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Lexikon der Neurowissenschaft: Biopsychologie

Biopsychologie w [von griech. bios = Leben, psyche = Seele, logos = Kunde], biologische Psychologie, Psychobiologie, E biopsychology, Zweig der Neurowissenschaft und Teilgebiet der Psychologie, das einen (neuro-)biologischen Zugang zur Erforschung menschlichen Verhaltens und Erlebens wählt. Das bedeutet, daß biologische Prozesse als Basisvorgänge für unser Verhalten gesehen werden, und daß auf dieser Grundlage unser Verständnis menschlichen Verhaltens erweitert werden soll. Unter "biologischen Prozessen" sind dabei in erster Linie solche Vorgänge zu verstehen, die sich im menschlichen Gehirn abspielen. Dagegen sind diejenigen Abläufe in biologischen Systemen, die sich uns am ehesten durch die Beobachtung tierischer Verhaltensweisen unter natürlichen Bedingungen erschließen, vorwiegend ein Gegenstand der Ethologie (Verhaltensbiologie). Die Ursprünge der Biopsychologie als einer psychologischen Teildisziplin gehen auf die Begründer der modernen wissenschaftlichen Psychologie zurück; auf Wilhelm Wundt und William James. Wundts grundlegendes Werk "Grundzüge der Physiologischen Psychologie" (1887), gilt als ein Markstein der gesamten modernen Psychologie. James beginnt sein Hauptwerk "Principles of Psychology" mit einem Kapitel über Gehirnfunktionen und Verhalten. 1949 gab "Organization of Behavior" von D.O. Hebb der jungen Wissenschaft einen Kristallisationspunkt. In diesem Buch entwickelte Hebb eine umfassende Theorie darüber, auf welche Weise komplexe psychologische Phänomene wie Wahrnehmung, Gefühl, Gedanken und Erinnerungen durch Aktivität des Gehirns hervorgerufen werden könnten. – Die Biopsychologie besitzt zwar ein zentrales Grundthema, sie wird jedoch in eine Reihe wichtiger Teilgebiete untergliedert. Diese unterscheiden sich einerseits hinsichtlich ihrer vorrangigen Forschungsfragen, andererseits bezüglich der typischen Untersuchungsparadigmen und der eingesetzten Methoden. Auf der Basis der primären Forschungsthemen lassen sich vier große Teilgebiete der Biopsychologie gegeneinander abgrenzen: 1) Die grundlegenden Zusammenhänge zwischen Gehirn und Verhalten bei Mensch und Tier (physiologische Psychologie); 2) Der Zusammenhang von gestörten Gehirnfunktionen und menschlichem Verhalten (Neuropsychologie); 3) Physiologische Prozesse als Indikatoren psychischen Geschehens beim Menschen (Psychophysiologie); 4) Die Steuerung menschlichen Verhaltens durch neurochemische und zelluläre Prozesse (Psychopharmakologie, Psychoneuroendokrinologie, Psychoneuroimmunologie). Diese Breite der biologischen Psychologie spiegelt sich auch auf der Ebene des Methodeninventars wider. Die Untersuchungsverfahren für den Humanbereich entstammen dabei größtenteils der medizinischen Diagnostik. Die wichtigsten bildgebenden Verfahren sind die Positronenemissionstomographie, die Single-Photon-Emission-Computer-Tomography (SPECT), die Magnetencephalographie und die funktionelle Kernspinresonanztomographie. Zu den primär in der Psychophysiologie angewandten elektrophysiologischen Methoden gehört das Elektroencephalogramm und die Registrierung der Herz-Kreislauf-Aktivität, der muskulären Aktivität, der elektrischen Aktivität der Haut und der Augenbewegungen. – Im Bereich der tierexperimentellen biopsychologischen Forschung dagegen finden sich spezielle Verfahren zur Manipulation zentralnervöser Prozesse, z.B. invasive Verfahren. Zur selektiven Aktivation von Gehirnarealen bzw. Neuronenpopulationen kann z.B. eine Elektrode in ein bestimmtes Gehirngebiet vorgeschoben werden, um dann am Zielpunkt über das Anlegen einer elektrischen Spannung die umgebenden Neurone zu stimulieren. In die Neurochemie des Gehirns kann man eingreifen, indem man über sehr feine Glaskanülen gezielt psychoaktive Substanzen in eng umschriebene Gehirngebiete einbringt. Dies hat eine große Bedeutung bei der Erforschung der Wirkung von Drogen und Psychopharmaka auf das Gehirn.

Lit.: Birbaumer, N., Schmidt, R.F.: Biologische Psychologie. Berlin 1996. Elbert, T., Rockstroh, B.: Psychopharmakologie. Göttingen 1993. Kolb, B., Whishaw, I.Q.: Neuropsychologie. Heidelberg 1993. Pinel, J.P.J.: Biopsychologie. Heidelberg 1997. Schandry, R.: Lehrbuch Psychophysiologie. Weinheim 1996. Schedlowski, M., Tewes, U.: Psychoneuroimmunologie. Heidelberg 1996.

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