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Lexikon der Neurowissenschaft: geschlechtsspezifisches Verhalten

geschlechtsspezifisches Verhalten, E gender specific behaviour, unterschiedliche Verhaltensweisen, die die Angehörigen der einzelnen Geschlechter hauptsächlich im Funktionskreis des Fortpflanzungsverhaltens zeigen ( siehe Zusatzinfo ). Das geschlechtsspezifische Verhalten entstand durch die in der Phylogenese ablaufende geschlechtliche Zuchtwahl und stellt einen wesentlichen Evolutionsfaktor bei Arten mit geschlechtlicher Fortpflanzung dar, auf den schon C. Darwin aufmerksam gemacht hat. Durch die natürliche Selektion sind die verschiedengeschlechtlichen Artangehörigen individuell darauf programmiert, selbst ein Maximum an Fitneß, also auch an Reproduktionserfolg zu erreichen. Die durch die Soziobiologie begründete genetische Theorie des Sozialverhaltens betont, daß geschlechtsspezifisches Verhalten und sexuelle Kooperation (Sexualverhalten) aus dem Konflikt zwischen den Geschlechtern resultiert. Die geschlechtsspezifischen Unterschiede im Verhalten sind grundsätzlich bedingt durch die Dimorphismen auf der Ebene der Gameten (große unbewegliche Eizellen – kleine bewegliche Spermien), der primären und sekundären Geschlechtsorgane und schließlich durch die unterschiedliche Beteiligung am Befruchtungs- bzw. Kopulationsgeschehen. – Es ist zwischen dem genetischen und dem "Verhaltensgeschlecht" zu unterscheiden: die genetische Geschlechtsdetermination bestimmt insbesondere die Entwicklung der primären Geschlechtsorgananlagen, während das "Verhaltensgeschlecht" nachweislich durch spezifische Gehirndetermination während der Embryogenese bedingt ist. Diese Gehirndetermination läuft allerdings ihrerseits unter dem Einfluß der von den primären Geschlechtsorgananlagen während der Embryonalentwicklung produzierten geschlechtsspezifischen Hormone (Testosteron, Östrogen) ab. Es gibt eine ganze Reihe geschlechtsspezifischer Unterschiede in bestimmten Hirnstrukturen, die offenbar an der Generierung geschlechtsspezifischen Verhaltens beteiligt sind (Geschlechtsunterschiede aus neurowissenschaftlicher Sicht). Unter normalen Entwicklungsbedingungen stimmen genetisches Geschlecht und Verhaltensgeschlecht überein, weil sie Ergebnis einer voneinander abhängigen epigenetischen Aufeinanderfolge von Entwicklungsprozessen sind. Dissoziationen der Komponenten durch Fehlentwicklungen (z.B. durch Rezeptorinsensitivitäten: genetisch männliche und phänotypisch weibliche Personen aufgrund von Androgenunempfindlichkeit, die sogenannte testikuläre Feminisierung) sowie tierexperimentelle Untersuchungen beweisen die dargestellten Zusammenhänge.

geschlechtsspezifisches Verhalten

Geschlechtsspezifisches Verhalten zeigt sich als äußerst vielfältig und artspezifisch und erweist sich unter ethoökologischem Aspekt als eine sehr entwicklungsdynamische Komponente des Verhaltens. So hat bei sozial lebenden höheren Säugetieren, besonders bei Primaten und beim Menschen, eine entscheidende Funktionserweiterung des Sexualverhaltens stattgefunden. Sexualverhalten oder einzelne Teile desselben werden nicht nur im Funktionskreis der Fortpflanzung realisiert, sondern es kann eine wesentliche Komponente bei sozial bindenden Funktionen sein. So lassen sich bei Bonobos viele Beispiele des Einsatzes sexueller Verhaltenskomponenten bis einschließlich des Koitus bei freundschaftlichen Bindungen, bei der Bildung von vorübergehenden Gruppen, beim Abbau von Spannungen oder bei der Befriedung nach aggressiven Auseinandersetzungen nachweisen, wobei auch homosexuelle Kontakte die Regel sind (Homosexualität).

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