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Lexikon der Mathematik: transzendente Zahl

eine komplexe Zahl, die keine algebraische Zahl ist.

Vermutlich als erster verwendete Leibniz Anfang des 18. Jahrhunderts den Ausdruck „transzendent“ als Synonym für „nicht-algebraisch“, allerdings nur bezogen auf Kurven. Diese Unterscheidung hatte bereits Descartes gemacht, der zwischen „geometrischen“ (bei Leibniz: „algebraischen“) und „mechanischen“ (bei Leibniz: „transzendenten“) Kurven unterschied.

Euler benutzte in seiner Introductio in analysin infinitorum 1745 den Term quantitas transcendens für eine Größe, für deren Beschreibung algebraische Methoden nicht ausreichten. Ein wenig präziser war Lambert, der 1761 nachwies, daß die Kreiszahl π irrational (also nicht als Bruch ganzer Zahlen darstellbar) ist. Lambert vermutete, daß π transzendent (im heutigen Sinn) sei, und brachte dies mit dem Problem der Quadratur des Kreises in Zusammenhang:

Dans ce cas, la longueur de l’arc sera une quantité transcendante, ce qui veut dire irreductible a quelque quantité rationnelle ou radicale, et par la elle n’admet aucune construction géométrique.

Dieses Problem wurde schließlich 1882 von Lindemann in seiner berühmten Arbeit „Über die Zahl π“ gelöst. Erbewies in dieser Arbeit, daß π eine transcendente Zahl ist, was insbesondere zur Folge hat, daß die Quadratur des Kreises durch Konstruktionen mit Zirkel und Lineal nicht in endlich vielen Schritten durchführbar ist (Hermite-Lindemann, Satz von).

Liouville war es 1844 bereits gelungen, durch Anwendung des nach ihm benannten Approximationssatzes, ein auf Kettenbrüchen beruhendes Verfahren zur Konstruktion transzendenter Zahlen zu beschreiben. So zeigte er z. B. die Transzendenz der Zahl \begin{eqnarray}\displaystyle \sum _{n=1}^{\infty}\frac{1}{{10}^{n!}}=0,\ 11000100\ldots.\end{eqnarray}

Etwa 20 Jahre später zeigte Georg Cantor, daß die Menge der reellen Zahlen überabzählbar ist, während die Menge der algebraischen Zahlen abzählbar, also gleichmächtig zur Menge der natürlichen Zahlen, ist. Damit sind „fast alle“ reellen Zahlen transzendent.

Dennoch kann es recht schwierig sein, die Transzendenz einer gegebenen reellen Zahl nachzuweisen: Wir wissen z. B. durch Hermite, Lindemann und Gelfand, daß e, π und eπ transzendent sind, aber die Transzendenz von e + π und ist noch immer offen, siehe hierzu Schanuelsche Vermutung.

Die Transzendenztheorie, die aus Fragen über die algebraische Abhängigkeit komplexer Zahlen entstand, besticht bis heute sowohl durch die Tiefe der gelösten Probleme (z. B. das siebte Hilbertsche Problem), als auch durch den Methodenreichtum (z. B. Hermite-Mahler, oder Bakers Linearformen in Logarithmen) und die Zahl von interessanten offenen Probleme.

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  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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