi der Werte y(xi)durch ein entsprechendes Kalkül zu ermitteln. Zumeist unterscheiden sich die einzelnen Methoden durch die Art, wie mit den Werten xi und yi der Differentialausdruck y′ (xi) approximiert wird. Werden nur aktuelle oder zurückliegende Werte yj verwendet (ji), so spricht man von expliziten Einschrittverfahren oder Mehrschrittverfahren. Dadurch läßt sich der Integrationsbereich in einfacher Weise bei x0 = a beginnend durchlaufen, um die jeweiligen yi zu ermitteln. Werden in den Approximationsformeln auch Indizes j > i verwendet, spricht man von impliziten Verfahren.

Man bezeichnet ei := yiy(xi) als den globalen Diskretisierungsfehler, im Gegensatz zum lokalen Diskretisierungsfehler, der durch die Anwendung einer bestimmten Approximationsformel entsteht. Hinzu kommt bei Verwendung einer Rechenanlage mit gerundetem Rechnen noch die Betrachtung des Rundungsfehlers \({r}_{i}:={\tilde{y}}_{i}-{y}_{i}\), wobei dann \({\tilde{y}}_{i}\) der tatsächlich errechnete Wert ist. Mittels Intervallrechnung lassen sich diese Fehler auch unmittelbar in die Rechnung integrieren und somit die exakte Lösung in Schranken einschließen (Intervallmethode für Anfangswertprobleme).

Von jeder numerischen Methode verlangt man üblicherweise die Konvergenz der Näherung gegen die exakte Lösung, wenn h → 0 strebt, d. h. \begin{eqnarray}\forall {x}_{i}\in [a,b]:\mathop{\mathrm{lim}}\limits_{h\to \infty }{e}_{i}=0.\end{eqnarray}

Wie weit sich Konvergenz unmittelbar aus der gewählten Approximationsformel ableiten läßt, hängt von der grundsätzlichen Art der Formel ab. Bei Einschrittverfahren folgt die Konvergenz direkt aus der Konsistenz und Stabilität der Approximationsformel, bei Mehrschrittverfahren müssen weitere Eigenschaften hinzukommen.

Abschließend noch einige Bemerkungen zur Numerik von Randwertproblemen. Die numerische Behandlung dieser Problemstellungen baut zumeist auf Verfahren für Anfangswertprobleme gewöhnlicher Differentialgleichungen auf. In einem iterativen Prozeß werden dabei mit verschiedenen Anfangsbedingungen Lösungen der Differentialgleichungen bestimmt, die dann in irgendeiner Form korrigiert werden, um die Randbedingung zu erfüllen. Klassische Beispiele hierfür sind das Schießverfahren und die Mehrzielmethode.

Eine alternative Vorgehensweise ist die Ersetzung der Differentialausdrücke durch Differenzenquotienten in diskret gewählten Punkten. Daraus resultiert dann ein i. allg. nichtlineares Gleichungssystem für die unbekannten Funktionswerte in diesen Punkten.

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  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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