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Lexikon der Neurowissenschaft: Botulismus

Botulismus m, Allantiasis, E botulism, Vergiftung durch das Neurotoxin von Clostridium botulinum (Botulinustoxin); tritt auf als Lebensmittelintoxikation, Wundinfektion und Kinderbotulismus.

Bisher sind 7 Botulinustoxine der Typen A, B, C1, D, E, F und G identifiziert. Die Vergiftung beim Menschen erfolgt normalerweise durch die Typen A, B, E und selten F, bei Haustieren durch die Typen C1 und D. Die Gifttypen A und B sind hochtoxische Proteine (schon 1 ng/kg Körpergewicht kann tödlich sein), die resistent gegen die enzymatische Verdauung des Magen-Darm-Trakts sind. Die Lebensmittelvergiftung wird hauptsächlich durch ungekochte, Toxin-kontaminierte Nahrungsmittel ausgelöst (z.B. rohe Fleisch- und Fischwaren, ungenügend sterilisierte Konserven, Rohmilchkäse). Beim Wund- und Kinderbotulismus wird das Neurotoxin durch das Wachstum von Clostridium botulinum im infizierten Gewebe bzw. im Gastrointestinaltrakt produziert.

Die Aufnahme des Toxins im Organismus erfolgt an peripheren Nervenendigungen durch rezeptorvermittelte Endocytose. An der motorischen Endplatte führen die Toxine zu einer Hemmung der Freisetzung von Acetylcholin durch die Spaltung von Proteinen, die an dem Vorgang beteiligt sind. Diese Proteine bilden einen Komplex aus Vesikelmembranen und Plasmamembranen, der Calcium-abhängig die Fusion der Vesikel mit der präsynaptischen Membran steuert. Die Neurotoxine haben eine hohe selektive Proteaseaktivität für die Proteine dieses Fusionskomplexes. Die Botulinustoxine B, D, F und G spalten das Synaptobrevin, das auch als vesikelassoziiertes Membranprotein (VAMP) bezeichnet wird. Das SNAP25-Protein (Synaptosomen-assoziiertes Protein) ist Substrat von Botulinustoxin A und E; Syntaxin wird von Toxin C1 gespalten. In jedem Fall wird der Vesikelfusionsprozeß unterbunden und somit auch die Freisetzung des Neurotransmitters. Dieser Wirkmechanismus erklärt die neuronale Selektivität der Botulinustoxine, die hohe Wirksamkeit und lange Wirkdauer.

Das klinische Bild ist geprägt durch eine schlaffe Lähmung, die meist mit Sehstörungen durch Augenmuskellähmung (Doppelbildersehen, Blepharoptose, Störungen der Akkommodation, Ausfall der Pupillenreaktion) und bulbären Lähmungserscheinungen wie Dysarthrie, Dysphagie und nasale Regurgitation beginnt. Es folgt die Lähmung der peripheren Extremitäten bis hin zur peripheren Atemlähmung. Hauptkomplikationen sind Ateminsuffizienz und Lungeninfektion durch Zwerchfellähmung. Beim Wundbotulismus fehlen die gastrointestinalen Symptome wie abdominelle Krämpfe, Erbrechen und Durchfälle. Der Kinderbotulismus tritt meistens bei Kindern zwischen dem 2. und 3. Lebensmonat auf infolge der Ingestion von Botulinum-Sporen mit anschließender Vermehrung im Magen-Darm-Trakt und Bildung des Toxins.

Im klinischen Bild dominiert in 2/3 der Fälle die Verstopfung, gefolgt von neuromuskulären Lähmungen, die bei den Hirnnerven beginnen und sich dann weiter auf die peripheren Nerven und die Atemmuskulatur ausdehnen. Hirnnerven-Ausfälle können asymmetrisch sein, und die Symptome zeigen ein breites Spektrum von leichter Lethargie und Trinkstörungen bis hin zu schwerer muskulärer Hypertonie und Ateminsuffizienz. Die Therapie besteht in allen Fällen in der Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen und der Gabe des Antitoxins (trivalentes Antitoxin A, B, E).

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