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Lexikon der Mathematik: Pseudodifferentialoperator

ein Integraloperator A von der Form \begin{eqnarray}\begin{array}{lll}Af(x) & = & {(2\pi )}^{-(n+N)/2}\displaystyle \mathop{\int }\limits_{{{\mathbb{R}}}^{N}}\displaystyle \mathop{\int }\limits_{{{\mathbb{R}}}^{n}}{e}^{i\langle \vartheta, x-y\rangle }\\ & & a(a,\vartheta )f(y){d}^{n}y{d}^{N}\vartheta, \end{array}\end{eqnarray}

typischerweise definiert als Abbildung von \({C}_{0}^{\infty }({{\mathbb{R}}}^{N})\) in die Distributionen 𝒟′ (ℝN), wobei man a als das Symbol von A bezeichnet.

Damit ist ein Pseudodifferentialoperator ein Spezialfall eines Fourier-Integraloperators mit Phasenfunktion \begin{eqnarray}\varphi (x,\vartheta, y)=\langle \vartheta, x-y\rangle \end{eqnarray}

und Amplitudenfunktion a.

Man fordert weiterhin, daß das Symbol a Element der Symbolklasse \({S}_{\varrho,\delta }^{m}\) ist, also \begin{eqnarray}|{D}_{x}^{\alpha }{D}_{\vartheta }^{\beta }a(x,\vartheta )|\le {C}_{\alpha, \beta }{(1+|\vartheta |)}^{m-\varrho|\beta |+\delta |\alpha |}\end{eqnarray}

für ein geeignetes m ∈ ℤ, 0 < ϱ ≤ 1, 0 ≤ δ < 1, und für Multiindizes α, γ ∈ ℕn, β ∈ NN.

Einen Pseudodifferentialoperator mit Symbol aus \({S}_{\varrho,\delta }^{m}\) bezeichnet man als einen Pseudodifferentialoperator der Ordung m, und man schreibt \(A\in {\text{OP}}_{\varrho,\delta }^{m}\). Es folgt aus dieser Definition sofort, daß \begin{eqnarray}{D}_{x}^{\alpha }{D}_{\xi }^{\beta }\end{eqnarray} die Symbolklasse \({S}_{\varrho,\delta }^{m}\) in \begin{eqnarray}{S}_{\varrho,\delta }^{m-\varrho|\beta |-\delta |\alpha |}\end{eqnarray}

abbildet, sowie, daß die punktweise Multiplikation \({S}_{\varrho,\delta }^{m}\times {S}_{{e}^{\prime},{\delta }^{\prime}}^{{m}^{\prime}}\) in \begin{eqnarray}{S}_{\min (\varrho,{\varrho}^{\prime}),\max (\delta, {\delta }^{\prime})}^{m+{m}^{\prime}}\end{eqnarray}

abbildet.

Ein gut studierter Spezialfall hiervon ist die Symbolklasse Sm, definiert durch diejenigen Symbole a(x, ξ) aus \({S}_{1,0}^{m}\), für die es für alle j ≥ 0 in ξ glatte und für |ξ| ≥ 1 vom Grade mj homogene Symbole amj(x, ξ) gibt, d. h. \begin{eqnarray}{p}_{m-j}(x,\lambda \xi )={\lambda }^{m-j}{a}_{m-j}(x,\xi )|\xi |\ge 1,\lambda \ge 1,\end{eqnarray}

so daß a(x, ξ) asymptotisch durch die Summe der amj gegeben ist, also \begin{eqnarray}a(x,\xi )-\displaystyle \sum _{j=0}^{N}{a}_{m-j}(x,\xi )\in {S}_{1,0}^{m-N-1}\end{eqnarray}

für alle N ∈ ℕ. Das Symbol pmj bezeichnet man dann auch als das Hauptsymbol des Pseudodifferentialoperators. Pseudodifferentialoperatoren mit Symbolen aus der Symbolklasse \({S}_{\varrho,\delta }^{m}\) bezeichnet man z.T. auch als „kanonische Pseudodifferentialoperatoren“, diejenigen mit Symbolen aus der (gutartigeren) Klasse Sm auch einfach als „Pseudodifferentialoperatoren“. Im folgenden soll diese Notation verwendet und somit die Symbolklasse Sm zugrunde gelegt werden, obwohl durchaus allgemeinere Resultate existieren.

Ist insbesondere das Symbol ein Polynom in ξ mit glatten Koeffizienten in x, d. h. gilt \begin{eqnarray}\begin{array}{lll}a(x,\xi ) & = & \displaystyle \sum |\alpha |\le m{c}_{\alpha }(x){\xi }^{\alpha }\\ {a}_{m}(x,\xi ) & = & \displaystyle \sum |\alpha |=m{c}_{\alpha }(x){\xi }^{\alpha }\end{array}\end{eqnarray}

mit nicht identisch verschwindendem am, so ist der durch a definierte Pseudodifferentialoperator ein Differentialoperator, a gehört zur Symbolklasse Sm, und am ist das Hauptsymbol von A. Ein weiterer Spezialfall von Pseudodifferentialoperatoren sind Integraloperatoren mit glattem Integralkern.

Mit diesen Definitionen zeigt man nun, daß sich ein (kanonischer) Pseudodifferentialoperator T der Ordnung m sehr ähnlich einem Differentialoperator der Ordnung m verhält. T läßt sich nämlich für alle s zu einem beschränkten Operator Ts vom Sobolew-Raum Hs+m in den Hs fortsetzen. Anders als Differentialoperatoren vergrößern Pseudodifferentialoperatoren aber den Träger, es läßt sich sogar zeigen, daß ein Pseudodifferentialoperator T dann und nur dann ein Differentialoperator ist, wenn supp Tu ⊂ supp u.

Betrachtet man Pseudodifferentialoperatoren in Vektorbündeln über Mannigfaltigkeiten, will man die Adjunkte eines Pseudodifferentialoperators oder die Verkettung zweier Pseudodifferentialoperatoren berechnen, so entsteht das Problem, daß beim Wechsel der lokalen Koordinaten oder beim Adjungieren zunächst formal nur ein Fourier-Integraloperator entsteht. Der Satz von Kuranishi erlaubt jedoch das Umschreiben gewisser Fourier-Integraloperators in einen Pseudodifferentialoperator unter gewissen Voraussetzungen an die Phasenfunktion und die Amplitudenfunktion, vergleiche hierzu Fourier-Integraloperatoren.

Das Hauptsymbol am(y, η) des transformierten Pseudodifferentialoperators läßt sich durch das Hauptsymbol am des ursprünglichen Operators ausdrücken: Ist F : xF(x) = y die Koordinatenwechsel-Abbildung zwischen den Koordinaten x und y, so gilt \begin{eqnarray}{{a}^{\prime}}_{m}(y,\eta )={a}_{m}({F}^{-1}(y),DF(x)\xi ),\end{eqnarray}

wobei DF die Jacobi-Matrix von F ist. Damit transformiert sich ξ wie ein Kovektor und das Hauptsymbol wie ein Bündelmorphismus, sodaß das Hauptsymbol und der Pseudodifferentialoperator wohldefiniertete globale Objekte darstellen. Damit existiert eine wohldefinierte Abbildung σm, die einem Pseudodifferentialoperator der Ordnung m sein Hauptsymbol zuordnet. Diese Abbildung ist durch folgende Eigenschaften charakterisiert: Ist A ein Pseudodifferentialoperator der Ordnung m und B ein Pseudodifferentialoperator der Ordnung n, dann ist \begin{eqnarray}\begin{array}{lll}{\sigma }_{m+n}(AB) & = & {\sigma }_{m}(A){\sigma }_{n}(B)\\ {\sigma }_{m}(A* ) & = & {\sigma }_{m}(A)* \\ {\sigma }_{m}(A+B) & = & {\sigma }_{m}(A)+{\sigma }_{m}(B)\,\text{f}{\rm\ddot{u}}\text{r}\,m=n.\end{array}\end{eqnarray}

Abstrakt formuliert ist die Symbolabbildung ein Algebrenmorphismus von der nichtkommutativen Algebra der Differentialoperatoren der Ordnung m in die kommutative Algebra der kanonischen Symbole der Ordnung m, dessen Kern für kompakte Basismengen die Algebra der kanonischen Pseudodifferentialoperatoren der Ordnung m − 1 ist.

Pseudodifferentialoperatoren haben ein weites Anwendungsgebiet. Es reicht vom Studium oszillierender Integrale zur Berechnung asymptotischer Reihen von Lösungen von Differentialgleichungen bis zur Semiklassik und zur Theorie elliptischer Operatoren.

In der Semiklassik sucht man zu einer klassischen Observablen einen Pseudodifferentialoperator, dessen Hauptsymbol durch diese Observable gegeben ist. Zusätzlich bringt man im Pseudodifferentialoperator einen Parameter ħ an, der die physikalische Interpretation des Wirkungsquantums erhält. Man spricht dann von einer „Quantisierung“ der klassischen Observablen. Entgegen den klassischen Observablen vertauschen jedoch die quantisierten Größen nicht mehr, was der physikalischen Unschärferelation Rechnung trägt. Man untersucht nun in der Semiklassik den Zusammenhang zwischen den Lösungen der klassischen Bewegungsgleichung und ihrer quantisierten Form in Pseudodifferentialoperatoren, etwa indem man Objekte wie die Wellen-Front-Menge der Lösungen studiert.

In der Theorie der elliptischen Operatoren konstruiert man mit Hilfe von Pseudodifferentialoperatoren zu einem gegeben elliptischen Operator eine Parametrix oder Pseudoinverse, indem man aus dem Inversen des Hauptsymboles des zu untersuchenden Operators einen Pseudodifferentialoperator konstruiert. Aufgrund der Existenz einer Parametrix folgert man, daß der untersuchte Operator sogar ein Fredholm-Operator ist, d. h., die Dimension des Kerns und des Kokerns endlich ist. Weiterhin kann man auf diesem Wege den Regularitätssatz elliptischer Operatoren sowie die Gårding-Ungleichung beweisen.

[1] Hörmander, L.: The analysis of linear partial differential operators I-IV. Springer-Verlag Heidelberg/Berlin, 1985.
[2] Peterson, B.E.: Introduction to the Fourier transform and pseudo-differential operators. Pitman London, 1983.
[3] Taylor, M.E.: Pseudodifferential operators. Princeton Univ. Press, 1981.

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  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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