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Lexikon der Mathematik: Russell, Bertrand Arthur William

Mathematiker, Philosoph, Sozialwissenschaftler und Politiker, geb. 18.5.1872 Ravenscroft b. Trelleck, Monmouthshire (Wales), gest. 2.2.1970 Penrhyndeudraeth, Merionethshire (Wales).

Russell, aus einer Familie des englischen Hochadels stammend, wurde von Hauslehrern und in Old Southgate ausgebildet. Er studierte 1890 bis 1895 in Cambridge Mathematik, u. a. bei A.N. Whitehead, und Philosophie. 1896 hielt er Vorlesungen an der School of Economics in London über die deutsche Sozialdemokratie. Über dieses Thema schrieb er auch sein erstes Buch (1896). Es folgten Vorlesungen in Bryn Mawr und Baltimore über nichteuklidische Geometrie. Seine Dissertation kam 1897 unter dem Titel „An Essay on the Foundations of Geometry“ heraus. 1898 las er über Leibniz in Cambridge (1900: A Critical Exposition of the Philosophy of Leibniz). Unter dem Einfluß von G.Peano wandte er sich ab 1900 verstärkt der mathematischen Logik zu („The Principles of Mathematics“, 1903). Ab 1901 arbeitete er mit Whitehead an den „Principia Mathematica“, entdeckte 1901 die Antinomie der „Menge aller Mengen“, las in Cambridge über mathematische Logik, schrieb jedoch auch „rhytmische Prosa“. Im Jahre 1905 fand er die „Theorie der Beschreibung“, 1906 die „Typentheorie“. Die „Principia“ wurden 1913 vollendet. In den „Principia“ vermieden die Verfasser alle bekannten semantischen und logischen Antinomien. Sie waren aber gezwungen, das Reduzibilitätsaxiom einzuführen, das größte Bedenken hervorrief. Später wurde von Russell und Whitehead dieses Axiom wieder fallengelassen (1925). Da dafür kein Ersatz angeboten werden konnte, geriet der Logizismus in grundsätzliche Schwierigkeiten. Seit 1901 stand Russell dem Pazifismus nahe, engagierte sich politisch (Freihandel, Parlamentswahlen, Frauenstimmrecht), wurde 1910 a. o. Professor für die Grundlagen der Mathematik in Cambridge, lehrte und lebte danach sehr oft in den USA, u. a. in Boston. In den USA ist Russell mehrfach aus „moralischen Gründen“ sehr heftig angefeindet worden. Ab etwa 1916 wurde er in England wegen seiner pazifistischen Einstellung zunehmend politisch isoliert, 1916 seiner Dozentur in Cambridge enthoben, und 1918 wegen eines Zeitungsartikels zu einer halbjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Im Gefängnis schrieb er „Introduction to Mathematical Philosophy“ und begann mit den Arbeiten für „Analysis of Mind“. 1918 weigerte sich Russell, die Professur in Cambridge wieder anzunehmen, und lebte fortan als Schriftsteller und Journalist. Er besuchte Rußland (1920) und hielt Vorlesungen in Peking (1920/21). Er schrieb Bücher über Pädagogik (1926), China (1922), die industrielle Revolution (1923) und die berühmten „The A.B.C. of Atoms“ (1923) und „The A.B.C. of Relativity“ (1925), sowie über Moralphilosophie („The Analysis of Matter“, 1927). Er gründete eine Schule und leitete sie selbst bis 1932. Es entstanden „Education and the Social Order“ (1932) und „Freedom and Organization 1814-1914“ (1934).

Unter dem Eindruck der Naziherrschaft in Deutschland gab Russell weitgehend seine Theorie der Widerstandslosigkeit und des Pazifismus auf, wandte sich gegen jede Art von totalitärem Staat und begann, über „theoretische Philosophie“ zu arbeiten. Er schrieb „History of Western Philosophy“ und „An Inquiry into Meaning and Truth“ (1940). Im Jahre 1944 wurde ihm in Cambridge wieder eine Professur angeboten, Russell nahm an und kehrte nach England zurück. Die Gefahr eines Atomkrieges regte ihn zu neuem politischen Engagement an. Er söhnte sich um 1950 mit der englischen Gesellschaft aus, hielt weltweit Vorlesungen über Probleme des „Kalten Krieges“, über die Bedeutung naturwissenschaftlichen Fortschritts für die politischen Machtverhältnisse, und über Philosophie. Er arbeitete über Ethik und schrieb Erzählungen. 1950 erhielt Russell den Nobelpreis für Literatur.

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  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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