Lexikon der Neurowissenschaft: Tollwut
Tollwut, Lyssa, Erabies, meldepflichtige Infektionskrankheit, die durch das zu den Rhabdoviren gehörende Tollwutvirus ausgelöst wird und hauptsächlich wildlebende Carnivoren (Füchse, Fledermäuse, Nager) und Haustiere des Menschen befällt. Die Tollwut ist weltweit verbreitet (häufig in Entwicklungsländern; Mitteleuropa und USA selten; britische Inseln, Australien und Japan sind tollwutfrei). Die Tollwut wird durch den Kontakt mit dem Speichel, also meist durch den Biß erkrankter Tiere, auf den Menschen übertragen und verläuft ohne eine Tollwutschutzimpfung auch heute noch tödlich. Die lange Inkubationszeit von mindestens 2 Wochen bis über 6 Monaten ermöglicht auch noch nach der Infektion eine aktive Immunisierung mit dem heute gut verträglichen Impfstoff. Aktive und passive Immunisierung müssen vor dem Auftreten der ersten Symptome erfolgen. – Nach dem Biß breitet sich das Virus retrograd neurogen aus, vermehrt sich in den Hinterwurzelganglien und gelangt anschließend ins Zentralnervensystem. Encephalitische Herde findet man u.a. in der Mittellinie des Gehirns, im Hypothalamus, in der Substantia nigra, im limbischen System und auch im Rückenmark. Im Hippocampus und im Kleinhirn findet man weitere Herde, die auch die typischen Einschlußkörperchen (Negri-Körperchen) aufweisen. Im Verlauf der Krankheit beginnt ein- bis drei Monate (selten bis zu einem Jahr) nach der Ansteckung im Vorläuferstadium (Prodromalstadium) die bereits verheilte Bißwunde zu jucken, außerdem treten Kopfschmerzen, Fieber und Übelkeit auf. Charakteristisch ist eine Überempfindlichkeit gegen Sinnesreize, die sich durch Verkrampfungen der Gesichts-, Rumpf- und Zwerchfellmuskulatur bemerkbar macht. Das Erregerstadium (Exzitationsstadium) ist durch Halluzinationen, delirante Zustände (Delirium) und Muskulaturkrämpfe am ganzen Körper gekennzeichnet, z.B. löst der Anblick von Wasser einen Schluckkrampf aus (Hydrophobie). Leiseste Geräusche können Wutanfälle, Schlagen und Beißen hervorrufen. Der Speichelfluß ist erhöht. Nach frühestens vier Tagen tritt der Tod ein, es kann sich aber auch ein Lähmungsstadium (Lähmung der motorischen Hirnnerven und der Stamm- und Extremitätenmuskulatur) anschließen, das durch Atemlähmung zum Tod führt. – Es gibt derzeit keine spezielle Therapie der Tollwut. Die Patienten sind bei vollem Bewußtsein, die Behandlung erfolgt symptomatisch (schmerz- und krampflösende Medikamente, Isolation, Schutz vor unnötigen Reizen). Die Diagnose wird anhand der typischen Symptome gestellt, ein direkter Nachweis von Virusbestandteilen gelingt aus Speichel oder Cerebrospinalflüssigkeit des Erkrankten. Günstig ist eine histologische Untersuchung des Zentralnervensystems des Tieres, von dem die Infektion stammt.
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