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Lexikon der Neurowissenschaft: Photorezeption

Photorezeption w [von griech. phos, Gen. photos = Licht, latein. receptio = Aufnahme], Lichtwahrnehmung, E photoreception, Absorption von elektromagnetischer Strahlung (i.e.S. von Licht des Ultraviolett- bis nahen Infrarot-Bereichs) durch Pigmente, entweder zur Energiegewinnung (vor allem bei Pflanzen) oder zur Lichtwahrnehmung und Steuerung des Verhaltens ( siehe Zusatzinfo ). Bei Tieren und Mensch sind die Photorezeptoren meist in speziellen Strukturen angeordnet, den Augen, die den äußeren Bedingungen der Umgebung des Tieres gut angepaßt sind. Die Lichtsinneszellen arbeiten als Verstärker. Bei höchster Empfindlichkeit eines Wirbeltier-Photorezeptors kann eine einzige Lichtreaktion (die Isomerisierung des visuellen Chromophors Retinal im Sehfarbstoff) fast einmillionenfach verstärkt werden (nachgewiesen für das visuelle System des Rinds). Dies kommt durch die sog. "Sehkaskade" zustande, eine durch die Absorption eines Photons ausgelöste Reihe von Protein-Protein-Interaktionen innerhalb der Sehzelle, durch die nacheinander mehrere Enzyme aktiviert werden. Sie führt letztlich zu einer Änderung des Membranpotentials der Zelle. Dieses elektrische Signal gelangt über mehrere neuronale Verschaltungen in der Netzhaut über den Opticus ins Gehirn zu den optischen Zentren (visuelles System). Die Mechanismen der Reizweiterleitung im Innern der Sehzelle und die Steuerung bei der Entstehung des Rezeptorpotentials (Phototransduktion) sind bei Wirbellosen und Wirbeltieren unterschiedlich und erst in Teilen verstanden. In den Stäbchen der Lichtsinnesorgane (Auge) von Wirbeltieren sind die Sehfarbstoffe in Membranstapeln (discs) lokalisiert (Netzhaut, Membranproteine), die elektrisch und topographisch von der Außenmembran, an der die ionalen Veränderungen, d.h. die Änderung des Membranpotentials, stattfinden, getrennt sind. Dies erfordert einen Mechanismus, der die Wirkung der Photonenabsorption über eine bestimmte Distanz übermittelt. Für die Wirbeltier-Stäbchen ist es gelungen, alle an der Reizweiterleitung beteiligten Komponenten und die auftretenden Protein-Protein-Wechselwirkungen zu charakterisieren. Die visuelle Transduktion stellt damit ein Modellsystem für eine Reihe ähnlicher Mechanismen der innerzellulären Reizübermittlung (Transduktion, Signaltransduktion) dar. Die Absorption eines Lichtquants durch den visuellen Chromophor Retinal eines Sehfarbstoffmoleküls (Rhodopsin) führt in wenigen Pikosekunden (10-12 s) zur Isomerisierung des Retinalchromophors aus der 11-cis- in die all-trans-Form. Diese Photochemie induziert in 10-3 s eine Konformationsänderung der äußeren Proteinbereiche des Rhodopsins, dergestalt, daß eine Bindungsstelle für das heterotrimere G-Protein Transducin gebildet wird. Dieses entläßt nach Bindung an das Rhodopsin ein im Ruhezustand gebundenes GDP, bindet dafür ein GTP (Guanosin-5'-triphosphat) und zerfällt in die das GTP tragende α-Untereinheit und in den β/γ-Komplex. Ein einzelnes aktiviertes Rhodopsinmolekül kann aufgrund seiner Lebensdauer sämtliche auf der gleichen disc-Membran befindlichen G-Proteine (bis zu mehreren Hundert, 1. Verstärkungsstufe) aktivieren. Die G-α-Untereinheit interagiert in einer 1:1-Stöchiometrie mit einer Phosphodiesterase (PDE). Diese Komplexbildung führt zur Freisetzung der inhibierenden γ-Untereinheit der PDE, die somit als α/β-Komplex aktiv wird und in der Zelle vorhandenes cGMP zu 5'-GMP hydrolysiert. Auch hier findet man die Hydrolyse mehrerer Hundert cGMP-Moleküle pro aktivierter PDE (2. Verstärkungsstufe), so daß die Verstärkung in zwei aufeinanderfolgenden Stufen über 100000fach betragen kann. Aufgrund der Verminderung der cGMP-Konzentration durch Hydrolyse wird das innerzelluläre cGMP-Gleichgewicht gestört. Infolgedessen werden cGMP-Moleküle, die an bestimmten Bindungsstellen der in der äußeren Membran gelegenen Ionenkanäle fixiert waren, abgelöst, was nun wiederum zur Folge hat, daß sich die Kanäle, die für ihren "offen"-Zustand gebundenes cGMP benötigen, schließen und den Kationen-Einstrom in die Sehzelle (Na+- und Ca2+-Ionen) beenden. Da der Rücktransport dieser Kationen durch energieabhängige Ionenpumpen und elektrogene Antiporter (z.B. Na+-, K+- oder Na+-, Ca2+-Antiporter) weiterhin abläuft, wird das Potential der Sehzelle noch stärker negativ: Die Sehzelle hyperpolarisiert. Diese Hyperpolarisation stellt das Rezeptorpotential der Stäbchenzelle dar; es wird am proximalen Ende der Zelle über den Neurotransmitter Glutamat an die nachgeschalteten Netzhautzellen weitergegeben. – Im Gegensatz zu der Hyperpolarisation der Wirbeltier-Sehzellen findet man bei den meisten aktivierbaren Zelltypen bei Reizauslösung eine Depolarisation, so auch bei den Sehzellen der Wirbellosen. Als hier zugrundeliegender Mechanismus wird die Ausschüttung (Konzentrationserhöhung) von Calcium-Ionen aus abgeschlossenen Zisternen in das Zellinnere vermutet (ähnlich den Vorgängen bei der Muskelkontraktion der Wirbeltiere). Bei einigen bisher untersuchten Wirbellosen-Spezies fand man Hinweise, daß offensichtlich eine Lipase (Phospholipase C) während der Transduktion aktiviert wird, die den Inositolphosphat-Stoffwechsel beeinflußt, so daß Inositoltriphosphat (IP3) möglicherweise dem cGMP der Wirbeltiersehzelle entsprechend als sekundärer Bote wirkt. Erregung, Erregungsleitung, Sehen.

Photorezeption

Schon bei einigen Bakterien und Algen findet die Photorezeption Anwendung bei phototaktischem Verhalten. Neben einer Photorezeption von bevorzugt blauem (bzw. ultraviolettem) Licht, dessen Absorption häufig auf der Grundlage von Flavinchromophor-tragenden Pigmenten beruht und eine Fluchtreaktion auslöst (Phobotaxis), findet man bei einigen Arten Rhodopsin-ähnliche Wirkungsspektren für eine photophobe und auch für attraktive ("positive") Phototaxis. Allerdings sind diese Retinal-Pigmente zumindest bezüglich ihrer photochemischen Primärreaktionen den bakteriellen Retinalproteinen ähnlicher als den visuellen Pigmenten höherer Tiere, da der Chromophor aus der all-trans- und nicht aus der 11-cis-Form heraus isomerisiert.

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