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Lexikon der Neurowissenschaft: Segmentierung

Segmentierung w [von latein. segmentum = Abschnitt], E segmentation, 1) Metamerie, die Gliederung in Körperabschnitte, d.h. die Bildung struktureller (Unter-)Einheiten, sogenannter Segmente oder Metamere, in einem Organismus. Man unterscheidet eine homonome Segmentierung, bei der eine völlige Gleichförmigkeit und funktionelle Gleichwertigkeit der Segmente vorliegt, von der heteronomen Segmentierung, bei der bestimmte Segmente oft besonders differenziert und in funktionell unterschiedliche Gruppen vereinigt sind. Der Prozeß der Segmentierung ist genetisch gesteuert und führt zur Determination, Differenzierung und schließlich Anordnung individueller Zellen innerhalb einer kohärenten Untereinheit eines Gewebes, Organs oder Körperabschnitts entlang der anteroposterioren Körperachse. Am bekanntesten und in der Neurobiologie am besten untersucht ist die Segmentierung des Strickleiternervensystems der Insekten in Neuromere und die Segmentierung des Hinterhirns (Rhombencephalon) der Vertebraten in Rhombomere ( siehe Zusatzinfo ). 2) das Aufteilen sensorischer Daten auf mehrere individuelle Objekte. Die einfachste Segmentierungsleistung ist die Trennung in nur zwei Objekte, häufig dann als Figur und Hintergrund bezeichnet. Als Beispiel sei im Visuellen ein sich bewegender Vogel vor statischem Hintergrund, im Akustischen die Sprecherisolation aus Hintergrundgeräuschen angeführt. Segmentierung wird schwierig, falls die Zahl der zu segmentierenden Objekte unbekannt ist.

Segmentierung

Bei Drosophila melanogaster konnte gezeigt werden, daß eine Gen-Kaskade zur Musterbildung des Körperbauplans und folglich auch der Neuromere führt: von der Mutter bereits in dem Ei abgelegte mRNAs von sogenannten Koordinaten-Genen legen die anteroposteriore und dorsoventrale Körperachse fest; ausgehend davon führt eine hierarchische Steuerung von gap-Genen, Paarregel-Genen, Segmentpolaritäts-Genen und schließlich von homöotischen Genen zur Anlage von Segmenten, die durch die segmentspezifische Aktivität der homöotischen Gene ihre Identität und Spezifizierung erhalten. Man geht davon aus, daß die spezifische Aktivität der homöotischen Gene schließlich eine ganze Batterie von untergeordneten Zielgenen aktiviert und steuert, welche letztendlich die Differenzierung der Zellen im jeweiligen Segment bewirken.
Bei der Maus konnte gezeigt werden, daß ebenfalls homöotische Gene, die Hox-Gene, an der Bildung der 8 Rhombomere beteiligt sind. Allerdings wird die Rhombomer-spezifische Aktivität der Hox-Gene von Genen wie kreisler (Valentino) oder krox-20 gesteuert, welche Insekten offensichtlich fehlen. Wie bei Insekten führt die Rhombomer-spezifische Funktion von Hox-Genen zur Aktivierung von Ephrinen und Zelladhäsionsmolekülen, welche wahrscheinlich dafür verantwortlich sind, daß individuelle Zellen, einmal determiniert, immer einem Rhombomer zugeordnet bleiben, und zwar nach der Regel: gerade-ungerade, entsprechend der Rhombomer-Anordnung 1-8. Ebenso führt diese Gen-Kaskade zur Bildung der Hirnnerven, welche an Segment-spezifische Positionen in die Peripherie projizieren, sowie z.B. zur Ausdifferenzierung von Rhombomer-spezifischen Ionenkanälen, so daß sich die einzelnen Segmente nicht nur morphologisch, sondern auch physiologisch eindeutig unterscheiden. Dieser Vorgang unterliegt bei der Maus sowohl Zell-autonomen als auch Zell-nichtautonomen Prozessen, so daß die Genexpression einerseits sowie planare Signale, z.B. von Retinsäure, und vertikale Signale ausgehend vom Mesoderm andererseits die Identität eines Rhombomers spezifizieren.

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