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Lexikon der Mathematik: supersymmetrische Quantenmechanik

Quantenmechanik über einem Phasenraum, dessen Koordinaten teilweise antikommutieren, mit einer Symmetrie, die in einer relativistischen Theorie die Vertauschung von Fermionen und Bosonen bedeutet.

𝒢n sei eine Graßmann-Algebra mit den n Erzeugern ξA, die den Beziehungen \begin{eqnarray}{\xi}^{A}{\xi}^{B}+{\xi}^{B}{\xi}^{A}=0\end{eqnarray}

per Definition der Graßmann-Algebra genügen. 𝒢n hat als Vektorraum die Dimension 2n. Jedes Element von 𝒢n kann nach der aus den ξA gebildeten Basis entwickelt werden. In 𝒢n gibt es „gerade“ Elemente \begin{eqnarray}{q}^{i}(t)\text{}=\text{}{q}_{0}^{i}(t)\text{}+\text{}{q}_{AB}^{i}(t){\xi}^{A}{\xi}^{B}\text{}+\text{}\cdot \cdot \text{}\cdot \end{eqnarray}

und „ungerade“ Elemente \begin{eqnarray}{\vartheta}^{\alpha}(t){\xi}^{A}+{\vartheta}_{ABC}^{i}(t){\xi}^{A}{\xi}^{B}{\xi}^{C}\text{}+\text{}\cdot \cdot \text{}\cdot \end{eqnarray}

(t bezeichnet die Zeitkoordinate, die Einsteinsche Summenkonvention ist zu beachten). Es gelten im Rahmen der klassischen Theorie folgende Vertauschungsrelationen: \begin{eqnarray}\begin{array}{l}{q}^{i}{q}^{j}\text{}-\text{}{q}^{j}{q}^{i}\text{}=\text{}0,\\ {\vartheta}^{\alpha}{q}^{i}-\text{}{q}^{i}{\vartheta}^{\alpha}\text{}=\text{}0,\\ {\vartheta}^{\alpha}{\vartheta}^{\beta}\text{}+{\vartheta}^{\beta}{\vartheta}^{\alpha}\text{}=\text{}0.\end{array}\end{eqnarray}

Unter Superfunktionen f (q, ϑ) versteht man Ausdrücke der Form \begin{eqnarray}{f}_{0}({q}^{j})\text{}+\text{}{f}_{\alpha}({q}^{j}){\vartheta}^{\alpha}+\text{}{f}_{\alpha \beta}({q}^{j}){\vartheta}^{\alpha}{\vartheta}^{\beta}+\text{}\ldots \end{eqnarray}

Die Ableitung von f (q, ϑ) nach ϑµ wird durch die Vorschrift „ϑk nach links vertauschen und dann streichen“ definiert. Die qi und ϑα sind die Koordinaten des klassischen Phasenraums. Über diesem Phasenraum wird ein Lagrange- und Hamiltonformalismus aufgebaut, der zu einer Verallgemeinerung der Poisson-Klammern führt. Der Übergang zur Quantentheorie erfolgt dann in der bekannten Weise. Die Einführung der ungeraden Variablen ist durch den Wunsch motiviert, eine klassische Beschreibung von Fermionen zu haben, auf die eine Quantisierung gesetzt werden kann.

Beispiel: A sei eine gerade Variable, und ψ1, ψ2 seien reell und ungerade. Als Wirkungsfunktional wählen wir \begin{eqnarray}S[A,{\psi}_{1},{\psi}_{2}]=\displaystyle \int dt\left(\frac{1}{2}{\dot{A}}^{2}+i{\dot{\psi}}_{2}{\dot{\psi}}_{1}\right).\end{eqnarray}

Daraus ergeben sich die Impulskomponenten \({p}_{A}=\dot{A},\,{p}_{{\dot{\psi}}_{1}}=-i{\dot{\psi}}_{2},\,{p}_{{\dot{\psi}}_{2}}=i{\dot{\psi}}_{1}\), und die Hamilton-Funktion \begin{eqnarray}H=\frac{1}{2}{p}_{A}^{2}+i{p}_{{\psi}_{1}}{p}_{{\psi}_{2}}.\end{eqnarray}

Schließlich erfolgt der Übergang zur Quantentheorie durch die Einführung von Hermiteschen Operatoren \(\hat{A},\,{\hat{p}}_{A}.{\hat{\psi}}_{1},\,{\hat{\psi}}_{2}\) und anti-Hermiteschen Operatoren \(\hat{{p}_{{\psi}_{1}}},\,\hat{{p}_{{\psi}_{2}}}\), die den Vertauschungsrelationnen \(\hat{A}\hat{{p}_{A}}-\hat{{p}_{A}}\hat{A}=i {\unicode {x00127}},\,{\hat{\psi}}_{1}\hat{{p}_{{\psi}_{1}}}+\hat{{p}_{{\psi}_{2}}}{\hat{\psi}}_{1}=-i{\unicode {x00127}},\,{\hat{\psi}}_{2}\hat{{p}_{{\psi}_{1}}}+\hat{{p}_{{\psi}_{1}}}{\hat{\psi}}_{2}=-i{\unicode {x00127}}\) genügen müssen (alle anderen Kommutatoren bzw. Antikommutatoren verschwinden). Die Lagrange-Funktion des Wirkungsfunktionals ist gegen \(\delta A={\dot{\psi}}_{1}\varepsilon \), δψ1 = 0, δψ2 = iA˙ϵ invariant, wobei ϵ ein ungerader imaginärer, von der Zeit unabhängiger Parameter ist (globale Transformation).

Diese Transformation ist ein Beispiel für eine Supersymmetrie-Transformation, bei der gerade (bosonische) und ungerade (fermionische) Freiheitsgrade „vermischt“ werden. Ein einfaches nichtrelativistisches, nichtlineares, eindimensionales supersymmetrisches Modell ist durch den Hamilton-Operator in der Ortsdarstellung \begin{eqnarray}\hat{H}=\frac{1}{2}\left(-\frac{{\unicode {x00127}}^{2}}{m}\frac{{d}^{2}}{d{x}^{2}}+W{(x)}^{2}\right)I-\frac{\unicode {x00127}}{\sqrt{m}}\frac{dW}{dx}\frac{{\sigma}^{2}}{2}\end{eqnarray}

gegeben. Dabei ist I die Einheitsmatrix und \begin{eqnarray}{\sigma}^{2}=\left(\begin{array}{cc}1 & 0\\ 0 & -1\end{array}\right).\end{eqnarray}

Die Funktion W (x) wird Superpotential genannt. Mit \begin{eqnarray}B\pm :=\frac{1}{\sqrt{2}}\left(W\mp \frac{\unicode {x00127}}{\sqrt{m}}\frac{d}{dx}\right)\end{eqnarray}

werden die Operatoren \begin{eqnarray}{Q}_{1}:=\left(\begin{array}{cc}0 & {B}^{+}\\ {B}^{-} & 0\end{array}\right)\,\text{und}\,\,{Q}_{2}:=\left(\begin{array}{cc}0 & i{B}^{+}\\ i{B}^{-} & 0\end{array}\right)\text{}\end{eqnarray}

definiert. Sypersymmetrie bedeutet dann, daß \(\hat{H}\) mit Q1 und Q2 kommutiert. Mit dem Ansatz \begin{eqnarray}W(x)=\frac{\unicode {x00127}\alpha}{\sqrt{m}}\,\tanh \alpha x\end{eqnarray}

(α eine Konstante) bekommt man zwei Partnersysteme mit reflektionslosen Potentialen (reflexionsfreies Potential). Zwei Partnerpotentiale V1 (x, a1), V2 (x, a2) heißen forminvariant, wenn gilt \begin{eqnarray}{V}_{2}(x,\text{}{a}_{1})\text{}=\text{}{V}_{1}(x,\text{}{a}_{2})\text{}+\text{}R({a}_{1})\text{}.\end{eqnarray}

Solche Potentiale gestatten die Lösung des Eigenwertproblems auf rein algebraische Weise. Aus diesen beiden Potentialen läßt sich eine Kette von Potentialen mit der Eigenschaft \begin{eqnarray}{V}_{s}(x,\text{}{a}_{1})\text{}=\text{}{V}_{1}(x,\text{}{a}_{s})\text{}+\displaystyle \sum _{k=1}^{s-1}R({a}_{k})\end{eqnarray}

so konstruieren, daß Vs und Vs+1 supersymmetrische Partnerpotentiale sind. Mit den ersichtlichen Definitionen kann man zeigen, daß sich jeder angeregte Zustand des ersten Systems Ψn (x, a1) aus seinem Grundzustand wie folgt berechnen läßt: \begin{eqnarray}\begin{array}{l}{\Psi}_{n}(z,{a}_{1})\\ =\displaystyle\frac{{B}_{1}^{+}{B}_{2}^{+}\ldots {B}_{n}^{+}}{{({E}_{n}-{E}_{0})}^{1/2}\ldots {({E}_{n}-{E}_{n-1})}^{1/2}}{\Psi}_{0}(x,{a}_{n+1}).\end{array}\end{eqnarray}

Der Operator vor dem Ausdruck >0 (x, an+1) wird verallgemeinerter Leiteroperator genannt; ähnliche Operatoren treten in der gewöhnlichen Quantentheorie auf (Fock-Raum). Sie gestatten es, Zustände mit einer bestimmten Besetzung von Teilchen aus dem Grundzustand zu konstruieren. Man nennt sie Stufen- oder Leiteroperatoren. Die Forderung nach lokaler Supersymmetrie (Invarianz gegenüber einer Supertransformation, die vom Raum-Zeit-Punkt abhängt) führt auf eine Supergravitationstheorie.

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  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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