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Lexikon der Neurowissenschaft: Panikstörung

Panikstörung w, Panikerkrankung, Paniksyndrom, E panic disorder, sich wiederholende, nicht vorhersehbare, schwere Angstanfälle (Angst), die meist mehrmals pro Woche auftreten, etwa 15-30 min andauern und im Gegensatz zu Phobien und posttraumatischen Belastungsstörungen meist nicht an bestimmte äußere Reize gebunden sind und daher auch kaum vermieden werden können. Die Betroffenen glauben, daß sie beinahe ersticken werden, sie verspüren Unruhe, Hitzewallungen, Herzrasen und Furcht vor Wahnsinn oder Tod. Ist die Panikstörung mit Agoraphobie gekoppelt, haben die Betroffenen Angst davor, in eine Situation zu geraten, in der sie beim Auftreten einer Attacke hilflos wären und nicht entkommen könnten, ohne peinliches Aufsehen zu erregen. Es handelt sich um die am häufigsten diagnostizierte Angststörung, sie tritt überwiegend bei Frauen auf. – Die Anfälle basieren vermutlich auf einer genetischen Disposition. Sie gehen mit erhöhter Hirnaktivität in den anterioren Polen der Schläfenlappen und dem Gyrus parahippocampalis einher (auch bei Gesunden ist der Blutfluß bei großer Angst dort erhöht). Auch die circumventrikulären Organe, die den Blutzuckerspiegel und die Flüssigkeitsbalance im Gehirn regulieren, scheinen an der Panikstörung beteiligt zu sein. Panikanfälle können im Experiment durch eine Natriumlactat-Injektion ausgelöst werden; dabei reagieren mit Panikgefühlen nur 10% der gesunden Versuchspersonen, aber 80% der Personen mit einer diagnostizierten Panikstörung. Bei diesen reicht oft auch schon Hyperventilation oder das Einatmen eines Gasgemischs mit einem hohen Kohlendioxidanteil, um die inneren Signale zu schaffen, die eine Attacke auslösen können. Als Ursache werden u.a. eine Überempfindlichkeit für Kohlendioxid, psychologische Faktoren (z.B. eine in der Kindheit erlebte Trennungsangst) und die Konditionierungstheorie diskutiert. Letztere geht davon aus, daß die Panikanfälle durch eine Fehlinterpretation von Körpersignalen, die zu einem früheren Zeitpunkt einmal während einer Panik erlebt wurden (z.B. aufgrund von psychischen oder physischen Konfliktion, Drogenkonsum oder äußeren Gefahren usw.), und eine überempfindliche Reaktion auf diese ausgelöst werden. Die damals erlebten Stimuli wurden zu bedingten Reizen, jedoch nicht äußeren, sondern inneren, und dieser Lernprozeß von konditionierter Angst hat sich selbstverstärkend zur Angstneurose emporgeschaukelt. Für diese Hypothese von der Fehlinterpretation autonomer Körpersignale spricht, daß die Amygdala, die für die Ausbildung von Angst entscheidend ist, zahlreiche Informationen über den Körperzustand erhält (Frequenz der Herzschläge, Höhe des Blutdrucks und des Kohlendioxidanteils im Blut). – Behandelt werden Panikstörungen insbesondere durch Verhaltenstherapie und Psychopharmaka (Dämpfung der Symptome durch eine Hemmung der Aufnahme von Serotonin).

R.V.

Lit.: Boerner, R.J. u.a.: Die Panikstörung. Stuttgart 1997. Hand, I., Wittchen, H.U. (Hrsg.): Panic and phobias. Berlin 1988. Rachman, S., Maser, J. (Hrsg.): Panic. Hillsdale 1988. Schmidt-Traub, S.: Panikstörung und Agoraphobie. Göttingen, Bern 1997. Schneider, S., Margraf, J.: Agoraphobie und Panikstörung. Göttingen, Bern 1998.

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