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Lexikon der Neurowissenschaft: NCAM

NCAM, neurales Zelladhäsionsmolekül, neuronales Zelladhäsionsmolekül, Abk. für E neural cell adhesion molecule, Zelloberflächen-Glykoprotein (Zelladhäsionsmoleküle), das in embryonalen und adulten Geweben stark und weitverbreitet exprimiert wird. Durch alternatives Spleißen werden hauptsächlich vier Isoformen von NCAM gebildet. Alle vier Isoformen weisen im extrazellulären Teil fünf C2-Ig-ähnliche Domänen (Immunglobulingen-Superfamilie) und zwei Fibronectin III-ähnliche Domänen auf. Die beiden Haupt-Isoformen NCAM-140 und NCAM-180 sind 140 kDa bzw. 180 kDa groß, besitzen eine Transmembrandomäne und unterschiedlich große cytoplasmatische Domänen. Die dritte Isoform (NCAM-120, 120 kDa) verfügt über keine intrazelluläre Region und ist an die Zellmembran über einen GPI-Anker (Phospholipid-Anker) gebunden. Die vierte Isoform ist eine nicht-membrangebundene, sekretierte Form von NCAM. Durch alternatives Spleißen von extrazellulären Mikroexons kann eine Vielfalt weiterer Isoformen gebildet werden. So ist beispielsweise bei einer dieser Isoformen ein 30-bp VASE Mikroexon (Abk. für E immunglobulin variable domain and being an alternatively spliced exon) beteiligt. Neuritenwachstum in vitro ist stark bei Expression von NCAM-140 ohne VASE-Mikroexon und sehr viel niedriger bei Expression von NCAM-140 mit VASE-Exon. Sowohl im embryonalen als auch im adulten Nervensystem wird NCAM hoch exprimiert. NCAM ist an einer Vielzahl von Vorgängen beteiligt, wie z.B. neuronale Entwicklung (einschließlich Zellmigration), Neuritenwachstum, selektive Faszikulation und Axon-Sortierung, Zielerkennung (axon guidance) und synaptische Plastizität. PC12-Zellen, in denen NCAM überexprimiert wird, zeigen ein stärkeres Neuritenwachstum. NCAM übt seine Wirkung durch homophile Interaktion aus, d.h., ein NCAM-Molekül auf einer Zelle interagiert mit einem anderen NCAM-Molekül auf einer benachbarten Zelle, wobei die Interaktion zwischen den zweiten und dritten der Ig-ähnlichen Domänen der beiden Moleküle stattfindet. Dies konnte mit spezifischen Antikörpern gegen verschiedene Teile von NCAM gezeigt werden, welche die NCAM-vermittelte Zell-Zell-Adhäsion blockieren. – PSA-NCAM ist NCAM, an welches das Kohlenhydrat Polysialinsäure (Abk. PSA) kovalent gebunden ist und das die NCAM-abhängige Adhäsion verringert, wobei NCAM das wahrscheinlich einzige Protein in Vertebraten ist, welches PSA trägt. Vermutlich moduliert PSA auf NCAM nicht nur die Adhäsivität von NCAM selbst, sondern auch die Adhäsivität von benachbarten Zelladhäsionsmolekülen ( siehe Abb. ). Während der Embryonalentwicklung geht NCAM von einer PSA-positiven ("embryonales" NCAM) in eine PSA-negative ("adultes" NCAM) Form über. Im adulten Nervensystem wird PSA-NCAM vorwiegend in Geweben hergestellt, die noch eine synaptische Plastizität aufweisen, z.B. im Hippocampus oder im Hypothalamus-Hypophysen-System. Durch PSA-Entfernung mittels Endo NE (Endo N) in Hippocampus-Schnittkulturen konnte gezeigt werden, daß PSA auf NCAM für die beiden Formen von synaptischer Plastizität, die durch Aktivität gesteuert werden (Langzeitpotenzierung, Langzeitdepression), notwendig ist. Der zelluläre und molekulare Mechanismus, wie PSA in PSA-NCAM seine Wirkung ausübt, ist jedoch bisher unbekannt. Die sehr gut untersuchten, zu NCAM homologen Proteine in Invertebraten sind Fasziklin II aus Drosophila melanogaster und apCAM aus Aplysia californica (Seehase). Im Gegensatz zu NCAM werden jedoch weder Fasziklin II noch apCAM durch PSA posttranslational modifiziert.

M.H.

NCAM trägt zur Langzeitpotenzierung an Schaffer-Kollaterale-CA1-Synapsen bei (Schaffer-Kollaterale, Hippocampus). Reduzierte Langzeitpotenzierung in Hippocampus-Schnittkulturen (Zellkultur) von NCAM-knock-out Mäusen kann durch Zugabe von BDNF und größeren Mengen an NT-4/5 (Neurotrophin 5) wieder hergestellt werden. Dies könnte durch eine direkte Interaktion zwischen PSA-NCAM und der BDNF-Signalkaskade erklärt werden.



NCAM

Sterische Mechanismen, mit denen PSA Zell-Zell-Interaktionen beeinflussen könnte. Im trans-Mechanismus hindert das PSA von PSA-NCAM den Membran-Membran-Kontakt, im cis-Mechanimus hemmt es die Assoziation von mehreren NCAMs (rechts) bzw. von NCAM an andere Rezeptoren (links).

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