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Lexikon der Neurowissenschaft: Bully-Verhalten

Bully-Verhalten [von E bully = Tyrann], E bullying, wiederholt oder über einen längeren Zeitraum hinweg systematisch eingesetztes aggressives und gewalttätiges Verhalten unterschiedlicher Stärke gegenüber einem Gruppenmitglied bei aktiver Beteiligung oder passiver Duldung durch andere Gruppenmitglieder (vor allem bei Kindern). Bully-Verhalten beschreibt aus psychologischer und ethologischer Sicht einzelne Phänomene der Gruppenaggression und des Ausschlußverhaltens. Es geht nicht um Auseinandersetzungen zur Neustrukturierung der Rangordnung, sondern um aggressive Aktionen (Aggression) gegenüber einem rangniederen, unterwürfigen Opfer, dem schützende Freundesbeziehungen fehlen. Bezüglich Ablauf und Zielsetzung ähnliche aggressive Aktionen am Arbeitsplatz werden Mobbing genannt.

Lit.: Olweus, D.: Bullying at school: What we know and what we can do. Oxford 1993. (deutsch: Gewalt in der Schule: Was Lehrer und Eltern wissen sollten – und tun können. Bern 1996.) Smith, P.K., Sharp, S. (eds.): School bullying: Insights and perspectives. London 1994.

Von D. Olweus und P.K. Smith, den Pionieren der Bully-Forschung, stammen inzwischen mehrfach interdisziplinär replizierte Ergebnisse dieser gruppendynamischen Auffälligkeit im schulischen Bereich sowie zu dessen erfolgreicher Intervention. Identische Abläufe in Bully-Szenen: ein Kindergartenkind, Schulkind, Jugendlicher oder erwachsener Mensch werden zum Sündenbock ihrer Gruppe, zum Zielobjekt für aggressive Handlungen unterschiedlicher Ursachen. Bezeichnend ist, daß es für einen Zusammenstoß zwischen Bully-Täter und Bully-Opfer keines kontextbezogenen Anlasses bedarf. Allein die Präsenz des Opfers reicht als Auslöser aus, um erneut eine Attacke zu starten. Neben physischer und verbaler Aggression wird – wie neuere Forschungen von N.R. Crick zeigen – beim Bully-Verhalten in starkem Maße relationale Aggression eingesetzt, bei der durch negative Aussagen direkt zum oder indirekt über das Opfer dieses seines Beziehungsnetzes beraubt wird. Das Verhältnis eines Kindes zu Gleichaltrigen wird nachhaltig gestört. Das Kind selbst wird in seinem Empfinden bezüglich sozialer Zugehörigkeit und Akzeptanz durch gezielte Kommentare massiv erschüttert, was Fehlverhalten seinerseits nach sich zieht und es sekundär auch zum Angriffspunkt für Vergeltungsmaßnahmen an der Bully-Aktion nicht beteiligter Kinder werden läßt. Die Auswirkungen dieser Form der Aggression sind für Opfer wie Täter als schwerwiegend einzustufen. Für Opfer sind eine geringe soziale Attraktivität, massiver Leidensdruck, Entwicklungsrückstände, Schulleistungsschwächen, Verhaltensauffälligkeiten, sozialer Rückzug bis hin zur Selbsttötung nachgewiesen. Täterprofile zeigen überzufällige Übereinstimmungen bei Gewaltbereitschaft, Destruktivität und Delinquenz sowie eine in der Kindheit beginnende und sich im Entwicklungsverlauf verstärkende Abnahme der sozialen Einbettung und Akzeptanz in Adoleszenz wie im Erwachsenenalter. Erfolgreiche Bully-Interventionen sind mehrstufig: Aufmerksamkeit und Präsenz der Lehrer in Unterricht und Pausen, vom Lehrerkollegium geschlossen vertretenes sofortiges Einschreiten und bedingungsloses Nichtakzeptieren von Bullying, konsequentes Durchsetzen der Regeln gegen Bullying und Einsetzen ausgewählter Strafmaßnahmen gegen Bully-Täter (am wirkungsvollsten, wenn von Lehrern und Schülern gemeinsam erarbeitet), Aufzeigen von Rückwegen für Täter und Opfer aus den jeweiligen Extrempositionen der Gruppe.

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