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Lexikon der Optik: Brillenanpassung

Mann hält Brille vor sich
Dieser Artikel ist veraltet.

Brillenanpassung, Bezeichnung für Tätigkeiten des Augenoptikers, die das Ziel haben, einen beschwerdefreien Dauergebrauch einer Brille zu gewährleisten.

1) Mechanische B. Sie besteht aus folgenden Schritten:

a) Auswahl derjenigen Brillenfassung aus dem verfügbaren Sortiment, deren Kenngrößen (Mittenabstand, Scheibenbreite, Scheibenabstand, Gelenkweite, Bügellänge, Seitensteg und Brückenwinkel) am besten den anatomischen Gegebenheiten des Kopfes entsprechen.

b) Abschätzung der durch die Masse der Brillengläser plus Fassung auftretenden Gewichtskräfte und deren Berücksichtigung bei der Fassungsauswahl.

c) Schaffung einer formschlüssigen und ausreichend großen Nasenauflagefläche, um die Druckkräfte je Flächeneinheit möglichst klein zu halten. Dazu sind die Seitensteg- und Brückenwinkel (Abbn. 1a, b, c) durch geeignete Vorauswahl und erforderlichenfalls manuelle spanende oder spanlose Nachbearbeitung der Fassung mit den entsprechenden Nasenwinkeln in Übereinstimmung zu bringen. Notfalls werden Unterfütterungen aus Fassungsformstoff oder Abgüsse aus geeigneten Prothetikwerkstoffen angefertigt.

d) Die Bügelwinkel (Abbn. 1d, e, f) werden durch manuelle Nacharbeit mit den Erfordernissen in Einklang gebracht.

e) Bügellängen können durch Austausch von Teilen verändert werden.

f) Die Form des Bügelschaftes und des Bügelendes muß mit Kopf- und Ohrform in Übereinstimmung gebracht werden (Abbn. 2 und 3). Dabei sind Form- und Kraftschluß anzustreben.

2) Optische B. (Brillenjustierung, Brillenzentrierung). Dabei handelt es sich um Maßnahmen zum Herbeiführen einer funktionsgerechten räumlichen Lage der Brillengläser vor den Augen. Die Korrektionswirkungen der Brillengläser sollen in einem möglichst großen und günstig liegenden Blickwinkelbereich genau den vorgeschriebenen Rezeptwerten entsprechen, die bei der Brillenglasbestimmung festgelegt werden. Das betrifft die monokularen Refraktionswerte ebenso wie die binokularen prismatischen Werte. Darüber hinaus sollten die Abbildungsfehler der Brillengläser durch die Justierung so gering wie möglich gehalten werden. Die Justierung des Einzelglases bezüglich des Auges erstreckt sich auf die 6 möglichen Freiheitsgrade: Verschiebungen in Richtung der drei Koordinatenachsen und Drehung um diese drei Achsen (Abb. 4).

a) Grundbegriffe.

Justieren heißt allgemein, eine Refraktionsprüf- oder Korrektionslinse in diejenige räumliche Lage zu bringen, in der sie die gewünschte Funktion des Gesamtsystems ermöglicht.

Zentrieren bedeutet, ein rotationssymmetrisches Bauelement (Prüflinse oder Roh-Brillenglas) so zu verändern, daß sein Mittelpunkt an einem geforderten Orte liegt.

Lagebestimmen ist das Fixieren eines Bauelementes (Prüf- oder Korrektionslinse) am funktionsgerechten Ort und das Festlegen geeigneter Bezugsgrößen, um diesen Ort reproduzierbar zu machen.

b) Bezugsgrößen.

Dabei handelt es sich um folgende Größen (Abb. 5):

Pupillenmittelpunkt (P): Mittelpunkt der Augenpupille, wichtigster und direkt zugänglicher Meßpunkt, der sich zudem als Hornhaut-Reflexbild eines auf der optischen Achse gelegenen Fixier-Lichtpunktes deutlich darstellen läßt.

Pupillenabstand oder Pupillendistanz (PD): Abstand zwischen den Pupillenmitten beim Blick geradeaus auf einen unendlich fernen Punkt. Der genannte Abstand ändert sich beim Blick auf einen nahen Punkt. Daher muß in diesem Falle die Einstellentfernung angegeben werden (z.B. PD60 cm, PD26 cm oder allgemein PDN).

Augenabstand (AA): Abstand zwischen den meßtechnisch nicht zugänglichen optischen Augendrehpunkten Z'.

Optischer Mittelpunkt (M): Durchstoßpunkt der optischen Achse durch eine Linse bzw. durch ein zentriertes Linsensystem. Bei zentrierten Einstärkenlinsen ist der optische Mittelpunkt zugleich der Punkt, für den der Nennscheitelbrechwert zutrifft.

Mittenabstand (MA): Abstand zwischen den optischen Mittelpunkten M der beiden Prüf- oder Korrektionslinsen.

Bezugspunkt (B): Punkt, in dem eine Linse die laut Verordnung festgelegte dioptrische (refraktive und prismatische) Wirkung hat. Bei zentrierten Einstärkenlinsen entspricht der Bezugspunkt normalerweise dem optischen Mittelpunkt. Bei dezentrierten (prismatischen) Linsen ist der Bezugspunkt mit dem Pupillenmittelpunkt in Übereinstimmung zu bringen, weil der optische Mittelpunkt dann eine dezentrale Lage hat. Da die Refraktionswerte bei der Brillenglasbestimmung in den Bezugspunkten ermittelt werden, muß auch an der Korrektionsbrille durch die Bezugspunkte geblickt werden.

Bezugspunktabstand (BA): Abstand zwischen den Bezugspunkten B. Bei der Binokularprüfung dient der vor der Refraktionsbestimmung ermittelte und an der Refraktionsmeßbrille eingestellte Mittenabstand MA als Bezugsmaß – er ist der Bezugspunktabstand. Es kann durchaus vorkommen, daß die PD-Messung mit einem Meßfehler behaftet ist oder daß das Augenpaar nach der refraktiv-prismatischen Korrektion eine andere Vergenzstellung einnimmt und sich damit die PD ändert. Diese Abweichungen sind dann Bestandteil der prismatischen Verordnung und führen zu keiner Fehlkorrektion, wenn der Bezugspunktabstand an der Refraktionsmeßbrille mit dem der Korrektionsbrille übereinstimmt.

Hornhaut-Scheitel-Abstand (HSA): Abstand zwischen dem Hornhautscheitel und dem bildseitigen Scheitelpunkt der Brillenlinse bzw. der Refraktionsprüflinse. Bei der subjektiven Refraktionsbestimmung wird der HSA von der Hornhautscheitelebene zur Randebene derjenigen Prüflinse gemessen, welche den höchsten Scheitelbrechwert hat.

c) Justierungsforderungen.

Dazu zählen die folgenden Forderungen:

Zentrierpunktforderung: Eine Prüf- oder Korrektionslinse ist so zum Auge zu zentrieren, daß ihr optischer Mittelpunkt M auf der optischen Achse (genauer auf der Fixierlinie) des Auges liegt (Abb. 5).

Drehpunktforderung: Eine Prüf- oder Korrektionslinse ist so zum Drehpunkt des Auges zu justieren, daß ihre optische Achse durch den Augendrehpunkt verläuft (Abb. 6).

Bezugspunktforderung: Ein Prüf- oder Korrektionslinsenpaar ist so zum Augenpaar zu justieren, daß für beide Augen gleichzeitig der Hauptdurchblickpunkt mit dem Bezugspunkt übereinstimmt (Abb. 7).

Bezugspunkt-Zusatzforderung: Um bei prismatischen Verordnungen eine weitgehende Übereinstimmung zwischen Rezeptwert und Korrektionswert bei gleichzeitiger Minimierung der Abbildungsfehler zu erreichen, sollen sowohl in der Refraktions- als auch in der Korrektionsbrille die Linsen so fixiert werden, daß bei positiven Linsen die Verbindungslinie zwischen Augendrehpunkt und Bezugspunkt senkrecht auf der Außenfläche steht (Prismenkeil augenseitig verlagert, Abb. 8a) und daß bei negativen Linsen diese Verbindungslinie senkrecht auf der Innenfläche steht (Prismenkeil objektseitig verlagert, Abb. 8b).

Gesichtsfeldforderung: Ein Prüf- oder Korrektionslinsenpaar ist zum Augenpaar so zu justieren, daß sich die beiden Gesichtsfelder im Objektfeld decken (Abb. 9). Diese Forderung gilt insbesondere für die Nahteiljustierung bei Mehrstärkenlinsen und für vergrößernde Sehhilfen.

Hornhaut-Scheitel-Abstandsforderung: In Richtung ihrer optischen Achse (z-Richtung) müssen Brillengläser so zum Auge justiert sein, daß die vorgeschriebene Korrektionswirkung erreicht wird.

d) Praktische Durchführung.

Meßmittel zur Justierung sind Maßstäbe, Meßschablonen, Augenabstandsmesser, Keratometer sowie Video-Computer-Systeme. Das Vorgehen zur Justierung in x,y-Richtung (Zentrierpunkt- und Bezugspunktforderung) wird in Abb. 10 schematisch am Beispiel sphärischer Einstärkenlinsen gezeigt. Bei Mehrstärkenlinsen müssen die Nahsegmente versetzt oder geschwenkt werden (Abb. 11). Gleitsichtlinsen müssen so geschwenkt werden, daß die Verbindungslinie aller möglichen Hauptdurchblickpunkte im optimal abbildenden Bereich des Progressionskanals liegt (Abb. 12).

Zur Erfüllung der Drehpunktforderung bei gesenkter Hauptblickrichtung erhalten die Linsen durch Veränderung des Bügelneigungswinkels β eine solche Neigung α zur Vertikalen, daß die Hauptblickrichtung senkrecht zum Linsenscheitel verläuft, und außerdem eine solche Dezentration h nach unten, daß der Hauptdurchblickpunkt mit dem Bezugspunkt zusammenfällt (Abb. 13). Für die Dezentration gilt:


.

Zur Justierung in z-Richtung (HSA-Forderung) gibt es zwei Möglichkeiten: erstens Einhaltung des bei der Brillenglasbestimmung ermittelten Hornhaut-Scheitel-Abstandes (HSA) auch in der Gebrauchsbrille oder zweitens die Umrechnung des Rezeptwertes S

für den Scheitelbrechwert auf den Korrektionswert S'K (Abb. 14) nach der Gleichung


(S' in dpt; +Δd bei HSA-Vergrößerung und -Δd bei HSA-Verkleinerung, in m).



Brillenanpassung 1: Winkelangaben an Brillenfassungen für die Brillenanpassung.



Brillenanpassung 2: Anpassung der Brillenbügel. a) Richtiger Kraft- und Formschluß; b) falsche Kraftwirkung führt zum Vorrutschen; c) formschlüssiges Anliegen des Bügelendes am Ohransatz.



Brillenanpassung 3: Bügelbiegung am Ohransatz. a) Zu flacher Bug hebt den Bügel an; b) zu steiler Bug führt zu Druckschmerz; c) richtig angepaßtes Bügelende.



Brillenanpassung 4: Freiheitsgrade und Justierungsrichtungen des Brillenglases in Bezug auf das Auge.



Brillenanpassung 5: Bezugsgrößen zur Brillenjustierung. a) bei Ferneinstellung, b) bei Naheinstellung (Erläuterung im Text). O∞ und ON im Unendlichen bzw. Endlichen befindliches Objekt.



Brillenanpassung 6: Drehpunktforderung. O Objektpunkt, M optischer Mittelpunkt, Z' Augendrehpunkt, C1 Krümmungsmittelpunkt der objektseitigen Linsenfläche, C2 Krümmungsmittelpunkt der augenseitigen Linsenfläche, O' Netzhautbildpunkt.



Brillenanpassung 7: Bezugspunktforderung. a) Prismatisches Linsenpaar in der Draufsicht, b) Leseneigung einer Linse in der Seitenansicht. H Hauptdurchblickpunkt, B Bezugspunkt, M optischer Mittelpunkt, Z' Augendrehpunkt; C1, C2 Krümmungsmittelpunkt der objekt- bzw. augenseitigen Linsenfläche.



Brillenanpassung 8: Bezugspunkt-Zusatzforderung. a) Bei positiven Linsen Prismenkeil augenseitig, b) bei negativen Linsen Prismenkeil objektseitig verlagert. B Bezugspunkt, Z' Augendrehpunkt.



Brillenanpassung 9: Gesichtsfeldforderung. E Fixierzentrum, M optischer Mittelpunkt, P Pupille.



Brillenanpassung 10: Justieren in x- und y-Richtung. Die Bezugsgrößen von Augenpaar, Brillenfassung und Brillenlinsen werden in Übereinstimmung gebracht. B Bezugspunkt, H Hauptdurchblickpunkt, M optischer Mittelpunkt.



Brillenanpassung 11: Nahteiljustierung von Zweistärkenlinsen zur Erfüllung der Gesichtsfeldforderung. E Extrempunkt, y Nahteilhöhe, MN Nahteilmittelpunkte.



Brillenanpassung 12: Justierung einer Gleitsichtlinse durch Schwenkung des Progressionskanals. BF Bezugspunkt Ferne

nominaler Meßpunkt Ferne, Z Zentrierpunkt

Hauptdurchblickpunkt Ferne, G geometrischer Mittelpunkt

Formdrehpunkt, BN Bezugspunkt Nähe

nominaler Meßpunkt Nähe, P Progressionskanal, HH Verbindungslinie der Hauptblickpunkte Ferne und Nähe.



Brillenanpassung 13: Durch Versetzung des optischen Mittelpunktes M um die Strecke h nach unten fallen M, Bezugspunkt B und Hauptdurchblickpunkt H zusammen. Die Linse ist dadurch in H bezugspunkt- und drehpunktgerecht justiert. Z' Augendrehpunkt.



Brillenanpassung 14: Notwendige Änderung der Bildbrennpunktschnittweite s'K[m] und damit des Korrektionsscheitelbrechwertes S'K[dpt], damit bei einer HSA-Änderung um Δd[m] die rezeptierte Korrektionswirkung erhalten bleibt. a) Refraktionsbrillenlinse im Abstand dR bewirkt Rezeptwert
S'R = 1/s'R[dpt], b) Korrektionsbrillenlinse im Abstand dK (Annäherung) bewirkt Korrektionswert S'K = 1/s'K, c) Korrektionsbrillenlinse im Abstand dK (Abstandsvergrößerung) bewirkt Korrektionswert S'K = 1/s'K. F'R Rezeptwert und F'K Korrektionswert des Brennpunktes.

  • Die Autoren
Roland Barth, Jena
Dr. Artur Bärwolff, Berlin
Dr. Lothar Bauch, Frankfurt / Oder
Hans G. Beck, Jena
Joachim Bergner, Jena
Dr. Andreas Berke, Köln
Dr. Hermann Besen, Jena
Prof. Dr. Jürgen Beuthan, Berlin
Dr. Andreas Bode, Planegg
Prof. Dr. Joachim Bohm, Berlin
Prof. Dr. Witlof Brunner, Zeuthen
Dr. Eberhard Dietzsch, Jena
Kurt Enz, Berlin
Prof. Joachim Epperlein, Wilkau-Haßlau
Prof. Dr. Heinz Falk, Kleve
Dr. Wieland Feist, Jena
Dr. Peter Fichtner, Jena
Dr. Ficker, Karlsfeld
Dr. Peter Glas, Berlin
Dr. Hartmut Gunkel, Berlin
Dr. Reiner Güther, Berlin
Dr. Volker Guyenot, Jena
Dr. Hacker, Jena
Dipl.-Phys. Jürgen Heise, Jena
Dr. Erwin Hoffmann, Berlin (Adlershof)
Dr. Kuno Hoffmann, Berlin
Prof. Dr. Christian Hofmann, Jena
Wolfgang Högner, Tautenburg
Dipl.-Ing. Richard Hummel, Radebeul
Dr. Hans-Jürgen Jüpner, Berlin
Prof. Dr. W. Karthe, Jena
Dr. Siegfried Kessler, Jena
Dr. Horst König, Berlin
Prof. Dr. Sigurd Kusch, Berlin
Dr. Heiner Lammert, Mahlau
Dr. Albrecht Lau, Berlin
Dr. Kurt Lenz, Berlin
Dr. Christoph Ludwig, Hermsdorf (Thüringen)
Rolf Märtin, Jena
Ulrich Maxam, Rostock
Olaf Minet, Berlin
Dr. Robert Müller, Berlin
Prof. Dr. Gerhard Müller, Berlin
Günter Osten, Jena
Prof. Dr. Harry Paul, Zeuthen
Prof. Dr. Wolfgang Radloff, Berlin
Prof Dr. Karl Regensburger, Dresden
Dr. Werner Reichel, Jena
Rolf Riekher, Berlin
Dr. Horst Riesenberg, Jena
Dr. Rolf Röseler, Berlin
Günther Schmuhl, Rathenow
Dr. Günter Schulz, Berlin
Prof. Dr. Johannes Schwider, Erlangen
Dr. Reiner Spolaczyk, Hamburg
Prof. Dr. Peter Süptitz, Berlin
Dr. Johannes Tilch, Berlin (Adlershof)
Dr. Joachim Tilgner, Berlin
Dr. Joachim Träger, Berlin (Waldesruh)
Dr. Bernd Weidner, Berlin
Ernst Werner, Jena
Prof. Dr. Ludwig Wieczorek, Berlin
Wolfgang Wilhelmi, Berlin
Olaf Ziemann, Berlin


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