Direkt zum Inhalt

Lexikon der Mathematik: Picard-Lefschetz-Theorie

beschreibt die Monodromie einer meromorphen Funktion f : X → ℙ1(ℂ) auf der ganzzahligen (singulären) Homologie H*(X0) (oder Kohomologie H*(X0)) für X0 = f(t0) unter folgenden Voraussetzungen: X ist eine kompakte komplexe Mannigfaltigkeit der Dimension n + 1, f hat nur endlich viele kritische Werte t1,…,tr ∈ ℙ1(ℂ), und in jeder Faser f−1(tj) gibt es nur einen singularen Punkt xj, dieser ist ein → gewohnlicher Doppelpunkt. Der Basispunkt t0 ist aus \begin{eqnarray}{{\mathbb{P}}}^{1}{({\mathbb{C}})}_{* }={\mathbb{P}}({\mathbb{C}})\backslash \{{t}_{1},\ldots, {t}_{r}\}.\end{eqnarray}

Ein wichtiges Beispiel für diese Situation erhält man aus einer glatten projektiven algebraischen Varietät Y und einem Lefschetz-Büschel von Hyperebenenschnitten. Hier ist \(X\mathop{\to }\limits^{\sigma }Y\) die Aufblasung von Y längs des Basisortes des Büschels und f die durch das Büschel induzierte Abbildung. Hierbei werden die Fasern von f unter σ isomorph auf die Hyperebenenschnitte des Büschels abgebildet. Die Monodromie-Wirkung der Gruppe π = π1 (ℙ1(ℂ)*, t0) ist trivial auf allen Gruppen Hq(X0), außer für q = n. Zur Beschreibung der Monodromie auf Hn(X0) wird ein spezielles Erzeugendensystem von π sowie der Gruppe \begin{eqnarray}V=\text{Ker}({H}_{n}({X}_{0})\mathop{\to }\limits^{i}{H}_{n}(X))\end{eqnarray} der sog. verschwindenden Zyklen benutzt.

Zu diesem Zweck wird für jeden kritischen Punkt xj eine hinreichend kleine abgeschlossene kontrahierbare Umgebung \({\bar{B}}_{j}\) von xj in X und eine hinreichend kleine abgeschlossene Kreisscheibe \({\bar{D}}_{j}\) in ℙ1(ℂ) mit Zentrum tj so gewählt, daß \({f}^{-1}({\bar{D}}_{j})\cap {\bar{B}}_{j}\) kontrahierbar ist. Ferner werde für jedes j ein glatter Weg j von t0 nach einem Randpunkt ωj von \({\bar{D}}_{j}\) so gewählt, daß j mit \({\cup }_{i=1}^{r}{\bar{D}}_{i}\) nur diesen Randpunkt ωj gemeinsam hat, und so daß = ∪j in sich auf t0 kontrahierbar ist.

Die Komposition der Wege j, \(\partial {\bar{D}}_{j}\) (im mathematisch positivem Sinne) und \({\ell }_{j}^{-1}\) ergibt geschlossene Wege γj in ℙ1(ℂ)*, deren Homotopie-Klassen [γ], j = 1,…, γ, die Gruppe π erzeugen. Die Faser \({S}_{j}=\bar{!}{B}_{j}\cap {f}^{-1}({\omega }_{j})\) von \(f|{\bar{B}}_{j}\) ist homotop zu einer n-dimensionalen Sphäre, also erhält man Homomorphismen \begin{eqnarray}\begin{array}{c}{\mathbb{Z}}\simeq {H}_{n+1}\left({\bar{B}}_{j}\cap {f}^{-1}({\bar{D}}_{j}),{S}_{j}\right)\to \\ \to {H}_{n+1}(X,{f}^{-1}(\ell ))\mathop{\to }\limits^{\sim }{H}_{n+1}(X,{X}_{0})\end{array}\end{eqnarray} und somit bis auf Vorzeichen bestimmte Elemente ΔjHn+1(X, X0) (als Bild von 1 ∈ ℤ), sowie \begin{eqnarray}{\delta }_{j}={\partial }_{* }({\Delta }_{j})\in {H}_{n}({X}_{0}).\end{eqnarray}

Die Elemente δ1,…, δr erzeugen die Gruppe V der verschwindenden Zyklen. Für das durch Poincare-Dualität definierte Schnittprodukt auf Hn(X0) gilt: \begin{eqnarray}\langle {\delta }_{j},{\delta }_{j}\rangle =\left\{\begin{array}{ll}0 & n\,\,\text{ungerade},\\ {(-1)}^{m}2 & n=2m.\end{array}\right.\end{eqnarray}

Die Monodromie T([γj]) ist durch die Formel \begin{eqnarray}T([{\gamma }_{j}])(x)=x+{(-1)}^{\frac{(n+1)(n+2)}{2}}\langle x,{\delta }_{j}\rangle {\delta }_{j}\end{eqnarray} gegeben (Picard-Lefschetz-Formel).

Wenn \(X\mathop{\to }\limits^{f}{{\mathbb{P}}}^{1}({\mathbb{C}})\) durch ein Lefschetz-Büschel auf einer glatten projektiven algebraischen Varietät Y entsteht, und Homologie mit reellen Koeffizienten betrachtet wird, so sind folgende Aussagen äquivalent zum harten Lefschetz-Satz für Y:

  1. Hn(X0) = VI, wobei I = Hn(X0)π den Raum der invarianten Zyklen bezeichnet.
  2. V ist ein nicht-trivialer einfacher π-Modul oder V = 0.
  3. Hn(X0) ist ein halbeinfacher π-Modul.
  4. (V, ⟨, ⟩) ist nicht ausgeartet.
  5. (I, ⟨, ⟩) ist nicht ausgeartet.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.