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Lexikon der Mathematik: Weierstraßsche σ-Funktion

Eine ganz transzendente Funktion mit speziellen Eigenschaften. Zur Definition sei L ⊂ ℂ ein Gitter, d. h. \begin{eqnarray} L = \mathbb{Z} \omega_{1}+ \mathbb{Z} \omega_{2} = \{ n_{1} \omega_{1} + n_{2} \omega_{2} : n_{1}, n_{2} \in \mathbb{Z} \}, \end{eqnarray} wobei ω1, ω2 ∈ ℂ \ {0} und \begin{eqnarray} Im \: \frac{\omega_{2}}{\omega_{1}} > 0 \: . \end{eqnarray}

Dann ist die Weierstraßsche σ-Funktion zum Gitter L definiert durch \begin{eqnarray} \sigma (z) := z \underset{\omega \in L'}{\sqcap} [ (1 – \frac{z}{\omega}) \: exp \: (\frac{z}{\omega} + \frac{1}{2} (\frac{z}{\omega})^{2} ) ] \: , \end{eqnarray} wobei L' := L \ {0}. Um die Abhängigkeit vom Gitter L deutlich zu machen, schreibt man oft ausführlicher σ(z;L) oder σ(z;ω1,ω2).

Nach dem Produktsatz von Weierstraß (Weierstraß, Produktsatz von) ist σ eine ganz transzendente Funktion. Es ist σ eine ungerade Funktion, d. h. σ(-z) = -σ(z) für z ∈ ℂ. Die Nullstellenmenge von σ stimmt mit L überein, und jede Nullstelle von σ hat die Nullstellenordnung 1.

Die logarithmische Ableitung von σ ist die sog. Eisenstein-Weierstraßsche ℘-Funktion. Es gilt \begin{eqnarray} \wp(z) = \frac{\sigma ' (z)}{\sigma (z)} = \frac{1}{z} + \underset{\omega \in L'}{\sum} [ \frac{1}{z – \omega} + \frac{1}{\omega} + \frac{z}{\omega^{2}} ] \: . \end{eqnarray}

Man beachte, daß diese Funktion nicht mit der Riemannschen ζ-Funktion zu verwechseln ist!

Weiter gilt \begin{eqnarray} -\zeta'(z)=\frac{1}{z^{2}}+\underset{\omega \in L'}{\sum} [\frac{1}{(z-\omega)^{2}} – \frac{1}{\omega^{2}}] \: , \end{eqnarray} und dies ist gerade die Weierstraßsche ℘-Funktion.

Während ℘ eine elliptische Funktion mit den beiden linear unabhängigen Perioden ω1 und ω2 ist, haben σ und ζ keinerlei Perioden. Jedoch erfüllen sie eine Art Quasiperiodizitätseigenschaft. Setzt man nämlich \begin{eqnarray} \eta k := \zeta (\frac{\omega_k}{2}) \end{eqnarray} für k = 1, 2, so gilt jeweils für k = 1, 2 \begin{eqnarray} \zeta (z + \omega_k ) – \zeta (z) = 2\eta_k \: , z \in \mathbb{C} \: \setminus L. \end{eqnarray} und \begin{eqnarray} \sigma (z + \omega_k ) = -e^{\eta_k (2z+\omega_k)} \sigma (z) \: , \: z \in \mathbb{C} \: . \end{eqnarray} Weiter gilt die Legendre-Relation \begin{eqnarray} \eta_1 \omega_2 – \eta_2 \omega_1 = \pi i . \end{eqnarray} Die σ-Funktion spielt eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit elliptischen Funktionen, denn man kann jede elliptische Funktion mit Hilfe der σ-Funktion darstellen. Dazu sei f eine elliptische Funktion der Ordnung m ≥ 2 zum Gitter L. Weiter seien a1,..., am die Null- und b1,...,bm die Polstellen von f im Periodenparallelogramm P. Dabei ist jede Null- bzw. Polstelle so oft aufzuführen wie ihre Null- bzw. Polstellenordnung angibt. Dann gilt \begin{eqnarray} f(z) = c \cdot \frac{\sigma (z – a_1) \sigma (z – a_2) ... \sigma (z – a_m)}{\sigma (z – b_1) \sigma (z – b_2) ... \sigma (z – b_m)} , \end{eqnarray} wobei c ∈ ℂ eine im Einzelfall zu bestimmende Konstante ist.

Umgekehrt kann man auf diese Weise elliptische Funktionen mit vorgegebenen Null- und Polstellen konstruieren, und man erhält einen Beweis des Abelschen Theorems.

Aus dieser Darstellung kann man das Additionstheorem der σ-Funktion ableiten. Für z, ω ∈ ℂ \ L gilt \begin{eqnarray} \wp(z) – \wp(\omega) = – \frac{\sigma (z + \omega) \sigma (z – \omega)}{\sigma (z)^2 \sigma (\omega)^2} . \end{eqnarray} Der Grenzübergang ω → z liefert noch die Formel \begin{eqnarray} \wp ' (z) = – \frac{\sigma (2z)}{\sigma (z)^4} . \end{eqnarray}

Ebenso gibt es ein Additionstheorem für die ζ-Funktion. Für z, ω ∈ ℂ \ L mit z + ω, z – ω ∈ / L gilt \begin{eqnarray} \zeta (z + \omega) = \zeta (z) + \zeta (\omega) + \frac{1}{2} \frac{\wp ' (z) – \wp ' (\omega)}{\wp (z) – \wp (\omega)} , \end{eqnarray} und der Grenzübergang ω → z ergibt \begin{eqnarray} \zeta (2z) = 2 \zeta (z) + \frac{1}{2} \frac{\wp '' (z)}{\wp ' (z)} . \end{eqnarray}

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  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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