Direkt zum Inhalt

Lexikon der Mathematik: rationale Zahlen

Ergebnis der Erweiterung des Integritätsrings \({\mathbb{Z}}\) der ganzen Zahlen zu einem Körper \({\mathbb{Q}}\).

Zurückgehend auf Heinrich Weber (1895) definiert man \({\mathbb{Q}}\) meist als den Quotientenkörper zu \({\mathbb{Z}}\), d. h. als Menge von Äquivalenzklassen bzgl. der durch \begin{eqnarray}(a,b)\sim(c,d):\iff ad=bc\end{eqnarray} auf den Paaren \({\mathbb{Z}}\times ({\mathbb{Z}}\backslash \{0\})\) erklärten Äquivalenzrelation. Für \(a,b\in {\mathbb{Z}}\) mit b ≠ 0 sei der Bruch \(\frac{a}{b}\) die Äquivalenzklasse von (a, b) bzgl. ∼. Für \(({a}_{1},{b}_{1})\sim({a}_{2},{b}_{2})\) und \(({c}_{1},{d}_{1})\sim({c}_{2},{d}_{2})\) gilt \begin{eqnarray}({a}_{1}{d}_{1}+{b}_{1}{c}_{1},{b}_{1}{d}_{1})\sim({a}_{2}{d}_{2}+{b}_{2}{c}_{2},{b}_{2}{d}_{2}),\end{eqnarray} d. h. die Definition \begin{eqnarray}\frac{a}{b}+\frac{c}{d}:=\frac{ad+bc}{bd}\end{eqnarray} ist sinnvoll. Ebenso ist die Definition \begin{eqnarray}\frac{a}{b}\cdot \frac{c}{d}:=\frac{ac}{bd}\end{eqnarray} sinnvoll. Mit der Null \(0:=\frac{0}{1}\), der Eins \(1:=\frac{1}{1}\), der durch \begin{eqnarray}\begin{array}{cc}-\displaystyle\frac{a}{b}:=\displaystyle\frac{-a}{b} & \left(\text{Negatives zu}\,\displaystyle\frac{a}{b}\right)\end{array}\end{eqnarray} gegebenen additiven Inversenoperation und der durch \begin{eqnarray}\begin{array}{cc}{\left(\displaystyle\frac{a}{b}\right)}^{-1}:\displaystyle\frac{b}{a} & \left(\text{Reziprokes zu}\,\displaystyle\frac{a}{b}\ne 0\right)\end{array}\end{eqnarray} gegebenen multiplikativen Inversenoperation ist \(({\mathbb{Q}},+,0,\cdot,1)\) ein Körper, nämlieh der kleinste ℤ umfassende Körper, d. h., jeder ℤ umfassende Körper besitzt einen zu ℚ isomorphen Unterkörper. Mit den obigen Definitionen der Addition und der Multiplikation weist man leicht die restlichen Regeln der Bruchrechnung nach.

Beispielsweise mit dem ersten Cantorschen Diagonalverfahren sieht man, daß die Menge ℚ abzählbar ist: Man schreibt die Brüche nach dem Nenner geordnet in Zeilen

Abbildung 1 zum Lexikonartikel rationale Zahlen
© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2017
 Bild vergrößern

und schreitet sie von oben links her entlang derjenigen Diagonalen, auf denen Brüche mit konstanter Summe aus Zähler und Nenner stehen, ab, also \begin{eqnarray}\frac{1}{1},\frac{1}{2},\frac{2}{1},\frac{1}{3},\frac{2}{2},\frac{3}{1},\ldots.\end{eqnarray} Ergänzt man noch die Null und die negativen Brüche, so kommt man zu einer Abzahlung \begin{eqnarray}0,-\frac{1}{1},\frac{1}{1},-\frac{1}{2},\frac{1}{2},-\frac{2}{1},\frac{2}{1},\ldots \end{eqnarray} von ganz ℚ, also einer surjektiven Abbildung \(\varphi :{\mathbb{N}}\to {\mathbb{Q}}\). Durch Weglassen kürzbarer Brüche läßt sich auch eine bijektive Abbildung von ℕ auf ℚ erreichen.

Die Abbildung \begin{eqnarray}\Phi :{\mathbb{Z}}\ni a\mapsto \frac{a}{1}\in {\mathbb{Q}}\end{eqnarray} bettet den Integritätsring ℤ in den Körper ℚ ein. Mit den positiven rationalen Zahlen \begin{eqnarray}{{\mathbb{Q}}}_{+}:=\left\{\frac{a}{b}|a,b\in {\mathbb{Z}},ab\gt 0\right\}\end{eqnarray} gilt \({\mathbb{Q}}=-{{\mathbb{Q}}}_{+}\uplus \{0\}\uplus {{\mathbb{Q}}}_{+}\) (Trichotomie). Die Ordnung von ℤ wird durch \begin{eqnarray}a\lt b:\iff b-a\in {{\mathbb{Q}}}_{+}\end{eqnarray} für \(a,b\in {\mathbb{Q}}\) zu einer Ordnung auf ℚ fortgesetzt. Damit ist ℚ ein archimedischer Körper.

Alternativ kann man ℚ einführen, indem man zuerst die reellen Zahlen axiomatisch als vollständigen archimedischen Körper definiert, dann darin die natürlichen und die ganzen Zahlen erklärt und die rationalen Zahlen als diejenigen reellen Zahlen definiert, die sich als Quotient a/b := ab−1 zweier Zahlen \(a,b\in {\mathbb{Z}}\), wobei b ≠ 0, schreiben lassen. Dabei ist zu zeigen, daß ℚ gegenüber der von ℝ geerbten Addition und Multiplikation abgeschlossen ist.

(ℚ, ≤) ist keine vollständige Ordnung, beispielsweise hat die Menge \(M:=\{x\in {\mathbb{Q}}|{x}^{2}\lt 2\}\) in ℚ kein Supremum. Ferner ist ℚ kein vollständiger Körper, denn z. B. wird durch a1 := 1 und \({a}_{n+1}:={a}_{n}/2+1/{a}_{n}\) für n ∈ ℕ eine Gauchy-Folge (an) definiert, die in ℚ nicht konvergiert. Es gibt kein \(x\in {\mathbb{Q}}\) mit x2 = 2. Die minimale Erweiterung von ℚ zu einem vollständigen Körper führt zu den reellen Zahlen. Dort hat M ein Supremum, und die Cauchy-Folge (an) konvergiert, nämlich gegen \(x=\sqrt{2}\) = sup M mit \({x}^{2}=2\).

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.