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Lexikon der Mathematik: Spektralfolge

Spektralsequenz, eine Folge von Differentialmoduln (Er, dr)r∈ℕ über einem kommutativen Ring R derart, daß der Modul Er+1 der Homologiemodul von (Er, dr) ist.

Ein Modul (Er, dr) heißt ein Differentialmodul, falls Er ein Modul ist, und falls dr : ErEr ein Modulhomomorphismus ist, für den drdr = 0 gilt. Die Abbildung dr heißt auch ein Differential. Der (Ko-)Homologiemodul ist definiert als H(Er, dr) := Ker dr/Im dr. Ist der Grundring ein Körper, so sind die Differentialmodule Vektorräume, versehen mit einer Differentialabbildung. Ist der Grundring der Ring der ganzen Zahlen, so sind die Differentialmodule abelsche Gruppen zusammen mit einer Differentialabbildung. Allgemeiner kann man Spektralfolgen auch in beliebigen abelschen Kategorien definieren.

Bei vielen Anwendungen ist der Differentialmodul Er ein bigraduierter Modul \begin{eqnarray}{E}_{r}=\mathop{\bigoplus}\limits_{p,q\in {\mathbb{Z}}}{E}_{r}^{p,q},\end{eqnarray} und das Differential dr ist ein Differential vom Bigrad (r, 1 − r), d. h. es gilt \begin{eqnarray}{d}_{r}:{E}_{r}^{p,q}\to {E}_{r}^{p+r,q+1-r}.\end{eqnarray} Der Kohomologiemodul H(Er, dr), der mit Er+1 identifiziert wird, besitzt ebenfalls eine bigraduierte Struktur \begin{eqnarray}{E}_{r+1}^{p,q}=\frac{\ker {d}_{r}:{E}_{r}^{p,q}\to {E}_{r}^{p+r,q+1-r}}{\text{im}\ \ \text{}\ {d}_{r}:{E}_{r}^{p-r,q+r-1}\to {E}_{r}^{p,q}}.\end{eqnarray} Bei dieser Definition ist die Spektralfolge vom Kohomologietyp. Ist das Differential vom Bigrad (−r, r − 1), so handelt es sich um eine Spektralfolge vom Homologietyp. Im folgenden werden solche vom Kohomologietyp betrachtet.

Spektralfolgen, die von bigraduierten Moduln herkommen, lassen sich als eine Folge von ebenen Diagrammen darstellen. Die \({E}_{r}^{p,q}\) sitzen an den Punkten mit den ganzzahligen Koordinaten (p, q) in der r-ten Ebene. Die Morphismen dr sind für festes r gegeben durch Pfeile eines festen Typs, ausgehend von jedem dieser Punkte. So geht d1 jeweils einen (ganzzahligen) Schritt nach rechts, d2 geht zwei Schritte nach rechts und einen nach unten, usw.

Ausgehend vom Term E2 definiert solch eine Spektralfolge einen Turm von Untermoduln von E2\begin{eqnarray}{B}_{2}\subseteq {B}_{3}\subseteq \cdots \subseteq {B}_{n}\subseteq \cdots \subseteq {C}_{n}\subseteq \cdots \subseteq {C}_{2}\subseteq {E}_{2}\end{eqnarray} mit En+1Cn/Bn. Das Differential dn+1 kann als Abbildung Cn/BnCn/Bn gegeben werden mit Kern Cn+1/Bn und BildBn+1/Bn. Sei \begin{eqnarray}{C}_{\infty}=\mathop{\bigcap}\limits_{n\ge 2}{C}_{n}\ \,\,\,\text{und}\,\,\,\, {B}_{\infty}=\mathop{\bigcup}\limits_{n\ge 2}{B}_{n}\end{eqnarray} sowie E = C/B. Dieser Modul trägt eine natürlich bigraduierte Struktur, die von der Struktur von E2 herkommt: \begin{eqnarray}{E}_{r}=\mathop{\bigoplus}\limits_{p,q\in {\mathbb{Z}}}{E}_{\infty}^{p,q}.\end{eqnarray} Gilt dr = 0 für ein rN, so folgt E = EN. Man sagtdann: Die Spektralfolge ist am N-ten Term degeneriert. Solch eine Degeneration tritt immmer auf, wenn \begin{eqnarray}\begin{array}{ccc}{E}_{2}^{p,q}\ne 0 & \text{nur f}\mathrm{\ddot{u}}\text{r} & 0\le p\le {n}_{1},\,\,0\le q\le {n}_{2}\end{array}\end{eqnarray} mit geeigneten n1 und n2.

Ist H* = ⊕n∈ℤHn ein graduierter Modul, der filtriert ist, d. h., es gibt eine Sequenz von Untermoduln \begin{eqnarray}\cdots \subseteq {F}^{p+1}H* \subseteq {F}^{p}H* \subseteq {F}^{p-1}H* \cdots, \end{eqnarray} so setzt man FpHn := FpH* ∩ Hn und \begin{eqnarray}G{r}^{p,q}(H*, F):={F}^{p}{H}^{p+q}/{F}^{p+1}{H}^{p+q}.\end{eqnarray} Man sagt, eine Spektralfolge (Er, dr) (alle Er seienbigraduiert) konvergiere zu H*, falls es eine Filtrie-rung F von H* gibt mit \begin{eqnarray}G{r}^{p,q}({H}^{*},F)\cong {E}_{\infty}^{p,q}.\end{eqnarray} Ist man in der Lage, die Spektralfolge zu berechnen, so liefert diese eine Möglichkeit, den graduierten Modul \begin{eqnarray}Gr(H^*)=\mathop{\bigoplus}\limits_{p\in {\mathbb{Z}}}{F}^{p}H^* /{F}^{p+1}H^* \end{eqnarray} von H* bezüglich der Filtrierung F zu berechnen. Degeneriert die Spektralfolge, so ist sie besondersnützlich zur Berechnung von Gr(H*).

Spektralfolgen sind wichtige technische Hilfsmittel zur Berechnung von (Ko-)Homologieobjekten. Die Leray-Spektralfolge berechnet die (Ko-)Homologie von filtrierten Komplexen. Die Leray-Serre-Spektralfolge berechnet die Homologie filtrierter topologischer Räume, speziell die Homologie der CW-Komplexe. Die Eilenberg-Moore-Spektralfolge findet Anwendung bei der Berechung der Homologie von Faserungen. Die Adams-Spektralfolge wird eingesetzt zur Berechnung der stabilen Homotopie-gruppen.

[1] McCleary, J.: User’s Guide to Spectral Sequences. Publishor Perish, 1985.

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  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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