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Lexikon der Neurowissenschaft: Evolution der Nervensysteme und Gehirne

Essay

Gerhard Roth

Evolution der Nervensysteme und Gehirne

Rekonstruktion der Evolution

Die Rekonstruktion der Evolution der Nervensysteme und Gehirne muß in aller Regel auf paläontologisches Material verzichten, da diese als Weichteile nicht fossilisieren, vielmehr muß sie aus der Verteilung von neuronalen Merkmalen heutiger Arten erschlossen werden. Dies geschieht mit Hilfe der phylogenetischen oder kladistischen Methode, die von Willi Hennig entwickelt wurde. Dabei geht es um die Frage, ob ein Merkmal einen ursprünglichen, plesiomorphen Zustand oder einen abgeleiteten, apomorphen Zustand darstellt. Das Ergebnis ist ein Abstammungsbaum, Kladogramm genannt, der auf gemeinsam getragenen, abgeleiteten Merkmalen, Synapomorphien bzw. Homologien beruht. Die für die Gewinnung eines Kladogramms verwendeten Merkmale können beliebiger Natur sein, sind aber meist anatomisch oder biochemisch. Das entscheidende Kriterium ist hierbei das Prinzip der sparsamsten Erklärung (Parsimonie), nach welcher diejenige Hypothese die wahrscheinlichste ist, welche die wenigsten evolutiven Abwandlungsschritte erfordert. Wenn verschiedene Tierarten in den Ausprägungen einzelner Merkmale im Detail übereinstimmen (z.B. in der Struktur des Innenohrs), so gilt es als wahrscheinlicher, daß diese Tierarten miteinander verwandt und die Übereinstimmungen der Merkmale auf der gemeinsamen Abstammung beruhen (d.h. homolog sind), und für weniger wahrscheinlich, daß die Tierarten nicht miteinander verwandt und die Merkmale trotz ihrer großen Ähnlichkeit unabhängig voneinander entstanden sind (analog bzw. konvergent sind). Unter möglichen Alternativen wird dann derjenige Stammbaum bevorzugt, der die geringste Zahl an unabhängig voneinander entstandenen ähnlichen Merkmalen annimmt.
Bei der Erforschung der Evolution von Nervensystemen geht es in aller Regel nicht um die Aufstellung neuer Kladogramme, sondern um die Frage, ob ein bestimmtes Merkmal, etwa die Großhirnrinde der Säuger (Neocortex, Isocortex), hinsichtlich seines Vorkommens oder seiner Abwesenheit oder hinsichtlich bestimmter Struktureigenschaften (einfach – komplex) ein ursprüngliches oder ein abgeleitetes Merkmal darstellt. Dies erfordert das Vorhandensein mehr oder weniger bewährter Stammbäume, die auf nicht-neuronalen Merkmalen (z.B. morphologischen oder biochemischen) beruhen, da man ansonsten in einen Zirkelschluß gerät. Häufig stehen keine bewährten Kladogramme zur Verfügung, und man muß mit Alternativstammbäumen operieren und abwägen, welche Auswirkungen dies für eine bestimmte evolutive Aussage besitzt.

Grundbaupläne der Nervensysteme

Einzeller besitzen per definitionem kein Nervensystem, jedoch ein intrazelluläres Erregungsleitungssystem. Ob Schwämme Nervenzellen haben, ist umstritten. Die Nervensysteme aller höheren Vielzeller (Eumetazoen) lassen sich in die nachfolgend beschriebenen fünf Grundtypen einteilen.
Den ersten und einfachsten Grundtyp findet man bei den Coelenteraten (Hohltiere), wobei auch dieses Nervensystem eine Reihe von komplexen Strukturen aufweist (z.B. ein Ring-Nervensystem bei Hydromedusen). Ein Zentralnervensystem (ZNS) fehlt. Der Zustand des Coelenteraten-Nervensystems wird als der ursprüngliche Zustand angesehen. Da aber die Abstammung der Coelenteraten völlig ungeklärt ist, ist nicht ganz auszuschließen, daß das Coelenteraten-Nervensystem eine Eigenentwicklung ist und eventuell ein vorhandenes ZNS verloren ging (zur Evolution der Nervenzelle siehe Zusatzinfo ).
Ein Zentralnervensystem findet sich zuerst bei den einfachsten bilateralsymmetrischen Tieren (Bilateria), den Plathelminthen (Plattwürmer; auch Platyhelminthen). Dieser 2. Grundtyp besteht aus einem Gehirn als einem paarigen Oberschlundganglion, das Eingänge von den meisten Sinnesorganen erhält und den Kopfbereich motorisch innerviert, sowie einer wechselnden Anzahl von Marksträngen (Nervenfasern plus Nervenzellen). Die Längsstränge sind durch eine wechselnde Anzahl von Querverbindungen, den Kommissuren, verbunden. Es können sich auch lokale Verdichtungen von Nervenzellen zu Ganglien ergeben. Zusätzlich gibt es in aller Regel noch ein oberflächliches Nervengewebe (peripheres Nervensystem). Dieser Plathelminthen-Bauplan liegt auch dem Nervensystem der Nemathelminthen (z.B. Nematoden, Fadenwürmer) und Nemertinen (Schnurwürmer) zugrunde, ist aber dort komplizierter und spezialisierter.
Das Nervensystem der Mollusken stellt den 3. Grundtyp dar, läßt sich jedoch auf den Plathelminthen-Bauplan zurückführen (Mollusken-Nervensystem). Das ZNS der Mollusken ist in seiner ursprünglichen Gestalt tetraneural (d.h. viersträngig) mit einem paarigen Oberschlundganglion (Cerebralganglion, entspricht dem Gehirn) und zwei Paaren von Längssträngen, nämlich zwei dorsalen Pleurovisceralsträngen und zwei ventralen Pedalsträngen. Im ursprünglichen Zustand der Mollusken sind diese Längsstränge Markstränge, d.h., die Zellen sind entgegen landläufiger Ansicht nicht in Ganglien gruppiert. Die verschiedenen, ursprünglich paarigen Ganglien des Mollusken-ZNS außerhalb des Cerebralganglions (Buccal-, Pleural-, Pedal-, Supra- und Subintestinal-, Parietal- und Visceralganglion) sind also nicht mit den Ganglien der Anneliden und Arthropoden homolog, sondern stellen unabhängige Bildungen dar. Innerhalb der Molluskengruppen finden wir sowohl bei den Gastropoden (Schnecken) als auch bei den Cephalopoden (Kopffüßler) vielfach unabhängig voneinander Ausbildungen komplizierter Gehirne (z.B. beim Octopus). Bivalvier (Muscheln) zeigen dagegen wiederum ein sekundär stark vereinfachtes Nervensystem mit nur drei Paaren von Ganglien, vermutlich im Zusammenhang mit der sessilen Lebensweise.
Anneliden (Ringelwürmer) und Arthropoden (Gliederfüßer) besitzen beide ein sogenanntes Strickleiternervensystem. Es besteht im ursprünglichen Zustand aus einem Cerebral- bzw. Oberschlundganglion, welches mit ventralen paarigen Längssträngen verbunden ist. Diese sind die keine Markstränge, sondern es befindet sich in ihnen pro Körpersegment ein Ganglienpaar, das in Längsrichtung durch Konnektive, in Querrichtung durch Kommissuren miteinander verbunden ist. Das Cerebralganglion hat sich bei den Anneliden vielfach unabhängig voneinander verkompliziert und zu einem dreiteiligen Gehirn entwickelt (z.B. bei räuberischen Vielborstern, Polychaeten). Bei Oligochaeten (Wenigborstern, z.B. Regenwürmern) finden wir eine mäßige, bei Hirudineen (Blutegeln) eine massive Vereinfachung dieses Bauplans (Anneliden-Nervensystem). Bei Arthropoden ist ein komplexes Gehirn durch Verschmelzung der vorderen Ganglien entstanden. Bei Crustaceen (Krebstieren), Insekten und Myriapoden (Tausendfüßlern) – zusammen Mandibulaten genannt – gibt es drei Hirnteile (Proto-, Deuto- und Tritocerebrum), bei Cheliceraten (Pfeilschwänze, Spinnentiere einschließlich Milben) finden sich nur zwei Hirnteile; das Deutocerebrum fehlt zusammen mit dem ersten Antennenpaar (Arthropoden-Nervensystem). – Bei den Arthropoden findet sich eine große Zahl von unabhängig voneinander verlaufenen Prozessen der Komplizierung und Vereinfachung. Erstere betrifft z.B. die Ausbildung sogenannter Zentralkörper und Pilzkörper. Diese sind mindestens zweimal unabhängig voneinander entstanden, nämlich einmal bei Cheliceraten und zum anderen bei Mandibulaten. Die Pilzkörper haben zum Teil unterschiedliche sensorische Funktionen (olfaktorisch, visuell, multimodal). Ein anderer in der Evolution häufig aufgetretener Prozeß ist die Verschmelzung von Bauchganglien, wobei eine Vielzahl gesonderter Bauchganglien der ursprüngliche Zustand ist. Es besteht die Tendenz der Verschmelzung der vorderen Bauchganglien zu einem Unterschlundganglion. Unterschlundganglien sind bei verschiedenen Arthropoden ebenfalls unabhängig voneinander entstanden; bei abgeleiteten Spinnentieren besteht das Unterschlundganglion aus allen, bei Insekten aus den ersten drei Bauchmarkganglien. Bei Milben (einer der größten Tiergruppen überhaupt) findet sich schließlich die größte Vereinfachung des ZNS.
Das Nervensystem der Echinodermen (Stachelhäuter) stellt den 4. Grundbauplan dar. Wie bei den Coelenteraten fehlt ein ZNS, das Nervensystem ist größtenteils ein epitheliales Nervensystem. Dies ist das Ergebnis einer sekundären Vereinfachung; d.h., Stachelhäuter stammen wahrscheinlich von bilateral-symmetrischen Tieren mit einem ZNS ab, welches sie im Verlauf ihrer Evolution wieder verloren haben (Echinodermata-Nervensystem).
Das ZNS der Cranioten (Schädeltiere; auch Craniaten), d.h. der Vertebraten (Wirbeltiere) einschließlich der kieferlosen Petromyzontiden (Neunaugenartigen) und Myxinoiden (Schleimaale) stellt den 5. großen Bauplan von Nervensystemen dar (Chordaten-Nervensystem). Sein phylogenetischer Ursprung und damit seine Verwandtschaft mit den anderen Bauplänen ist völlig ungeklärt. Das Gehirn ist außerordentlich einheitlich in seinem Aufbau: Von rostral nach caudal gliedert es sich in ein Endhirn (Telencephalon), Zwischenhirn (Diencephalon), Mittelhirn (Mesencephalon), Hinterhirn (Metencephalon) und Nachhirn (Myelencephalon, Medulla oblongata), das in das Rückenmark (Medulla spinalis) übergeht. Nach neuer entwicklungsbiologischer Sicht bildet der Hypothalamus die Grundplattenregion des vordersten Teils des Neuralrohrs. Er ist danach enger mit dem Telencephalon als mit dem Rest des Zwischenhirns assoziiert. Das Mesencephalon weist mit dem Tectum opticum, ebenso wie das Metencephalon mit dem Kleinhirn (Cerebellum), ein dorsales Spezialorgan auf. Myelencephalon, Metencephalon und der ventrale Teil des Mesencephalon (Tegmentum) werden auch als Hirnstamm bezeichnet, bei Säugern wird das gesamte Mesencephalon hinzugerechnet.

Evolutionsbiologische Aspekte des Cranioten-Nervensystems (Vergleich der Wirbeltiergehirne siehe Abb. 1 )

Die Medulla spinalis (Rückenmark) weist bei allen Cranioten einen schmalen oder völlig reduzierten Zentralkanal (Rückenmarksventrikel) auf. Um ihn herum ist die graue Substanz (vorwiegend Nervenzellkörper) angelegt, die ihrerseits von der weißen Substanz (vorwiegend Nervenfasern) umgeben ist. In der grauen Substanz befinden sich von dorsal nach ventral somatosensorische, viscerosensorische, visceromotorische und somatomotorische Neurone. Diese sind durch die Spinalnerven der Innervation des Rumpfes zugeordnet.
Die Medulla oblongata (verlängertes Mark) enthält die primären sensorischen und motorischen Gebiete der Hirnnerven IV bis XII. Diese sind wie das Rückenmark von dorsal nach ventral in somatosensorische, viscerosensorische, visceromotorische und somatomotorische Gebiete oder Kerne angeordnet und zeigen innerhalb der Cranioten im Vergleich mit anderen Hirnarealen geringe Unterschiede. Zudem besitzen die sensorischen (dorsalen) Wurzeln der Hirnnerven wie die Spinalnerven Ganglien, welche die Somata der sensorischen Neurone enthalten. Der motorische Kern des Nervus abducens (Abducens) fehlt ursprünglicherweise bei Myxinoiden, nicht aber bei Petromyzontiden. Der Nervus accessorius (Accessorius, XI) und der Nervus hypoglossus (Hypoglossus, XII) treten erst bei den Tetrapoden (Vierfüßlern, Landwirbeltieren) auf, bei Knochen- und Knorpelfischen sind die dem Nervus accessorius der Tetrapoden entsprechenden visceromotorischen Fasern ein Teil des Nervus vagus (Vagus, X). Als Homologon des Nervus hypoglossus der Tetrapoden existieren bei einigen anderen Wirbeltiergruppen (z.B. moderne Knochenfische, Teleosteer) somatomotorische ventrale Wurzeln im spino-occipitalen Bereich. Diese innervieren die hypobranchiale Muskulatur, aus der sich die Zunge der Tetrapoden ableitet. – Ursprünglich sind bei Cranioten die sensorischen und motorischen Kerngebiete der Hirnnerven V und VII bis X vorhanden. Die sensorischen Kerne erfahren bei Betonung eines Sinnessystems eine starke Vergrößerung (z.B. stark vergrößerte primäre gustatorische Kerngebiete des Nervus facialis [Facialis, VII] und des Nervus vagus bei Goldfischen und Welsen). Die den Seitenlinienorganen (Lateralis-System) zugeordneten Hirnnerven und ihre sensorischen Kerne in der Medulla oblongata sind für Vertebraten, wenn nicht gar für alle Cranioten, ebenfalls plesiomorph. Ursprünglich besitzen Wirbeltiere zusätzlich zu einer mechanorezeptiven auch eine elektrorezeptive Komponente des Seitenliniensystems. Seitenliniennerven und deren Kerngebiete gehen bei Amnioten (Reptilien, Vögel, Säuger) ersatzlos verloren. – Die Formatio reticularis der Medulla oblongata und des Mittelhirns gliedert sich in mehrere rostrocaudale Abschnitte (auch einen tegmentalen) und spezielle Kerne wie den Locus coeruleus oder die Raphe-Kerne. Sie ist ein wichtiges Integrationszentrum (Atmung, Kreislauf) und aufsteigendes Aktivierungszentrum (Aufmerksamkeit, Wachheit, Bewußtheit; Bewußtsein). Viele bei Säugern beschriebene Kerne der Formatio reticularis wurden auch bei Knorpelfischen identifiziert; diese Kerne sind möglicherweise ursprünglich für Wirbeltiere. – Die Brücke (Pons) existiert bei Vögeln und Säugern. Sie liegt ventral in der rostralen (metencephalen) Medulla oblongata der Säuger und besteht aus Bündeln von Fasern, welche die Großhirnrinde und das Kleinhirn verbinden, und dazwischengestreuten Kernen, in denen diese Fasern auf ihrem Weg zu den lateralen Kleinhirnhemisphären umgeschaltet werden. Im Gegensatz zu allen anderen Cranioten existieren auch bei Vögeln telencephalo-pontine Bahnen und pontine Kerne, wenn auch in geringerem Maße. Direkte pallio-spinale Bahnen (Pyramidenbahnen) sind bei Vögeln unabhängig von den Säugern entstanden, sie fehlen allen anderen Cranioten.
Das Kleinhirn (Cerebellum) ist eine Bildung des dorsalen Metencephalons. Außer bei Petromyzontiden ist es bei allen Wirbeltieren durch einen einheitlichen, dreischichtigen histologischen Aufbau charakterisiert. Eine tiefliegende, kleinzellige Körnerzellschicht wird durch eine großzellige Purkinjezellschicht von der peripheren Molekularschicht abgegrenzt. Der Lobus vestibulo-lateralis, welcher primäre vestibuläre (Vestibulocochlearis, VIII) und – wenn diese Sinnesmodalität vorliegt – mechanosensorische (Seitenlinien-)Information empfängt, ist bei allen Wirbeltieren vorhanden. Ein Corpus cerebelli tritt erst mit den Knorpelfischen auf. Seine starke Vergrößerung bei einigen Knorpelfischgruppen, Vögeln und Säugern und seine Reduktion bei den Amphibien sind abgeleitete Merkmale dieser Gruppen. Die Ausbildung und extreme Vergrößerung eines neuen Kleinhirnteils (Valvula cerebelli) bei Actinopterygiern (strahlenflossigen Knochenfischen) sind ebenso abgeleitet wie das Entstehen von lateralen Anteilen des Corpus (Hemisphären) bei Säugern, die ausschließlich telencephalo-pontine Eingänge erhalten.
Das Mittelhirn (Mesencephalon) besteht aus Tectum (Mittelhirndach), Torus semicircularis und Tegmentum (Haube). Tectum und Torus semicircularis (bei Säugern Colliculi superiores bzw. Colliculi inferiores genannt) stellen die dorsal gelegenen, der Sensorik zugeordneten Anteile des Mesencephalons dar. Mit Ausnahme der Säuger ist das Tectum bei allen Cranioten das wichtigste visuelle Zentrum. Der ursprüngliche Zustand des Tectums für Wirbeltiere ist durch eine Laminierung gekennzeichnet, d.h., die Nervenzellkörper (Perikaryen) und das Neuropil sind in alternierenden Schichten vom Ventrikel zur Hirnperipherie hin angeordnet. Das Fehlen einer solchen Lamination bei einigen Wirbeltieren (Salamander, Gymnophionen, südamerikanische und afrikanische Lungenfische) ist Folge einer sekundären Vereinfachung. – Neben den visuellen Projektionen gelangen auch andere sensorische Informationen (z.B. akustische und – falls vorhanden – mechano- und elektrosensorische Informationen vom Torus semicircularis) in tiefe Schichten des Mittelhirndachs. Ebenso erreichen telencephale Efferenzen das Tectum bei Knorpelfischen, Knochenfischen, Amphibien, Reptilien, Vögeln und Säugern. Die tectalen Hauptefferenzen werden von absteigenden motorischen Bahnen zum Hirnstamm (tecto-bulbäre und tecto-spinale Bahnen) gebildet. – Der Torus semicircularis (Colliculus inferior der Säuger) ist im ursprünglichen Zustand die Schaltstation des Mittelhirns für aufsteigende Projektionen des auditorischen, mechanorezeptiven und elektrorezeptiven Systems. Er ist durch Schichten- oder Kernbildung gekennzeichnet. Teleosteer stellen einen Spezialfall dar, da bei ihnen die bei Wirbeltieren ursprünglich vorhandene Elektrorezeption (elektrosensorisches System) verloren und mehrmals parallel neu entwickelt wurde. Die Zuordnung des inferioren Colliculus zur Akustik ist also eine sekundäre Vereinfachung bei Säugern, die sie als Synapomorphie mit Reptilien und Vögeln teilen. – Das Tegmentum ist der ventrale, der Motorik zugeordnete Teil des Mesencephalons und in stärkerem Maße von Spezialbildungen durchsetzt als der restliche Hirnstamm. Ursprüngliches Merkmal ist der motorische Hirnnervenkern des Oculomotorius (III). Dieser Nerv und sein Kern fehlen bei Schleimaalen, sind aber bei Neunaugen vorhanden. Bei Säugern verlaufen im ventralen Tegmentum massive Bahnen, welche die absteigenden corticalen Bahnen zu Hirnstamm, Brücke (cortico-pontine Bahnen) und Rückenmark (Pyramidenbahn) enthalten. Weitere wichtige Strukturen im Tegmentum der Säuger sind die Substantia nigra, die reziprok mit dem Striatum verbunden ist, sowie der Nucleus ruber. Dieser ist neben dem dorsalen Thalamus der Hauptempfänger gekreuzter, efferenter Kleinhirnbahnen und Ursprungsort absteigender, gekreuzter motorischer Bahnen zum Rückenmark (rubro-spinale Bahnen). Beide Kerngebiete sind Teil des sogenannten extrapyramidalen Systems.
Das Zwischenhirn (Diencephalon) gliedert sich von dorsal nach ventral in Epithalamus, Thalamus und Hypothalamus. Der Thalamus besteht seinerseits aus dorsalem Thalamus, ventralem Thalamus und posteriorem Tuberculum. Das Praetectum liegt zwischen Thalamus und Mittelhirn und wird allgemein dem Zwischenhirn zugerechnet. Der dorsale Thalamus ist bei Amnioten (Reptilien, Vögel, Säuger) stark vergrößert und in viele Kerne aufgeteilt, in denen spezifische sensorische (visuelle, auditorische, somatosensorische) Bahnen zum Telencephalon umgeschaltet werden. Bei Säugern besonders gut entwickelt sind der laterale Kniehöcker (Corpus geniculatum laterale), der primäre visuelle Information zum Cortex weiterleitet, und der mediale Kniehöcker (Corpus geniculatum mediale), der auditorische Information vom inferioren Colliculus zum Cortex umschaltet. Bei allen Wirbeltieren mit Ausnahme der Neunaugen existiert eine Projektion eines visuellen dorsalen thalamischen Kerns in das dorsale Pallium; dieser erhält bei Vögeln und zumindest einigen Reptilien direkte Eingänge von der Netzhaut (dorsolateraler thalamischer Kern). Ebenso existiert bei allen Wirbeltieren mit Ausnahme der Neunaugen ein dorsaler thalamischer Kern, bei Reptilien und Vögeln Nucleus rotundus genannt, der sekundäre visuelle Projektionen vom Tectum erhält und in den "dorsal ventricular ridge" (DVR; siehe unten) projiziert. Der Nucleus rotundus wird als homolog zum Pulvinar thalami der Säuger angesehen. Eine wahrscheinlich homologe retino-tecto-thalamo-telencephale Bahn wurde auch bei Amphibien, Strahlenflossern und Knorpelfischen nachgewiesen. Allerdings endet sie bei Amphibien im Striatum und nicht im Pallium. – Ventraler Thalamus (Zona incerta) und Subthalamus projizieren bei Säugern in das Subpallium des Telencephalons, d.h. zu Globus pallidus, Caudatum, Putamen, die Zona incerta zusätzlich zum Pallium (Hippocampus). Verglichen mit dem dorsalen Thalamus sind diese Kerngebiete und ihre aufsteigenden Projektionen bei Säugern aber quantitativ unbedeutend. Anders ist die Situation bei Strahlenflossern: Die telencephalen Projektionen des dorsalen Thalamus sind schwach oder fehlen ganz, der ventrale Thalamus und vor allem das posteriore Tuberculum hingegen projizieren massiv (Mechanorezeption, Elektrorezeption, Akustik) ins Telencephalon. Bei Knorpelfischen sind die diencephalo-telencephalen Projektionssysteme des dorsalen Thalamus und des posterioren Tuberculum vorhanden, was wahrscheinlich den ursprünglichen Zustand darstellt. Die starke Betonung des dorsalen Thalamus bei Amnioten oder des posterioren Tuberculum bei Strahlenflossern sind unabhängige Entwicklungen. – Über den Hypothalamus und die ihm ventral anhängende Hypophyse wird das hormonelle System zentralnervös gesteuert. Dieses System hat eine basale homöostatische Funktion und weist eine geringere phylogenetische Variabilität auf als die den sensorischen Systemen zugeordneten Teile des Zwischenhirns. Eine auffällige Vergrößerung des Hypothalamus existiert sowohl bei Knorpelfischen als auch bei Teleosteern, bei denen sich große laterale Auswölbungen (Lobus inferior hypothalami) entwickeln, deren Funktion weitgehend unbekannt ist.
Das Endhirn (Telencephalon) aller Cranioten umfaßt ein dorsal gelegenes Pallium und ein ventral gelegenes Subpallium. Bei den Wirbeltieren mit Ausnahme der Neunaugen ist das Subpallium in das Septum und das Striatum unterteilt und das Pallium in das laterale, dorsale und mediale Pallium. Diese fünf telencephalen Areale sind im Bauplan von ventromedial nach dorsomedial im Uhrzeigersinn angeordnet. Bei Reptilien werden die pallialen Anteile lateraler, dorsaler und medialer Cortex genannt, obwohl die Laminierung nicht mit derjenigen des Säugercortex vergleichbar ist. Bei Säugern entspricht der mediale Cortex dem Hippocampus und der laterale Cortex dem piriformen (olfaktorischen) Cortex. Diese beiden Teile des Säugercortex besitzen eine dreifache Schichtung in Gegensatz zum typischerweise sechsschichtigen Neocortex. Eine fünfschichtige Laminierung des Palliums tritt bei Schleimaalen auf, jedoch ist dies eine unabhängige Entwicklung. – Bei allen heutigen Reptilien und Vögeln liegt im Bereich des lateralen Palliums eine große Struktur, der dorsale ventrikuläre Kamm (dorsal ventricular ridge, Abk. DVR). Er ragt von ventral in den Endhirnventrikel hinein und wurde deshalb früher als Teil des Striatums betrachtet, was sich in der Bezeichnung für die vielen Unterteilungen des DVR bei Vögeln ausdrückt ("Ectostriatum", "Neostriatum", "Hyperstriatum"). Heute geht man allgemein davon aus, daß der DVR nicht dem Striatum der Säuger homolog ist (Corpus striatum), seine genaue Zuordnung ist jedoch weiter umstritten. Während ein Teil der Fachleute ihn als Teil des dorsalen Palliums und damit als homolog zum Neocortex der Säuger ansehen, halten andere ihn für einen Abkömmling des lateralen Palliums. – Im Telencephalon der Vögel ist das Ectostriatum des DVR Empfangsstation der retino-tecto-thalamo-telencephalen Bahn. Der als Wulst bezeichnete dorsale Teil des Telencephalons der Vögel empfängt dagegen visuelle Information über eine retino-thalamo-telencephale Bahn. Ob diese beiden Bahnen Homologa der retino-geniculo-telencephalen Bahn bzw. der extrageniculären visuellen Bahn der Säuger sind, ist umstritten. Der visuelle Wulst wird von einer Reihe von Autoren als der Area 17 der Säuger und der DVR dem Rest des Neocortex homolog angesehen, der dadurch eine duale Zusammensetzung erhält. Sollte der DVR nicht mit Teilen des Säugercortex homolog sein, so wäre das visuelle Terminationsgebiet im DRV eine Sonderentwicklung bei Reptilien und Vögeln. – Bei Vögeln sind nur einige ventral vom DVR liegende, als Palaeostriatum bezeichnete Areale dem Striatum der Säuger homolog. Der dorsale Teil (Palaeostriatum augmentatum) wird wegen seiner Acetylcholinesterase-Aktivität, seinem Dopamingehalt und seiner Verbindungen (Afferenzen vom DVR, Efferenzen zu Palaeostriatum primitivum) dem Striatum (Putamen, Nucleus caudatus) der Säuger gleichgesetzt, und das ventral davon gelegene Palaeostriatum primitivum dem Globus pallidus.

Evolution des Telencephalons

Über die Evolution des Telencephalons gibt es widerstreitende Meinungen. Oft wird angenommen, das Telencephalon sei bei Fischen fast rein olfaktorisch und erhielte keine anderen sensorischen Projektionen aus dem dorsalen Thalamus. Gemäß dieser Riechhirntheorie sollen aufsteigende thalamische Projektionen von den Amphibien über die Reptilien, Vögel und Mammalier langsam zunehmen und dabei immer neue Teile des Telencephalons ausbilden, und zwar zuerst Teile des Striatums und dann, im großen Ausmaß erst bei Säugern, des Palliums. In jüngerer Zeit wurde jedoch nachgewiesen, daß das Pallium aller Wirbeltiere nur sehr begrenzt olfaktorische Projektionen vom Bulbus olfactorius empfängt, die nur ins laterale Pallium ziehen. Zudem existieren bei allen Wirbeltieren nicht-olfaktorische Teile des Telencephalons, die sensorische Projektionen vom dorsalen Thalamus empfangen. Schleimaale weisen ausgedehntere sekundäre olfaktorische Projektionen ins Telencephalon auf als Wirbeltiere. Allerdings erreichen auch massive dorsal-thalamische Eingänge (die wahrscheinlich sensorischer Natur sind) das Pallium der Schleimaale. Daher kann zur Zeit nicht entschieden werden, ob das Telencephalon der Schleimaale vornehmlich ein Riechhirn ist. – Unterschiedliche Ontogenesen des Telencephalons führten zu einer verschiedenen Anordnung der Endhirnareale bei Strahlenflossern einerseits und allen anderen Cranioten andererseits. Bei letzteren dehnt sich das unpaare, embryonale Telencephalon nach lateral aus und bildet durch Evagination zwei Hemisphären. Im Gegensatz dazu wird die dorsale Verbindung der Endhirnhemisphären bei strahlenflossigen Fischen gelöst, und die Hemisphären bilden sich durch Eversion aus. Dadurch gelangen diejenigen Endhirn-Areale, die bei Tieren mit Evagination dorsomedial liegen, auf die ventrolaterale Seite der Hemisphäre. Dieser Prozeß ist bei Teleosteern am weitesten fortgeschritten. Hierdurch wird der Vergleich von telencephalen Arealen der Teleosteer mit denen anderer Cranioten stark erschwert, was sich bis heute in unterschiedlichen Interpretationen der verschiedenen telencephalen Areale von Teleosteern ausdrückt. Eine phylogenetische Analyse ergibt, daß der Evaginationsmodus für Cranioten ursprünglich ist und daß es sich beim Eversionsmodus um eine Sonderentwicklung der Strahlenflosser handelt.

Veränderungen der Gehirngröße im Laufe der Evolution

Bei Wirbeltieren wird die Gehirngröße überwiegend durch die Körpergröße bestimmt. Allerdings nimmt bei einer Vergrößerung des Körpers die Gehirngröße nicht im gleichen Verhältnis zu, sondern mit einem Exponenten (allometrischen Koeffizienten) von 0,6-0,8. Als Folge davon nimmt bei einer Vergrößerung des Körpers die Größe des Gehirns zwar absolut zu, aber relativ ab; dies nennt man negative Hirnallometrie ( siehe Abb. 2 ). Kleine Tiere haben deshalb absolut gesehen kleine, relativ zu ihrer Körpergröße aber große Gehirne, während sehr große Tiere relativ zu ihrem Körper sehr kleine Gehirne haben. So haben Spitzmäuse Gehirne, die bis zu 10% ihres Körpervolumens ausmachen, während beim Blauwal, dem größten lebenden Tier, das Gehirn nur 0,01% der Körpermasse bildet. – Über die Bedeutung des allometrischen Koeffizienten von ca. 0,7 wurde lange spekuliert, aber bis heute gibt es dafür keine allgemein akzeptierte Erklärung. Im übrigen zeichnen sich Angehörige unterschiedlicher Wirbeltierklassen wie auch Angehörige unterschiedlicher Säugetierordnungen durch ganz bestimmte Gehirn-Körper-Relationen aus, die zu ihrem Bauplan gehören. Halbaffen z.B. haben durchschnittlich doppelt so große Gehirne wie Insektenfresser (z.B. Igel), und Affen wiederum doppelt so große wie Halbaffen. – Der Mensch liegt hinsichtlich seines relativen Gehirngewichts bzw. -volumens von rund 2% des Körpervolumens durchaus in der Spitzengruppe, wenn auch nicht ganz an der Spitze. Sehr kleine Affen, Fledermäuse, Spitzmäuse und Vögel haben ein mindestens ebenso großes und zum Teil sehr viel größeres Gehirn relativ zur Körpergröße bzw. -masse als der Mensch. Was hingegen das menschliche Gehirn auszeichnet, ist die Tatsache, daß es angesichts der absoluten Körpergröße des Menschen ungewöhnlich groß ist. Wenn man innerhalb der Säuger die Verhältnisse bei der Katze willkürlich gleich 1 setzt, dann besitzt der Mensch eine relatives Gehirngröße, die 7-8 mal größer ist als der Säugetierdurchschnitt (d.h., wenn er eine Katze in menschlicher Größe wäre). Wirklich einzigartig macht ihn auch dies jedoch nicht, denn manche Delphine haben ein Gehirn, das um 5-6 mal größer ist als der Säugerdurchschnitt.
Bei Säugetieren nimmt mit einer Gehirnvergrößerung die Dicke der Hirnrinde zu. So ist der Neocortex bei Mäuse 0,5 mm dick, beim Menschen hingegen 2,5 mm. Gleichzeitig nimmt die Zelldichte stark ab, wobei dies durch die zunehmende Cortexdicke in etwa ausgeglichen wird. Dies führt dazu, daß in einer Säule mit einer Grundfläche von 25×30 μm durch den Cortex bei kleinen wie großen Säugetieren ungefähr 110 Nervenzellen zu finden sind. Eine Ausnahme bildet die Großhirnrinde der Wale und Delphine, die vergleichsweise sehr dünn ist und nicht den charakteristischen sechsschichtigen Aufbau besitzt. Auch ist die Zelldichte deutlich geringer als bei Tieren mit ähnlich großen Gehirnen (z.B. Menschen und Elefanten).
Die frühesten "Menschenartigen" (Australopithecinen), zu denen "Lucy" (Australopithecus afarensis) gehörte, lebten vor 3-4 Millionen (Mio.) Jahren und hatten ein Gehirn, das mit ca. 450 ccm kaum größer war als das der heutigen Schimpansen. Eine bedeutende Gehirnvergrößerung ergab sich erst mit dem Homo habilis, der vor rund 2 Mio. Jahren auftrat und eine Gehirngröße von ca. 700 ccm hatte. Dies bedeutet, daß die Gehirngröße unserer Vorfahren zunächst über einen Zeitraum von 1,5 Mio. Jahren mehr oder weniger konstant blieb. Ein nächster Schritt in der Gehirnevolution vollzog sich vor 1,8 Mio. Jahren mit den Erscheinen des Homo erectus, der ein Gehirnvolumen von 800-1000 ccm hatte. Das Auftreten des frühesten Homo sapiens vor maximal 400000 Jahren mit einem Gehirnvolumen zwischen 1100 und 1800 ccm repräsentiert den vorerst letzten Schritt in der Hirnevolution der Hominiden. Allerdings hat nicht der moderne Mensch, Homo sapiens, sondern der Neandertaler, Homo neandertalensis, mit ca. 2000 ccm das größte Gehirn aller Hominiden.
Der allometrische Koeffizient, mit dem das Gehirn sich in der Evolution zum Menschen hin relativ zum Körper vergrößert hat, hat sich erstaunlicherweise stark geändert. Vergleichen wir die Gehirn-Körperbeziehungen bei den Menschenaffen wie auch bei denjenigen Australopithecinen, die nicht zu unseren direkten Vorfahren gehörten, so finden wir einen allometrischen Koeffizient von 0,33, der typisch ist für derartige Werte innerhalb einer taxonomischen Einheit unterhalb der Familie. Vergleichen wir hingegen die Gehirn-Körperbeziehungen unserer Vorfahren, so kommen wir auf einen Wert von bis zu 1,7. Das bedeutet, daß innerhalb des Prozesses der "Menschwerdung" das Gehirn – und damit die Großhirnrinde – überproportional zugenommen hat. Die Gründe für diese Zunahme der Gehirngröße sind unklar, obwohl es viele Szenarios hierfür gibt. Die meisten Autoren nehmen drastische Umweltveränderungen, z.B. Versteppung, und entsprechend notwendig gewordene Anpassungen der Hominiden an, z.B. das Leben in der Savanne und die damit verbundene Notwendigkeit, in Gruppen zu jagen und in diesem Kontext bestimmte Sozial- und Kommunikationsformen auszubilden. Da sich aber im Zeitraum von 4 Mio. Jahren in Afrika, Europa und Asien die Umweltbedingungen viele Male drastisch veränderten, die Gehirngröße unserer Vorfahren aber gleichzeitig über lange Zeiträume mehr oder weniger konstant blieb, sind Zweifel an einem direkten Zusammenhang zwischen Umweltbedingungen und Gehirnevolution angebracht. Viele für den Menschen als typisch angesehenen Merkmale wie aufrechter Gang und Werkzeuggebrauch bildeten sich weit vor einer signifikanten Vergrößerung des Gehirns über das Menschenaffenniveau aus. Edinger (T.).

Lit.: Butler, A.B., Hodos, W.: Comparative Vertebrate Neuroanatomy. Evolution and Adaptation. Wiley-Liss, New York, 1996. Jerison, H.J.: Evolution of the Brain and Intelligence. Academic Press, New York, 1973. Nieuwenhuys, R., ten Donkelaar, H.J., Nicholson, C. (Hrsg.): The Central Nervous System of Vertebrates. Springer, Berlin, Heidelberg, New York., 1998. Roth, G., Wullimann, M.F.: Evolution der Nervensysteme und Sinnesorgane. In: Neurowissenschaft (Hrsg.: J. Dudel, R. Menzel, R.F. Schmidt). Springer, Heidelberg, Berlin, 1996.

Evolution der Nervensysteme und Gehirne

Evolution der Nervenzelle:
Eine Theorie postuliert, daß Sinneszellen und Nervenzellen aus Neuromuskelzellen entstanden, und stützt sich auf das Vorkommen von Epithelmuskelzellen bei zahlreichen Evertebraten. Nach einer anderen Ansicht stammen Sinneszellen, Nervenzellen und Muskelzellen unabhängig voneinander von Epithelzellen ab. Das Paraneuron-Konzept schlägt die Entstehung der Nervenzellen aus Paraneuronen – sekretorischen Zellen mit sensorischem und sekretorischem Pol als Vorläufer eines rezeptorischen (Perikaryon, Dendriten) bzw. effektorischen Anteils (Axon) – vor.
Trotz der nahezu unüberschaubaren Vielfalt von Nervenzelltypen sind einige Prinzipien bzw. Grundprozesse der Evolution der Nervenzellen (und Nervensysteme) erkennbar:
1. Zentralisation, die eine Akkumulation von Nervenzellen (Ganglienbildung) beinhaltet.
2. Polarisation, d.h. die Umwandlung eines Fortsatzes in ein Axon und der anderen in Dendriten.
3. Internation, die Verlagerung der Nervenzellen von der Körperoberfläche in die Tiefe.
Funktionelle Spezialisation führte schließlich zur Ausbildung der verschiedenen Typen von Nervenzellen (unipolare, bipolare, pseudounipolare, multipolare Nervenzellen).



Evolution der Nervensysteme und Gehirne

Abb. 1: Schematische Längsschnitte durch verschiedene Wirbeltiergehirne. Pallium und Kleinhirn sind zur besseren Orientierung durch eine schwarze Randmarkierung hervorgehoben.



Evolution der Nervensysteme und Gehirne

Abb. 2: Doppelt-logarithmische Darstellung des Verhältnisses von Gehirngewicht zu Körpergewicht (relatives Gehirngewicht) bei Wirbeltieren. Die Polygone umfassen Werte vieler Arten der genannten Tierklassen und besitzen alle ungefähr eine Steigung von 0,7. Die Verschiebung hinsichtlich der y-Achse zeigt die grundsätzlichen Unterschiede des relativen Gehirngewichts zwischen den Tierklassen.

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